Heiligenhaus.. Der bekannte Autor Peter Wensierski kam für eine Lesung in seine Heimatstadt Heiligenhaus. Er wusste viel über die Endphase der DDR zu erzählen.
Als einen der „besten Kenner der DDR in den Monaten vor der Wiedervereinigung“ begrüßte Ruth Ortlinghaus, Sprecherin des Stadtmarketing-Arbeitskreis Kultur, Peter Wensierski im großen Hörsaal des Campus Velbert/Heiligenhaus zur Lesung aus seinem Buch „Die unerträgliche Leichtigkeit der Revolution“. „Irre, wie viele Leute gekommen sind, damit habe ich nicht gerechnet“, staunte der Journalist, Dokumentarfilmer und Buchautor, der gerne in seine Heimatstadt Heiligenhaus kam und sich über die Verwandlung des Ortes freute, wo früher die Firma Kiekert war.
Wensierski hatte in der Jugend bei Kiekert gejobbt
Zunächst aber erinnerte sich Wensierski an seine Kindheit: „Ich bin in der Gerhart-Hauptmann-Straße geboren worden, bei Kiekert habe ich als 14-Jähriger gejobbt, mein Bruder machte bei Kiekert eine Lehre als Werkzeugmacher.“ Gerne denkt er an den Metallgeruch zurück, der heute noch aus der einen oder anderen Fabrik weht. „Das alte Haus der Kirche war für mich auch ein Anlaufpunkt, mit Jochen Brozio habe ich dort eine Kellerdiskothek betrieben. Selbstverständlich habe ich mir die Sprengung des Hitzbleck-Schornsteins angeschaut, da habe ich mal den Formsand für die Gießerei zur Verfügung gestellt.“
Daneben ließ er Revue passieren, dass auf dem Dachboden eines Hitzbleck-Gebäudes eine Band probte. „Das war gut so unter dem Dach, dass man sie so nicht hören konnte – eine Schülerband eben.“ Danach kam Wensierski zu dem Ende der DDR, das er als westlicher Korrespondent für verschiedene Medien kennenlernte. „Dieses Ende hatte eine Vorgeschichte.“ Anhand von Videos und Fotos versetzte der Autor seine Zuhörer in das Leipzig Ende der der achtziger Jahre, wo Häuser ganzer Straßenzüge einsturzgefährdet waren.
Junge Leute organisierten den „Pleiße-Marsch“
Die Umweltverschmutzung war enorm: „Der ,Industrienebel’ war im Winter manchmal so stark, dass die Verkehrspolizei Laternen aufstellte, damit die Arbeiter den Weg in die Fabrik fanden.“ Es seien junge Leute von 17 bis 25 Jahren gewesen, die im Umfeld von evangelischen Kirchengemeinden 1988 mit einem „Pleiße-Marsch“ auf den total verschmutzten Fluss in der Stadt aufmerksam machten. „Polizei und Stasi griffen nicht ein – die waren irritiert“, wusste der westliche Beobachter, der eindrucksvoll schilderte, wie sich die „Revoluzzer“ absprachen, in Zeiten, in denen es weder Handy noch Computer gab – ein Telefon war echter Luxus.
Flugblätter wurden nächtelang vervielfältigt
Ein Abenteuer für sich sei die Beschaffung von Papier für Flugblätter gewesen, die nächtelang unter primitivsten Umständen vervielfältigt worden seien. Den Erfolg der friedlichen Revolution sieht Peter Wensierski in der Tatsache, dass es junge Leute waren, frei von einer Ideologie. „Sie trugen ihre Aktionen in die Öffentlichkeit und schalteten die westlichen Medien ein. Ab 20 Uhr sahen alle Westfernsehen.“
Was wenig bekannt geworden sei, sei die Tatsache, dass die SED-Propaganda eine rechte Szene hervorgebracht habe, die offiziell verschwiegen worden sei und höchstens als „Rowdys“ Erwähnung gefunden habe. Den Erfolg der AfD in den neuen Bundesländern begründet der DDR-Kenner damit, dass viele Wähler von der Großen Koalition enttäuscht waren und damit ihren Protest hätten äußern wollen.
>>AUTOR STUDIERTE UNTER ANDEREM POLITIK
Peter Wensierski wurde 1954 in Heiligenhaus geboren. Er studierte Publizistik, Politik und Geschichte und war ab 1979 für den evangelischen Pressedienst als jüngster westlicher Reisekorrespondent in der DDR tätig.
Ab 1986 war Wensierski Redakteur bei dem ARD-Magazin Kontraste. 1993 wechselte er zur Deutschlandredaktion des Spiegel, wo er noch heute arbeitet.