Essen. . Carsten Spohr ist häufig im Ruhrgebiet. Der Lufthansa-Chef, der heute in München wohnt, stammt aus Wanne-Eickel und hat noch Familie im Revier. Außerdem ist Spohr Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. In unserem Interview spricht Spohr darüber, wohin er die Lufthansa steuern will.

Carsten Spohr ist häufig im Ruhrgebiet. Der Lufthansa-Chef, der heute in München wohnt, stammt aus Wanne-Eickel und hat noch Familie im Revier. Außerdem ist Spohr Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp. In unserem Interview spricht Spohr darüber, wohin er die Lufthansa steuern will.

Herr Spohr, gemessen an der Zahl der Passagiere musste die Lufthansa im vergangenen Jahr ihre Stellung als Europas größte Fluggesellschaft an den Billigflieger Ryanair abtreten. Schmerzt Sie das?

Carsten Spohr: Nein. Die Größe einer Fluggesellschaft lässt sich nicht nur an der Zahl der Passagiere ablesen. Außerdem führt es in die Irre, Kurz- und Langstreckenflüge miteinander zu vergleichen. Uns geht es um eine nachhaltige Sicherung unserer Marktposition und profitables Wachstum. Hier haben wir zuletzt ein Rekordniveau erreicht. Mit unseren Geschäftsfeldern sind wir nach Umsatz der größte Luftfahrtkonzern der Welt. Und werden das auch bleiben.

Lassen Sie Ryanair also in Europa davonziehen – oder wollen Sie die Marktführung zurückerobern?

Wir werden diesen Titel schon in diesem Jahr zurückerobern. Durch die Integration von Brussels Airlines und die Anmietung von Flugzeugen von Air Berlin wird die Zahl unserer Fluggäste um rund elf Millionen auf dann knapp 120 Millionen steigen. Auf Brussels entfallen davon 7,7 Millionen und auf Eurowings rund 3,5 Millionen Passagiere. Aber noch einmal: Dieser Titel ist mir nicht so wichtig. Wir investieren nicht in blindes Wachstum, sondern in Qualität. Wir wollen die beste Airline Europas sein.

Ihr Konkurrent Air Berlin vermietet nun 38 Jets samt Piloten und Flugbegleitern an den Lufthansa-Konzern, davon 33 an die Tochterfirma Eurowings. Läuft das Projekt reibungslos?

Wir haben gerade die ersten drei Flugzeuge umlackiert. Am 10. Februar geht es los mit dem ersten Flug. Wir begrüßen gerade die Crews von Air Berlin zu Trainings. Die Anmietung der Flugzeuge von Air Berlin ermöglicht es Eurowings, ihre Flotte in einem schnellen Tempo aufzustocken.

Ist auch eine komplette Übernahme von Air Berlin möglich?

Dafür wären zunächst drei wichtige Fragen zu beantworten: Was passiert mit den Schulden der Air Berlin? Ist Air Berlin mit ihren Kosten wettbewerbsfähig? Wie wären kartellrechtliche Hürden zu beurteilen? Antworten auf alle drei Fragen sind heute nicht absehbar.

Die Ölpreise sind gestiegen. Bei vielen Fluggesellschaften dürften in diesem Jahr die Renditen bröckeln. Welche Auswirkungen sehen Sie für die Lufthansa?

Es gilt, jedes Jahr effizienter zu werden. Daher streben wir zum Beispiel langfristig niedrigere Flughafengebühren an, und wir müssen auch bei den Personalkosten wettbewerbsfähige und damit zukunftsfeste Strukturen schaffen. Entscheidend für den Erfolg einer Airline sind Qualität, Effizienz und Innovation.

Wie werden sich die Ticketpreise entwickeln?

Der Trend ist offensichtlich. Die ­Ticketpreise sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich ­gesunken. Wir gehen auch in diesem Jahr ­davon aus, unseren Kunden leicht reduzierte Ticketpreise anbieten zu können. Aber der Rückgang dürfte etwas niedriger ausfallen als im vergangenen Jahr.

Immer wieder gibt es Streiks bei der Lufthansa. Können Sie sich an eine Phase ohne jeden Tarifkonflikt während Ihrer Amtszeit erinnern, die im Mai 2014 begann?

Der Luftverkehr erlebt in der Tat überdurchschnittlich viele Tarifauseinandersetzungen. Wir als Lufthansa kommen aus der Phase einer Staatsairline. Mit den Tarifbedingungen aus dieser Zeit, die teilweise noch heute gelten, können Sie im heutigen Wettbewerb nicht mehr bestehen. Der Modernisierungsbedarf ist bei unseren Tarifverträgen besonders hoch. Das ist leider nicht ohne Konflikte zu schaffen. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg: Wir haben in den vergangenen zwei Jahren für 95 Prozent unserer Mitarbeiter zukunftsfähige Tarifverträge abgeschlossen – inklusive Umstellung der Altersversorgung.

Wie sehr schaden die Streiks dem Image der Lufthansa?

Jeder Streiktag ist einer zu viel. Und jeder Streiktag tut mir für unsere Kunden außerordentlich leid. Klar ist aber auch: Wir haben über 60 Jahre lang als Unternehmen Vertrauen aufgebaut. Vereinzelte Streiks können diesem Vertrauen nicht nachhaltig schaden. Wir müssen die Lufthansa zukunftsfähig aufstellen. Sonst zahlen wir dafür später einen hohen Preis.

Sie sind ja selbst auch Pilot. Gehören Sie noch der Vereinigung Cockpit an?

Nein, nicht mehr.