Herne. . Das Ergebnis des Referendums für eine Verfassungsänderung in der Türkei ging sehr knapp aus. In Besiktas stimmte eine große Mehrheit dagegen.

  • Herner Mitglieder das Integrationsrates appellieren, Dialog nicht abreißen zu lassen
  • Michelle Müntefering sieht Erdogan am Zuge, einen Kurs der Aussöhnung zu suchen
  • Hernes Partnerstadt Besiktas stimmte mit überwältigender Mehrheit gegen das Referendum

Äußerst knapp ist das Referendum in der Türkei mit einem Ja für die Verfassungsänderung und damit für die Schaffung eines Präsidialsystems nach den Vorstellungen Recep Tayyip Erdogan ausgegangen. Auf dieses knappe Ergebnisse müsse der Präsident entsprechend reagieren, meint der Vorsitzende des Herner Integrationsrates, Muzaffer Oruc.

Dass es so gekommen ist, überrasche ihn nicht, sagt Oruc. Das sei schon seit einiger Zeit abzusehen gewesen. Das Ergebnis dürfe nicht überbewertet werden: Fast die Hälfte aller Wahlberechtigten in der Türkei hätten dagegen gestimmt. Und auch das Ergebnis für Deutschland täusche: Die türkische Community umfasse etwa drei Millionen Menschen, von denen nur 1,4 Millionen wahlberechtigt waren. Von diesen 1,4 Millionen machten knapp 50 Prozent von ihrem Stimmrecht Gebrauch. Und davon wiederum stimmten etwa 63 Prozent mit Ja. „Das sind 412 000 Ja-Wähler“, rechnet Oruc vor. Aber: Gerade im Konsulatsbereich, zu dem Herne gehöre, liege die Ja-Sager Quote mit 75 Prozent überdurchschnittlich hoch.

„Wir dürfen niemanden im Stich lassen“

Ganz im Gegenteil zu Hernes Partnerstadt Besiktas. Dort hätten 82,7 Prozent mit Nein gestimmt, berichtet Nurten Özcelik, stellvertretende Integrationsratsvorsitzende, die sich maßgeblich für die Partnerschaft zwischen Herne und Besiktas eingesetzt hat. Fast sämtliche Großstädte hätten sich gegen Erdogans Pläne ausgesprochen. Sie habe in der Nacht von Sonntag auf Montag ziemlich schlecht geschlafen, gibt sie zu. Auch sie betont, dass eben auch fast die Hälfte der Türken nicht für die Einführung des Präsidialsystems und den damit verbundenen Machtzuwachs für Erdogan gestimmt hätten.

Sie hoffe nun auf eine besonnene Politik und darauf, dass der Dialog nicht abreiße. „Wir würden sonst die, die mit Nein gestimmt haben, im Stich lassen“, sagt Nurten Özcelik. Ebenso wie Muzaffer Oruc werde auch sie weiterhin in die Türkei reisen, Freunde und Familie besuchen und sich weiter für die Partnerschaft Herne/Besiktas einsetzen. Darüber hinaus sei für sie die spannende Frage, warum so viele Türken, die teilweise schon seit Jahrzehnten hier leben, für das Referendum gestimmt haben und gibt die Antwort gleich selbst: „Sie fühlen sich hier nicht angenommen.“

„Fundamentaler Einschnitt in der Geschichte der Türkei“

Als „fundamentalen Einschnitt in der Geschichte der Türkei“, sieht Michelle Müntefering (SPD), Herner Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe, das knapp angenommene Referendum. Den Beschwerden der Opposition über Unregelmäßigkeiten müsse unverzüglich nachgegangen werden. Doch auch sie betont: „Trotz einer angespannten Atmosphäre und Einschüchterungen gegenüber Kritikern haben viele Türken gegen einen Kurs gehalten, der die Gewaltenteilung weitgehend außer Kraft setzt.“ Die große Zahl der Nein-Stimmen zeige auch das demokratische Potenzial einer starken türkischen Zivilgesellschaft. Es liege nun bei Präsident Erdogan, welchen Weg die Türkei gehe, und es sei an ihm, einen Kurs der Aussöhnung zu suchen. Erdogan habe mit seiner Eskalationspolitik tiefe Gräben auch in die deutsch-türkische Gesellschaft gerissen. „Es kommt nun darauf an, dass unsere Gesellschaft hilft, das demokratische Miteinander bei uns zu stärken.“