Herne. . Von Wanne-Eickel ging es für Carsten Spohr in die Welt: Der 50-Jährige ist Chef der Lufthansa, bekennt sich aber zu seiner Heimatstadt.
- Lufthansa-Chef Carsten Spohr ist gebürtiger und bekennender Wanne-Eickeler
- Schulweg zum Gymnasium Eickel würde er heute noch finden - „auch ohne Google Maps“
- 50-Jähriger fliegt regelmäßig im Lufthansa-Flugzeug „Herne“
Von Wanne-Eickel in die Welt - dieser Satz passt wohl für niemand anderen besser als für Carsten Spohr. Um im Bild zu bleiben: Von der Startbahn seiner Heimatstadt ging es für den heute 50-Jährigen hoch hinaus. Als Pilot der Lufthansa hat er weite Teile der Welt gesehen, als Vorstandsvorsitzender führt er seit bald drei Jahren den Weltkonzern. Im WAZ-Interview spricht er über seine Wurzeln und den Blick auf das Ruhrgebiet.
Wie intensiv verfolgen Sie, was sich im Ruhrgebiet und in Ihrer Heimatstadt tut?
Carsten Spohr: Ich habe hier noch Familie und bin noch regelmäßig hier. Ich würde mir wünschen, dass beim Thema Modernisierung die Widerstände mit der gleichen Dynamik angegangen würden, wie wir sie bei der Modernisierung der Lufthansa angehen. Ich glaube, für das Ruhrgebiet wäre mit besseren Strukturen noch mehr zu erreichen.
Was meinen Sie konkret damit?
Spohr: Mir scheinen die Verwaltungsstrukturen im Ruhrgebiet nicht so effizient wie in anderen Großräumen in Deutschland und offensichtlich auch die Industriestrukturen nicht. Sonst wäre die Arbeitslosigkeit hier nicht höher als in anderen Regionen Deutschlands.
Könnten Sie sich ein Modell Ruhrstadt vorstellen?
Spohr: Um diese Frage zu beantworten, gibt es kompetentere Gesprächspartner als mich. Mein Eindruck ist, dass in der Vergangenheit vielleicht zu wenig getan worden ist, historisch gewachsene Widerstände gegen die Etablierung neuer Strukturen aufzulösen. Da sehe ich durchaus Parallelen zu meinem Unternehmen. Aber generell gilt: Modernisierung ist notwendig und in vielen Fällen nicht ohne Widerstände zu realisieren.
Hat sich Ihr Blick aufs Ruhrgebiet verändert, dadurch, dass Sie so viel in allen Regionen der Welt unterwegs sind?
Spohr: Wenn man hier, so wie ich, 20 Jahre gelebt hat, ist das natürlich die Heimat. Die werde ich immer mit anderen Augen sehen als alle andere Regionen auf der Welt. Ich bin hier in einer glücklichen Kindheit und Jugend aufgewachsen. Der Menschenschlag, den ich hier kennenlernen durfte, kann auf die Attribute, die man ihm zuschreibt, also Ehrlichkeit und Offenheit, stolz sein. Dass es wirtschaftlich erfolgreichere Regionen in Deutschland gibt, das wissen alle. Ich kann aber auch sagen, dass die Bedeutung der Region für unser Unternehmen zunimmt, es ist einer der größten Ballungsräume in Europa. Das zeigt auch das Potenzial, das hier steckt.
Sie sind viel in der Welt unterwegs, würden Sie sich noch in Wanne-Eickel zurechtfinden?
Spohr: Sicher. Ich würde jederzeit meinen Schulweg zum Gymnasium Eickel finden. Auch ohne Google Maps ...
Schaffen Sie es denn noch, die Cranger Kirmes zu besuchen? Würden Sie noch den Weg zu Steinmeister finden?
Spohr: Unbedingt. Das, was Frankfurt für unser Lufthansa-Netzwerk ist, war und ist Steinmeister für die Jugend in Wanne.
Sie leben ja in München. Wie fällt Ihr Vergleich zwischen der Cranger Kirmes und dem Oktoberfest aus?
Spohr: Ich fühle mich auch deshalb in München wohl, weil die Menschen gerne dort leben. Ich habe immer dort ein Problem, wo die Menschen meinen, sie müssten konstant schimpfen. Das ist in München nicht der Fall, aber in Wanne-Eickel auch nicht. Und die Lufthansa fliegt natürlich genau so gerne Nordrhein-Westfalen zum Oktoberfest wie Bayern zur Cranger Kirmes.
Ein anderer Fixpunkt war früher der Ruderverein Emscher. Wie erfolgreich waren Sie als Ruderer?
Spohr: Zu mehr als zum Landesmeister Nordrhein-Westfalen im Vierer hat es nicht gereicht. Ich habe aber dann meine Grenzen erkannt.
Es wurde ja mal ein Lufthansa-Flugzeug auf den Namen Herne getauft. Ist das immer noch im Dienst?
Spohr: Ja, ich fliege sogar regelmäßig mit der Herne. Das ist ein A 340. Den sehe ich oft vor meinem Büro.
Wenn die Herne mal außer Dienst gestellt wird, gibt es dann eine Nachfolgerin?
Spohr: Bei der ersten Herne war damals meine Idee, die eine Seite Wanne-Eickel zu taufen und die andere Seite Herne. Damit bin ich aber damals nicht durchgekommen (lacht...). Vielleicht kann ich mich ja in meiner neuen Rolle dafür einsetzen, dass eine Nachfolgerin auf der einen Seite Wanne-Eickel und auf der anderen Herne getauft wird. Aber im Ernst. Wenn sie ausgemustert wird, benennen wir ein Nachfolgeflugzeug. Wir haben über 60 Flugzeuge nach Städten aus Nordrhein-Westfalen getauft, die höchste Anzahl aller Bundesländer bei der Lufthansa.
Sitzen Sie selbst noch im Cockpit?
Spohr: Ich fliege nur als Passagier und erhalte meine Pilotenlizenz im Simulator, weil ich die Zeit zum regelmäßigen Fliegen nicht mehr habe.
Ein Simulator reicht, um die Fluglizenz zu behalten?
Spohr: Ja. Die Simulation ist inzwischen hervorragend. Alle 90 Tage muss im Simulator einen Check stattfinden, um die Lizenz zu erhalten. Da gibt es Regeln vom Luftfahrtbundesamt, welche Prüfungen zu bestehen sind. Die werden für alle Piloten angewendet.
Der Städtename Wanne-Eickel wird ja gerne mal für Scherze missbraucht. Wie gehen Sie mit Ihrem Geburtsort um?
Spohr: Ich habe einen offiziellen Lebenslauf, in dem selbstverständlich als Geburtsort Wanne-Eickel steht. Wenn das auf Herne geändert werden sollte, würde ich mich wehren. Ich fühle mich gebürtig in Wanne-Eickel, fliege aber durchaus gerne mit der „Herne“.
Das Interview führten Tobias Bolsmann, Ulf Meinke, Stefan Schulte und Andreas Tyrock