Heiligenhaus. Peter Wensierski stammt aus Heiligenhaus und hat sich mit dem Mikrokosmos Gerhart-Hauptmann-Straße beschäftigt. Das Interesse daran ist enorm.

Das Interesse an dem Mikrokosmos Gerhart-Hauptmann-Straße ist riesengroß, gleich zweimal musste Peter Wensierski im Museum Abtsküche seinen Vortrag über jene Straße halten, wo der bekannte Autor und Journalist 1954 zur Welt kam.

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Innerhalb weniger Jahre errichteten junge Männern für ihre Familien die Häuser mit einfachsten Mitteln selbst. „Wir haben uns eine Karre besorgt, Schaufeln und Pickhacken, dann ging es los“, beschreibt einer der Pioniere den Baubeginn von 1951. „Wir hatten keine Maschinen, alles wurde von Hand gemacht, das war ein schwere Arbeit.“ Selbst die Steine wurden aus Split, Rheinsand und Zement selbst geformt. Wenn es sehr warm war, konnte zwei Tage später damit gebaut werden. „An einem Tag haben wir mit drei Mann 1000 Steine gemacht“, erinnert sich einer der beteiligten Häuslebauer von einst.

Entstehung der Heiligenhauser Siedlung in einem Film festgehalten

Der Vortag über den
Der Vortag über den "Mikrokosmos Gerhart-Hauptmann-Straße" zog am Samstagabend und auch am Sonntagmorgen viele Besucher das Museum Abtsküche in Heiligenhaus. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Peter Wensierski hat bereits in den 80er Jahren die Gründerväter vor der Kamera befragt, wie das damals war: „Mich hat es fasziniert, wie auf der grünen Wiese von Bauer Hugenbusch neues Leben entstand.“ Daraus ist ein 45-minütiger Film entstanden, von dem bei seinem Vortrag nur eine 14-minütige Kurzfassung zu sehen war. Die reichten, um die meisten Zuschauer in die Zeit ihrer Kindheit und Jugend zu versetzen.

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Es kamen viele aus der Siedlung, mit Ernst Spitzlei war einer dabei, der damals anpackte. Trotz der harten Arbeit blickten die Männer zuversichtlich und fröhlich einem unbekannten Fotografen in die Kamera: „Da sind alles Väter meiner Jugendfreunde, das Foto habe ich als Poster vergrößert in meinem Berliner Büro hängen“, so Peter Wensierski, der einen weiteren Abzug dem Museum schenkte. Die Bauherrn, die dort siedelten, haben an allen Häusern mitgearbeitet. Wer die meisten Stunden aufwies, durfte sich zuerst ein Haus aussuchen.

Flüchtlinge wurden nach dem Krieg nicht freundlich aufgenommen

Die Gerhart-Hauptmann-Straße grenzt an die Gohrstraße.
Die Gerhart-Hauptmann-Straße grenzt an die Gohrstraße. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Es waren Flüchtlinge, die sich damit ein neues Zuhause aufbauten. „Wir kamen mit Viehwaggons in den Westen, dann ging es auf Lkws weiter, unserer blieb in Heiligenhaus vor dem Rathaus stehen und wir kamen erst einmal in dem Saal des Gemeindehauses unter, Männlein Weiblein gemischt“, so die Erinnerung eines Mädchen, das 1945 mit acht Jahren hier eine neue Heimat fand. „Danach zogen wir in Baracken an der Talburgstraße. Als wir zu Schule gingen, wurden wir von den anderen Kindern mit Steinen beworfen. `Die Flüchtlinge nehmen uns die Arbeit weg´“, hieß es damals. „So wie heute“, bemerkte jemand unter den Besuchern.

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Der Bauernhof Hugenbusch, der von der Familie Nölle bewirtschaftet wurde, spielte eine bedeutende Rolle bei der Versorgung der Bewohner mit Gemüse und Obst. „Damals wurde noch viel selbst eingeweckt“, weist Wensierski auf die Arbeit der Hausfrau hin. In der Gohrstraße, wo bereits 1939 ein Dutzend Häuser gebaut wurden, - die „Zwölf Apostel“ - hielten sich lange Zeit vier Geschäfte. „Frau Udert war gerade 18 als sie mit dem Laden anfing. Es wurde zunächst über eine Glastheke bedient und viel angeschrieben“, erinnert sich der Chronist, dem später die Einzelhändlerin die Schattenseiten dieser Kreditvergabe verriet: Freitags erhielten die Männer ihre Lohntüten, gingen gerne noch einen Trinken und kamen spät nach Hause. Da klingelten die auf Korrektheit bedachten Frauen noch bis 22.30 Uhr an, um ihre Schulden zu begleichen.

Rund um Lebensmittelgeschäft und Kiosk war viel los

Armin Merta ist der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Gerhart-Hauptmann-Straße.
Armin Merta ist der Vorsitzende der Siedlergemeinschaft Gerhart-Hauptmann-Straße. © FUNKE Foto Services | Ulrich Bangert

Friedhelm Rubel betrieb ein recht großes Lebensmittelgeschäft, hatte zeitweise bis zu sechs Arbeitskräfte, es kamen sogar Kunden aus dem Wassermangel und dem Nonnenbruch. Es gab jede Menge Extras: Rubel hatte die offizielle Erlaubnis zum Kleinhandel mit Branntwein, es wurde Frischfleisch verkauft, zu Weihnachten gab es Karpfen. Bekannt war der „rollende Rubel“: Der Verkaufswagen war in ganz Heiligenhaus unterwegs.

Zwischen beiden Geschäften existierte ein Kiosk mit Tabak und Süßigkeiten. „Das war ein sozialer Treffpunkt, die Kinder und Jugendlichen saßen auf dem Geländer davor.“ Dazu betrieb die alteingesessene Familie Behmenburg an der Gohrstraße einen Bierverlag. Neben den Erzeugnissen bekannter Brauereien lagen Mineralwasser, Wein und Spirituosen auf Lager. Maria Behmenburg hatte in den Fabrikanten gute Kunden: „Für die haben wir vor Weihnachten Präsente gepackt, allein für Kiekert waren das 5000 bis 6000 Mark.“

>>> Veröffentlichung vom Geschichtsverein angedacht

  • Geschichtsvereinsvorsitzender Reinhard Schulze Neuhoff beneidet Peter Wensierski darum, dass er sich bereits vor Jahrzehnten für die Vergangenheit interessierte und kündigt eine Veröffentlichung an: „Wir sollten versuchen, daraus mal ein Heft zu machen.“
  • Durch den Geschichtsverein sind bereits viele Publikationen erschienen, unter anderem die Serie Cis Hilinci oder im letzten Jahr ist der Rundgang durch Heiligenhaus. Infos zum Geschichtsverein gibt es unter www.geschichtsverein-heiligenhaus.de.