Ruth Ortlinghaus hat einen Lieblingsplatz: Ihr Wohnzimmer mit den rund 3500 Büchern. Der WAZ hat sie ihn genauer vorgestellt.
Ruth Ortlinghaus zeigt uns ihren Lieblingsplatz: Ihr Wohnzimmer mit 3.500 Büchern. Durch eine verlorene Wette mit einem Freund hatte Ruth Ortlinghaus begonnen, ihre Bücher zählen – und bei 3.000 Werken damit aufgehört. Während der Pandemie entdecke sie die Kultur des 19. Jahrhunderts noch einmal ganz neu in ihrer Vielfältigkeit und ihrem Reichtum: „Weil ich da in einer Welt leben kann, die mich fasziniert und die ich erforschen kann.“
Bücher schon als Kind geliebt
Ruth Ortlinghaus, Sprecherin des Arbeitskreises Kultur und Gesellschaft, hatte lange die Leitung der Bücherei inne. Bücher, so schwärmt sie, hätten sie schon von Kind an begeistert. In ihrem Elternhaus habe es schon immer viele Bücher gegeben und ihr älterer Bruder habe schon früh eine kleine Bibliothek geleitet. Auch sie selbst war in der Leitung der Stadtbücherei tätig, sie leitet den Arbeitskreis Kultur und Gesellschaft des Stadtmarketings, der seit Jahren den Bücherflohmarkt organisiert. Jetzt zu Pandemie-Zeiten erlebt die Heiligenhauserin ihre Literatur noch einmal mit ganz anderen Augen. „Die Nachkriegsliteratur beweist, dass aus schweren Zeiten große Werke und gute Taten entstehen können. Und es gibt mir Trost, dass eine Wandlung in der Pandemie möglich ist.“
In andere Welten abtauchen
In der Coronazeit fehlen auch ihr die sozialen Kontakte sehr, die Bücher helfen Ruth Ortlinghaus dabei, abzutauchen, die schlimmen Dinge die auf der Welt passieren, vergessen zu können. Gerade die Lyrik begeistert sie besonders, da sie mit so wenigen Worten so viel ausdrücken könne. „Dann lebe ich in dieser Welt und und gerne schreibe ich auch darüber“, erklärt sie in Hinblick auf ihre literarischen Aktivitäten unter anderem bei der Heiligenhauser Seniorenzeitung „Wir Älteren“.
Mindestens fünf Bücher am Bett
Ihre Interessen an Genres sind weit gestreut: von Sachbüchern über Kunst, mit der sie auch ihre Wände schmückt, über Musik, Psychologie, Philosophie bis zu Biographien. Und obwohl ihr Fokus auf Werken der 1980er Jahre liegt, schwebe sie nicht nur in der Vergangenheit, „sondern ich lese auch Zeitgenössisches“. Derzeit auf ihrem Nachtschränkchen am Bett: Wie immer mindestens fünf Bücher, unter anderem „Sehnsucht nach Leben“ von einer evangelischen Theologin und „Das Parfüm“ von Patrick Süskind - ebenfalls ein literarisches Werk, das sie für „Wir Älteren“ rezensieren wird.
Hesse und Mann gehören zu Favoriten
Es vergeht kein Tag, an dem sie die aktive Seniorin kein Buch in der Hand hält wohl auch einer der Gründe, weshalb in ihren vier Wänden keine Langeweile aufkommt. Gibt es denn so etwas wie ein absolutes Lieblingswerk? „Es gibt phasenabhängige Favoriten, aber kein Lieblingsbuch.“ Manche Autoren aber begleiten sie bereits ihr Leben lang begleiten: etwa Hermann Hesse oder Thomas Mann.
Vielsprachige Literatur
Nicht nur deutschsprachige Literatur, auch englische und französische Werke (unter anderem von Camus, Sartre, Proust)füllen die Bücherregale. Ein besonderer Augenmerk liegt auf auch auf der Zeit des dritten Reichs, eine Zeit, an die sich die 87-Jährige teilweise noch erinnern kann. Am vergangenen Welttag des Buches hat sie viel an das kulturelle Opfer des 10. Mai 1933 gedacht, an dem nicht regimekonforme Literatur in einer großen Bücherverbrennung vernichtet wurde.