Heiligenhaus. . Ruth Ortlinghaus begeht am Montag ihren 80. Geburtstag. Ein Gespräch über das, was die agile Arbeitskreis-Sprecherin des Stadtmarketings antreibt und welche Ideen sie noch verwirklichen möchte.
„60 Jahre und kein bisschen weise“ titelte die WAZ-Redaktion 1993 zum runden Geburtstag von Ruth Ortlinghaus. Was bewegt die engagierte Sprecherin des Stadtmarketing-AK Kultur und Gesellschaft heute? WAZ-Redakteurin Petra Treiber sprach mit ihr.
Mit 60 Jahren haben Sie sich als stellvertretende Leiterin der Stadtbücherei verabschiedet. Aber in den Ruhestand sind Sie nicht gegangen. Warum nicht?
Ortlinghaus: Wenn ich Rückschau halte, sage ich immer: Es hat Spaß gemacht, wir waren ein gutes Team. Die Bücherei war damals finanziell gut ausgestattet, so dass wir viel machen konnten – den Bestand vergrößern, bekannte Schriftsteller einladen. Danach habe ich lange Reisen unternommen. Die Schweiz ist mir zur zweiten Heimat geworden. Wieder daheim habe ich mir aber gedacht: Es muss noch irgendwas passieren. Da kam Hans Rasche mit der Idee vom Stadtmarketing.
Die Buchhändlerin liebt Literatur und Eulen
Viele Heiligenhauser sind mit ihren Buchempfehlungen aufgewachsen: 27 Jahre war Ruth Ortlinghaus in der Stadtbücherei tätig und hatte immer einen Lesetipp parat.
Gebürtig aus Remscheid führte ihr Weg über eine Buchhändlerlehre in Köln nach Hamburg und 1967 schließlich nach Heiligenhaus. Pläne wegzuziehen hat sie aufgegeben, weil sie sich hier wohlfühlt.
Sie liebt die Literatur und das Theater. Und Eulen. Mehrere hundert Exemplare hat Ruth Ortlinghaus gesammelt. „Mehr geht nicht“, bedauert sie, „ich habe keinen Platz.“
Sie haben dann den Arbeitskreis Kultur und Gesellschaft gegründet. Mit welchem Ziel?
Das war 1995. Rolf Watty und Walter Kaiser waren mit dabei. Wir wollten dem Kulturamt keine Konkurrenz machen, sondern Nischen aufdecken. Und wir haben gemerkt, man kann in Heiligenhaus viel bewegen mit ehrenamtlichem Engagement, auch auf sozialem Gebiet.
Nennen Sie Beispiele.
Die Filmschauplätze, den Bürgerbus, den Bücherschrank auf dem Basildonplatz, die Pflanzaktion mit den Narzissen, Sport um Mitternacht, das Projekt „Miteinander-füreinander“ für Asylbewerber, die finanzielle Unterstützung der VHS-Deutschkurse für Migranten, die historischen Wanderungen, die Unterstützung der heimischen Künstler – wir kämpfen bei der Stadt weiter für einen Ausstellungsraum. Und ich habe nach wie vor Ideen im Kopf, die ich realisieren möchte.
Mit 80 ist also lange nicht Schluss?
Mein Herz ist immer noch 30, nur in den Knochen knackt es (lacht). Solange es gesundheitlich geht... Allerdings wird unsere Gruppe auch älter, uns fehlen jüngere Ehrenamtler. Und wenn sich jemand findet, der mein Amt als Sprecherin übernehmen kann, dann würde ich auch gerne loslassen.
Aber erstmal gibt’s noch was zu tun. Was wäre das?
Ein großer Wunsch von mir ist, ein Faltblatt als Stadtführer für unsere Gäste aus Frankreich und England zu publizieren. Dann soll es noch mehr historische Wanderungen geben. Und es gibt so persönliche Projekte. Ich sammele zum Beispiel gerade Spenden für einen neuen Grabstein auf dem Judenfriedhof für die Arons. Mein Buch über die Juden in Heiligenhaus ist noch nicht ganz fertig. Und ich schreibe viel über meine eigenen Erinnerungen an die Nazizeit. Das habe ich ganz lange verdrängt.
Sie schreiben – und Sie lesen gerne, wie man an den Wandregalen sieht. Haben Sie Ihre Bücher schon mal gezählt?
Es dürften so 6000 sein. Im Wohnzimmerregal stapelt sich tatsächlich alles. Oft verschenke ich auch meine Bücher, denn der Platz wird knapp (schaut sich um, d. Red.). Ich habe schon eine Tür zugestellt.
Würden Sie einen E-Book-Reader nutzen?
Nein. Ich brauche das haptische Urgefühl. Papier, Umblättern. Auch bei der Zeitung. Unvorstellbar, wenn es Die Zeit nicht mehr als Printmedium gäbe.
Was halten Sie von Facebook?
Ich nutze das Internet für Recherchen. Aber im Netzwerk würde ich mich nicht anmelden. Nicht nur, weil ich es für gefährlich halte, so viel von sich preis geben zu müssen, auch ist mir die Zeit zu schade. Ich rede mit den Leuten lieber persönlich. Im Allgemeinen missfällt mir, dass im Internet viele Kommentare mit Alias-Namen gezeichnet sind. Konstruktive Kritik ja, aber man muss mit seinem Namen dazu stehen. Diese Kultur der Ehrlichkeit wünsche ich mir.
Was wünschen Sie sich noch?
Nach Kalifornien zu reisen, zu den Orten, von denen John Steinbeck geschrieben hat. Und, dass ich noch lange lebendig und agil bleibe. Wir leben in einer spannenden Zeit, und ich bin immer noch neugierig.