Heiligenhaus. . WAZ-Leserbeirat Jürgen Karl erinnert sich an die Winterzeit in den 1950er Jahren. Schneeverwehungen machten die Verbindung nach Velbert unmöglich.

Vielleicht waren die Winter in den 50er Jahren kälter und schneereicher als heute, vor allem aber waren sie zuverlässiger. Zu dieser Zeit waren wir Schüler am Städtischen Gymnasium in Velbert und die Straßenbahn brachte uns dorthin.

Die rumpelte vom Rathaus (dort war Endstation) auf der nördlichen Seite der Hauptstraße, also entgegen der heutigen Einbahnrichtung, gen Velbert. Die Bahn bestand aus einem Triebwagen und einem Anhänger. Da sie die Steigung der Velberter-Straße nicht bewältigen konnte, schwenkte sie in Höhe des heutigen Raiffeisen-Marktes nach links ins Feld und fuhr etwa auf der Trasse der heutigen Pinner Straße um Hetterscheidt herum.

Asche zur Abstumpfung

Etwa auf halbem Weg war eine Haltestelle mit Weiche. Diese wurde vom Schaffner mit einer Eisenstange umgestellt, dann fuhr die Bahn auf ein Ausweichgleis und wartete auf die Bahn aus Velbert, denn nur an dieser Stelle konnten sie auf der eingleisigen Strecke aneinander vorbeifahren.

Im Winter wurden zwar die Straßen von Schnee geräumt, aber sie bestanden aus Kopfsteinpflaster und man konnte nur den dicken Schnee zur Seite schieben. Über den Steinköpfen und vor allem in den tiefen Zwischenräumen blieb eine gefährlich glitschige Schicht zurück. Selbst wenn anschließend ein wenig schwarze Asche gestreut wurde, nutzte das wenig und der Straßenbahn gar nichts. Für die Gehwege gab es eine Streupflicht.

Dazu benutzte man gerne die feine gelbe Asche, die in mit Briketts befeuerten Öfen übrig blieb. Die sah zwar wenig attraktiv aus und man schleppte sie an den Schuhen mit in die Häuser, aber sie war zur Abstumpfung von Schnee- und Eisglätte unübertroffen. Salz kannte man nur als Gewürz in der Küche.

Unter solchen Bedingungen kam die Bahn dann immer schlechter voran. Zunächst führte sie keinen Anhänger mehr mit und hielt mit dem Zugwagen eine Art Minimalverbindung aufrecht, wenn es aber noch mehr schneite und zudem am Dalbecksbaum, wo die Bahn wieder aus dem Feld kam, die üblichen Schneeverwehungen den Weg versperrten, wurde der Betrieb einfach eingestellt. Dann sah man morgens und abends Karawanen von Berufstätigen zu Fuß zwischen Heiligenhaus und Velbert pendeln, denn eine andere Verbindung gab es nicht.

Uns Schülern wurde das nicht zugemutet, wir hatten dann einfach schneefrei. Für diesen Fall hatten mein Schulfreund Horst und ich einen Plan B. Wir gingen morgens zur Hauptstraße, um zu prüfen, ob die Bahn fuhr.

Plan B brachte einen Heidenspaß

Wenn die Straßenbahn nicht fuhr, trat Plan B in Kraft. Wir gingen wieder nach Hause, stellten die Schultasche in die Ecke und trafen uns mit unseren Schlitten am Herberger Weg. Der war im Winter ein Paradies für Rodler, konnte man doch vom Nordring bis zum Herberger Hof hinunter fahren.

Nachmittags war es dort immer proppenvoll. Wenn wir aber vormittags frei hatten, war da fast niemand, denn die anderen Kinder, die ihre Schulen in Heiligenhaus zu Fuß erreichen konnten, hatten natürlich Unterricht. Da konnten wir ungehindert, auf dem Schlitten liegend, den Weg hinunter rasen. Etwa an der Einmündung „Im Paradies“ hatte man diagonal zum Herberger Weg einen Erdwall aufgepflastert, um das bei starkem Regen den Weg herabschießende Wasser abzufangen und abzuleiten. Wenn man diesen Wall mit entsprechender Geschwindigkeit und im richtigen Winkel ansteuerte, hob der Schlitten ab, flog zwei bis drei Meter durch die Luft und landete wieder auf den Kufen. Stimmten Geschwindigkeit oder Winkel oder eins von beiden nicht, kippte der Schlitten um, warf den Rodler ab, und fuhr alleine weiter. Sicher war es eine Plackerei, den Schlitten hinter sich herziehend, wieder hinauf bis zum Nordring zu stapfen, aber jede Abfahrt entschädigte uns dafür mehrfach.

Ich erinnere mich auch an einen Winter aus dieser Zeit, in dem der Abtskücher Stauteich komplett zugefroren war. Das Eis war so dick, dass es von der Stadtverwaltung zum Betreten freigegeben wurde. Da tummelten sich Schlittschuhläufer oder solche die es werden wollten. Die letzteren waren interessant, weil sie mehr lagen als standen. Wir Jungs spielten dann – ohne Schlittschuhe – Eishockey. Bewaffnet mit irgendwelchen Knüppeln jagten wir einer alten Büchse, oder was sich sonst gerade fand, hinterher und hatten einen Heidenspaß dabei.