Heiligenhaus. Vor genau 71 Jahren endete in Heiligenhaus ein Stück Verkehrsgeschichte. Warum die Straßenbahnen schließlich Bussen weichen mussten.

Im Januar vor genau 71 Jahren endete in Heiligenhaus ein Kapitel Verkehrsgeschichte: Die letzte Straßenbahn fuhr nach Velbert. Begonnen hatte die Epoche im Oktober 1895. Da vereinbarten die Bergischen Kleinbahnen mit der Firma Schuckert & Co., der späteren Continentalen Gesellschaft für Elektrische Unternehmungen, den Bau einer Straßenbahn von Velbert über Heiligenhaus nach Hösel. Die Stadt Velbert gab einen Zuschuss von 100 000 Mark, vier Jahre später begrüßten die Heiligenhauser den ersten festlich geschmückten Triebwagen.

Die Planung der 13,2 Kilometer langen Strecke von Hösel nach Velbert war wegen des Höhenunterschieds von fast 160 Meter nicht ganz einfach. Dazu kam ein weiteres Problem: Es gab noch kein flächendeckendes Stromnetz und die Kraftzentrale am Betriebsmittelpunkt der Bergischen Kleinbahn in Neviges lieferte zu wenig Energie, um einen zuverlässigen Betriebsablauf bis zum Endpunkt am Bahnhof Hösel zu gewährleisten.

Die Straßenbahn ist hier von Velbert nach Heiligenhaus am Dalbecksbaum unterwegs: Diese ländliche Idylle ist der Autobahnauffahrt Hetterscheidt der A 44 gewichen.
Die Straßenbahn ist hier von Velbert nach Heiligenhaus am Dalbecksbaum unterwegs: Diese ländliche Idylle ist der Autobahnauffahrt Hetterscheidt der A 44 gewichen. © Bergischen Museumsbahnen | Klaus-Bernd Lange

Strecke wurde in der Heiligenhauser Ortsmitte geteilt

Die Strecke wurde in der Heiligenhauser Ortsmitte kurzerhand geteilt. Fahrgäste in Richtung Hösel mussten in eine Dampfkleinbahn umsteigen, und zwar an der Haltestelle „Heiligenhaus Denkmal“. Ein eigenes Rathaus hatte die erst seit zwölf Jahren eigenständige Gemeinde noch nicht, die Verwaltung befand sich in der Evangelischen Volksschule, vor der die Statue der „Germania“ stand und den Mittelpunkt es Ortes bildete – eben dem „Denkmal“.

Durch das französische Militär beschlagnahmt

Die Strecke begann in Velbert ebenfalls am „Denkmal“, dort wurde an Kaiser Friedrich III. erinnert. Der Dampfbetrieb mit dem vor allem für die Industrie so wichtigem Anschluss an die preußische Staatsbahn in Hösel sah man als „Übergangslösung“ an. Dabei blieb es: Mit der Ruhrbesetzung 1923 wurde die Bahnanlage durch das französische Militär beschlagnahmt, der Verkehr auf der Dampfbahn kam zum Erliegen und wurde nicht wieder aufgenommen. Das elektrische Teilstück blieb in Betrieb, ab 1925 fuhr alle halbe Stunde eine Bahn.

Am 27. Januar 1952 wurde die Straßenbahnen in Heiligenhaus durch die neuen Unterflur-Trambusse von Büssing mit Ludewig-Aufbauten ersetzt. Das war damals der neueste Stand der Technik bei Linienbussen.
Am 27. Januar 1952 wurde die Straßenbahnen in Heiligenhaus durch die neuen Unterflur-Trambusse von Büssing mit Ludewig-Aufbauten ersetzt. Das war damals der neueste Stand der Technik bei Linienbussen. © Bergischen Museumsbahnen | Klaus-Bernd Lange

Eigene Lokomotive für den Güterverkehr

Zugleich wickelte die Straßenbahn Güterverkehr ab, der 1928 einen Höchstwert von 27 000 Tonnen im Jahr aufwies, wofür eigens eine elektrische Güterzuglokomotive beschafft wurde. Inzwischen war auch die Reichsbahnstrecke von Kettwig nach Vohwinkel im Betrieb. 1938 gab man bei der Straßenbahn den Güterverkehr bei nur zwei verbliebenen Anschließern auf. Die Strecke blieb im Zweiten Weltkrieg von Schäden verschont, bereits drei Wochen nach dem Einmarsch der Amerikaner im April 1945 fuhren die Straßenbahnen wieder planmäßig.

Regelmäßige Investitionen blieben aus

Regelmäßige Investitionen in das Netz unterblieben, so dass sich der Zustand verschlechterte. Wegen starken Spannungsabfalls wurden im Frühjahr 1949 für einen Monat lang Busse eingesetzt. Die Wuppertaler Stadtwerke (WSW), in denen die Bergischen Kleinbahn inzwischen aufgegangen waren, beschlossen noch im selben Jahr, alle niederbergischen Linien auf Busse umzustellen. Am 27. Januar 1952, genau 29 Jahre, nach dem der „Püffer“ nach Hösel seinen Betrieb eingestellt hatte, nahmen die Heiligenhauser bewegt Abschied von ihrer Straßenbahn.

Bis 1969 betrieben die Wuppertaler Stadtwerke die Linie 29 vom Dorfkrug im Wassermangel bis zum Velberter Rathaus mit den den so genannten Anderthalbdeckern.
Bis 1969 betrieben die Wuppertaler Stadtwerke die Linie 29 vom Dorfkrug im Wassermangel bis zum Velberter Rathaus mit den den so genannten Anderthalbdeckern. © Stadtwerke Wuppertal | Stadtwerke Wuppertal

Anderthalbdecker kamen zum Einsatz

Die bisherige Linie 29 wurde mit flammneuen Büssing Unterflurbussen bedient. Ab 1960 wurde der Betrieb von Omnibusanhängern verboten. Um die Fahrgastkapazität groß zu halten, kamen auf der Strecke Anderthalbdecker zum Einsatz. Nach dem Bau des Ortsteils Wassermangel wendete die Linie 29 am dortigen „Dorfkrug“. Zum Fahrplanwechsel im Mai 1969 übergab die WSW die Linienkonzession an Rheinbahn und Bundespost.

Die Pinner Straße erinnert an die Straßenbahn

Heute erinnert augenscheinlich nichts mehr an das Kapitel Straßenbahn in Heiligenhaus, allerdings mit einer Ausnahme: Die Pinner Straße. Kein Autofahrer, der dort von Velbert nach Heiligenhaus rollt, macht sich bewusst, dass diese Trasse ursprünglich als eigener Bahnkörper für die Straßenbahn geschaffen wurde. Die Velberter Straße wäre zu steil für eine Straßenbahn gewesen, weshalb ein flacherer Bogen um den Berg herum geführt wurde. Mit der Schaffung der Pinner Straße konnte der zunehmende Individualverkehr nach Velbert auf dem besonders steilen Anstieg in der Zeit des Wirtschaftswunders besser bewältigt werden.

>>>Triebwagen 105

Das Fahrgefühl einer Straßenbahnfahrt von Heiligenhaus nach Velbert kann immer noch erlebt werden.

Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder der Bergischen Museumsbahnen unterhalten in Wuppertal-Kohlfuth mit dem Triebwagen 105 ein Fahrzeug betriebsfähig, dass im Niederbergschen Straßenbahnnetz und damit in Heiligenhaus im Einsatz war. www.bmb-wuppertal.de