Herne. Die Familienministerin betrat am Freitag zum ersten Mal eine Moschee. Dann sprach sie mit jungen Muslimen, die im Alltag nicht nur glücklich sind.

Die jungen Muslime sind in Deutschland geboren, haben türkische Wurzeln und wollen auf Augenhöhe behandelt werden. Was sie fordern: Kindergärten für muslimische Kinder. Islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen. Islamische Gebetsräume in Flughäfen. Doch auch das: keine Frage zur Rolle der Frau, zum Kopftuch und zur Religion. ,,Wir verstehen nicht, warum wir uns ständig dafür rechtfertigen müssen. Uns stören die selbst ernannten Experten, die sich dazu äußern.“

Schwesig will keine Ausflüchte zulassen

Die deutlichen Worte richtet ein Muslim äußerst selbstbewusst an Familienministerin Manuela Schwesig. Ihr Lächeln verrät nicht, was ihr gerade auf der Zunge liegen könnte beim Treffen der DITIB-Jugend in Herne-Wanne. Zusammen mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering hat sie sich am Freitag in der DITIB-Moschee eingefunden. Immerhin auf Betreiben der DITIB-Jugend, die das Thema ,,Zuhause in Deutschland – junge Muslime gestalten ihre Gesellschaft“ gewählt hat. Erst am Ende der großen Runde fasst sich Schwesig ein Herz: ,,Doch. Es sind genau diese Fragen, die wir stellen wollen. Nach Frauen, Kopftuch und Gleichberechtigung.“ Religion als Ausrede für Gewalt, ,,geht nicht“, betont die SPD-Ministerin.

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Aber der Reihe nach: Als die Ministerin am Freitag in Wanne in der Hauptstraße vorfährt, warten dort bereits rund 150 Muslime auf sie. Als sie im Gebetsraum erklärt, dass sie zum ersten Mal in ihrem Leben in einer Moschee sei und dann die anwesenden Kinder begrüßt, scheint einer lockeren Gesprächsrunde nichts mehr im Wege zu stehen. Doch die DITIP-Jugend – vor allem deren Bundesvorstand – wollte nichts dem Zufall überlassen und hatte die Wortbeiträge offenkundig unter perfekt vorbereiteten Muslimen aufgeteilt.

"Die Medien ziehen uns runter"

Auf die Frage, wo denn der Schuh im Alltag drücke, ob es so etwas wie Probleme bei alleinerziehenden Frauen gebe, erfuhren die SPD-Bundespolitikerinnen Schwesig und Müntefering unter anderem, dass der Koran wichtig und für Menschen gedacht sei, ,,die denken“. Oder, dass der Koran Gewalt verurteile. Oder, dass es ausschließlich an einer einseitigen negativen Berichterstattung liegt - ,,die Medien ziehen uns runter“ - dass alle Muslime verurteilt und als Fanatiker abgestempelt werden.

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Irgendwann ging es schließlich um den konkreten Alltag: Das Attentat von Paris auf eine Satirezeitschrift habe dazu geführt, dass Lehrer junge Muslime im Unterricht an den Pranger stellten und extrem belasteten, ,,sie müssen sich für ihre Religion und für die Gewalt anderer rechtfertigen“, schilderte eine Lehrerin, worüber ihre Schüler verzweifelten. ,,Muslime sind willkommen, aber der Islam soll draußen bleiben“, wunderte sich die Bundesvorsitzende der DITIB-Jugend, Sümeyra Kilic. ,,Natürlich nicht“, widersprach Familienministerin Schwesig. Für sie gebe es keine Menschen erster oder zweiter Klasse, ,,für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der Islam zu Deutschland gehört. Jede Religion passt dazu“.

Die Sprache - mehr Problem als Chance

Schwesig hakte nach, nach den Problemen im Alltag. Schließlich erfuhr sie, dass junge Türken oder Deutsche mit türkischen Wurzeln, neben einer Benachteiligung im Bildungssektor, extreme Sprachdefizite haben. „Sie sprechen schlecht Deutsch, aber auch schlecht Türkisch“, erklärte eine Studentin und forderte die Politik auf, gerade auch an Universitäten mit Förderprogrammen behilflich zu sein. Michelle Müntefering ermutigte alle Muslime, sich beide Sprachen anzueignen: ,,Das ist ein Schatz und der Schlüssel zum beruflichen Erfolg.“

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Am Ende der Gesprächsrunde, bei der ein Treffen von DITIB-Jugend, Familienministerium und Stadtjugendring, in Aussicht gestellt wurde, meldete sich eine junge Frau. Es gehe um das große Thema Freiheit. Dann lieferte sie ihre Definition von Freiheit. ,,Ich muss nicht vor dem Mann stehen und beten, um mich frei zu fühlen. Ich trage das Kopftuch, weil es zu meiner Religion gehört und für die habe ich mich freiwillig entschieden.“

,,Danke“, sagte Schwesig. „Das sind sie Fragen, die wir stellen wollen, damit wir uns besser kennenlernen.“