Heiligenhaus. Zeitreise zum 100. Rathausgeburtstag: Gäste konnten im Casino um Heiligenhaus-Geld zocken oder sich stilecht die Schuhe putzen lassen.
Ein Zeitreisender aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts hätte sich am Freitag im Heiligenhauser Rathaus wohl wie zuhause gefühlt: Mit viel Liebe zum Detail waren Treppenhaus und Ratssaal in ein mobiles Casino im Stil der 20er-Jahre verwandelt worden, ein Schuhputzer bot seine Dienste an, Oldtimer standen vor dem Gebäude.
Pünktlich zum Jubiläumstag des Rathauses wurde glamourös gefeiert – mit passender Musik, Party-Gästen in authentischen Outfits und viel guter Laune. „Der Baustil des Rathauses wurde seinerzeit in Fachzeitschriften gelobt“, erzählte Bürgermeister Michael Beck, der standesgemäß im Frack und mit Fliege erschienen war, zunächst etwas über das Gebäude, in dem auch heute noch „das Herz der Stadt schlägt“.
Es waren unruhige Zeiten – damals 1923 in Heiligenhaus
„Es waren unruhige Zeiten“, erinnerte er die Casinogäste an die 20er-Jahre, „die Besetzung des Rheinlandes nach dem Ersten Weltkrieg einerseits, auf der anderen Seite die „Goldenen 20er“ mit viel Glamour und einer Blütezeit von Kunst und Kultur.“ Ein großes Dankeschön sendete Beck an das Team des Kulturbüros, das „Großartiges geleistet hat“. In der Tat: Von den Tischen im Ratssaal, die mit schicken Kerzenständern und edler Tischwäsche gedeckt waren, über mit der Ansicht des Rathauses bedrucktes Spielgeld bis zur Möglichkeit bis hin zu einem Erinnerungsfoto in passender Kleidung war an alles gedacht.
Federn, Fächer, Hosenträger, Zylinder: Die Besucher kleiden sich passend
Die zur Verfügung stehenden Accessoires für das Foto brauchte indes kaum jemand: Die rund 70 Gäste, von denen viele aus der Heiligenhauser Politik und deren Umfeld kamen, hatten viel Energie und Phantasie investiert, um sich ganz im Stil der 20er-Jahre zu kleiden. Viele Federn, Fächer, schicke schwarze Kleider und Stolas bei den Damen, Schiebermützen, Hosenträger, Westen oder Zylinder bei den Herren – und auch Al Capone hatte sich im Nadelstreifenanzug und mit Zigarre unter die Gäste gemischt. Sogar Manschettenknöpfe im Spielkartendesign konnte ein Gast vorweisen – pfiffig mit dem gesamten Outfit ausgeliehen aus einem Düsseldorfer Kostümfundus. Eine Burlesque-Tänzerin überraschte zudem mit einem Auftritt, den es so im Rathaus auch noch nie gegeben haben dürfte.
Lob einer Besucherin: „Heiligenhaus macht so viel!“
„Wie in einem Gatsby-Film“ fühlten sich die Besucher, Gabi Hühne lobte das Engagement der Stadt: „Heiligenhaus macht so viel! Es macht richtig Spaß hier zu sein, ein Foto nehmen wir auf jeden Fall als Erinnerung mit.“ Auch an die Spieltische, an denen selbstverständlich kein echter Gewinn gemacht werden konnte, wagten sich etliche Besucher.
Roulette und Black Jack, Crabs und Poker konnten gespielt werden, die Croupiers erklärten auch gerne die Regeln. Große Teile des Casinos waren aus Berlin extra für den Abend angeliefert worden. Ursprünglich geplant war die Veranstaltung als Open-Air-Event, dem das Wetter allerdings einen Strich durch die Rechnung machte.
Archivar Axel Bayer stellt Ausstellung im Rathaus zusammen
Wer ein wenig in die Historie des Rathauses hineinschnuppern möchte, kann das auch in den nächsten Wochen auf dem Flur im 1. Stock mithilfe der kleinen Ausstellung, die Archivar Axel Bayer zusammengestellt hat. „Es gibt hier Pläne von der Umbauphase des Rathauses zu sehen, die von 1921 bis 1923 gedauert hat“, zeigte Bayer, „aber auch Material zum 1965 angedachten Neubau. Diese Idee wurde 1972 wieder fallengelassen.“ Erinnert wird in den Schaukästen aber auch an das umstrittene Kunstwerk „Eckstück“ das in den 90ern im Rathaus für Aufsehen sorgte.
Feierlichkeiten zum Rathaus-Jubiläum sind noch nicht zu Ende
Die Feierlichkeiten zum Rathaus-Jubiläum sind aber auch jetzt noch nicht zu Ende: Am Samstag, 14. Oktober, wird ein Streichquartett aus Frankreich im Ratssaal ein Klassik-Konzert zum Abschluss der 100 Feier-Tage geben. Und Kulturamtschefin Kathrin Neuhaus möchte auch sonst nicht ausschließen, dass bis dahin noch die ein oder andere Überraschung auf die Heiligenhauser Bürger wartet – „Von den 100 Tagen sind schließlich noch einige übrig.“