Herne. . Der Integrationsrat ließ einen Linke-Antrag zu den Folgen des Türkei-Referendums für Herne ins Leere laufen. Die Linke fand dies „erschreckend“.
Über die Folgen des von Erdogan initiierten Referendums auf die Herner Stadtgesellschaft und vor allem auf die hier lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln wollte die Linke im Integrationsrat diskutieren. Die Debatte fand jedoch nicht statt, weil mit Ausnahme der Vertreter der Linkspartei kein anderes Mitglied des Gremiums darüber reden wollte.
„Ich finde es erschreckend, dass die Diskussion offenbar nicht gewollt ist“, sagte Linke-Ratsfrau Veronika Buszewski. Sie mache sich große Sorgen, weil das Referendum auch weitreichende Auswirkungen auf Herne habe.
Kein Interesse? Integrationsrats-Vorsitzender Muzaffer Oruc wies dies zurück: Der Integrationsrat sei „nicht der passende Rahmen“ für das Thema. Bei der jüngsten Fortbildung dieses Gremiums aus gewählten Migranten sowie Stadtverordneten sei ja bereits über Konflikte gesprochen worden. Vielleicht könne der Integrationsrat ein weiteres Seminar zu diesem Thema anbieten. Es sei der falsche Weg, entgegnete Buszewski, eine derart wichtige Diskussion einmal in Jahr in einer Fortbildung „abzuhandeln“.
Ältestenrat soll sich mit dem Thema befassen
Oruc führte ebenfalls an, dass möglicherweise auch das Wetter und die vorgerückte Stunde - die um 16 Uhr begonnene Sitzung dauerte zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Stunden - zur fehlenden Diskussionsbereitschaft beitrügen. Der Vorschlag des Integrationsratsvorsitzenden, das Thema noch einmal im Ältestenrat des Rates anzusprechen, stieß bei der Linken auf wenig Begeisterung: „Ein solches Thema muss breit in die Bevölkerung getragen werden“, sagte Linke-Ratsfrau Klaudia Scholz.
Eine Abfuhr erteilte der Integrationsrat der Linken auch bei einem weiteren Antrag: Der Integrationsrat bitte „alle Herner Einwohnerinnen und Einwohner, sich für die Abschaffung der Todesstrafe einzusetzen“, so die zentrale Botschaft des vor dem Hintergrund der Diskussion in der Türkei von der Linken eingebrachten Resolution. Insbesondere Herner mit Migrationshintergrund sollten sich aktiv „gegen alle Versuche zur (Wieder-)Einführung der Todesstrafe in ihren Herkunftsländern wenden“, heißt es weiter.
Rechtliche Bedenken der Stadt
Der Integrationsrat nahm den Antrag von der Tagesordnung. Vorausgegangen war eine Erklärung des Rechtsdezernenten Frank Burbulla: Falls der Integrationsrat dem Linke-Antrag zustimme, müsse der OB dies aus rechtlichen Gründen beanstanden, so seine Warnung. Denn: Es sei unzulässig für gemeindliche Vertretungen, sich mit „allgemeinen politischen Fragen zu befassen“.
„Da kann man unterschiedlicher Auffassung sein“, so Buszewski. Sie verwies unter anderem darauf, dass Herne einem Städtebündnis gegen die Todesstrafe beigetreten sei. Es müsse auch dem Integrationsrat gestattet sein, hier ein Signal zu setzen.
>> INFO: Der Linke-Antrag zum Türkei-Referendum
„Die hohe Zustimmung für das Referendum in der Türkei unter den türkischen Wählerinnen und Wählern in Deutschland hat viele überrascht. Seitdem sind sich augenscheinlich alle einig, dass der Ausgang des Referendums nicht ohne Folgen für hier lebende Menschen mit türkischen Wurzeln bleiben wird.
Teilweise bekommt man dabei den Eindruck, dass Menschen mit türkischen Wurzeln in Sippenhaft genommen werden. Einzelne Politikerinnen und Politiker gehen so weit, Befürworterinnen und Befürwortern des Referendums die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen zu wollen, im Extremfall in die Türkei zurückzuschicken.
Unabhängig solch undemokratischer Forderungen stellen sich - angesichts einer Zustimmungsquote zum Referendum von über 75% im Ruhrgebiet und Herne – Fragen, über die der Integrationsrat als Interessenvertretung aller in Herne lebenden Ausländerinnen und Ausländern diskutieren sollte:
- 1. Wie kann unter den neu gegebenen Umständen die Städtepartnerschaft „Herne – Besiktas“ forciert werden?
- 2. Welchen Einfluss hat die türkische Regierung, insbesondere die Religionsbehörde Diyanet, auf Organisationen und Einrichtungen in Herne?
- 3. Welche weitergehenden Maßnahmen sind zu ergreifen, um die tatsächlich vorhandenen strukturellen Benachteiligungen von Hernerinnen und Hernern nicht-deutscher Herkunft zu beseitigen?
- 4. Welche Initiativen müssen ergriffen werden, um dem subjektiven Eindruck vieler Hernerinnen und Hernern mit muslimischem Hintergrund zu widersprechen, sie seien nicht integriert?
- 5. Welche Aufklärungsarbeit muss in Herne geleistet werden, um für die Ächtung der Todesstrafe zu werben, wie sie in der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgeschrieben ist?“