Heiligenhaus. Derzeit wird dem Heiligenhauser Untergrund „auf den Grund gegangen“: Bohrkerne liefern Gestein zutage, das über 350 Millionen Jahre alt ist.
Fasziniert betrachtet Dr. Martin Salamon vom Geologischen Dienst NRW die runden Gesteinsbrocken, die wie schwarzer Marmor glänzen: „Das ist Schiefer“, erklärt der Geologe und freut sich über den Anblick. Dann zeigt er auf die weißen Einschlüsse. „Da kann man eine Seelilie entdecken und daneben eine Muschelschale.“ Derzeit wird in Heiligenhaus gebohrt, um die seit Jahren im Aufbau befindliche digitale geologische Karte permanent mit neuen und zusätzlichen Erkenntnissen zu ergänzen. Und dabei gibt es viel Spannendes zu entdecken.
Die Bohrkerne aus einer Tiefe von 55 bis 57 Meter liegen fein säuberlich sortiert in Kisten. „Das ist die sogenannte Seltersberg-Formation.“ Neben schwarzem Gestein liegt graues Material: „Hier ist ein Schichtenwechsel zu sehen, Dolomit und Calzid mit vielen Klüften und Hohlräumen. Das ist die Heiligenhauser-Formation“, beschreibt der Projektleiter der Bohrung diese Schicht, die rund 100 Meter mächtig ist und sich über 40 Kilometer ausbreitet.
„Hier war früher ein riesiges Riff, die Ausläufer reichen bis Aachen und Belgien“
Geo-Dienst ist immer dabei
Ob Grundwasserschutz, Erdwärmenutzung, allgemeine Planungsdaten zum Untergrund oder das Erkennen potenzieller Risiken, die vom Untergrund ausgehen können: In Nordrhein-Westfalen geht nichts ohne die Daten des Geologischen Dienstes , der geowissenschaftliche Grundlagendaten erhebt.
Bereits 2016 hatte es Bohrungen in Heiligenhaus gegeben. Damals wurden auf dem Freizeitpark in der Abtsküche Gesteinsproben entnommen.
„Hier war mal ein riesiges Riff, die Ausläufer reichen bis Aachen und Belgien“, weiß der Geologe. Das war im Karbon, das Zeitalter, das vor 358,9 Millionen Jahren begann und vor etwa 298,9 Millionen Jahren endete. Das, was das heutige Heiligenhaus ist, befand sich vor unendlich langer Zeit südlich des Äquators. „Das war der Kontinent Gondwana, der mit anderen zusammenstieß und den Superkontinent Pangaea bildete. So entstanden Falten und weiter nördlich die Steinkohle. Es hat sehr lange gedauert, bis sich der heutige Zustand gebildet hatte. Aber die Kontinente bewegen sich immer noch, so rutscht der Atlantik pro Jahr zwei Zentimeter nach Osten. Mit ganz feinen Methoden ist das messbar“, erklärt der Mitarbeiter des Geologischen Dienst NRW, der bis Ende nächster Woche an der Kettwiger Straße unweit der Einmündung Ruhr eine bis zu 200 Meter tiefe Kernbohrung durchführen lässt.
Bohrgeräte fördern Zeugnisse der Zeitgeschichte zutage
Die Mitarbeiter einer britischen Bohrfirma pressen routiniert das Bohrgestänge in den Untergrund und fördern Zeugnisse der Erdgeschichte zu Tage. „Das ist immer wieder spannend zu sehen, was das rauskommt“, begeistert sich Martin Salamon, der seit 30 Jahren in dem Geschäft ist und immer wieder neue Erkenntnisse aus den Proben zieht. Das so gewonnene Material wird sorgfältig in Kisten gesammelt, die anschließend im Probenraum des Geologischen Dienstes in Krefeld analysiert werden. „Danach werden sie in unserem Archiv eingelagert, eine riesige Halle, die bald erweitert wird“, so der Wissenschaftler. Während die Bohrkerne am Anfang einen Durchmesser von 85 Millimeter haben, werden sie immer kleiner, am Ende der Bohrung nur 65 Millimeter. Den Holzlagerplatz an der Talburg haben die Geologen als geeigneten Ort für die Bohrung erkoren, weil es für ihre Untersuchungen ein hoch interessanter und gut zu erreichender Standort ist.
Für die Bohrmaßnahmen mussten zahlreiche Auflagen erfüllt werden
Allerdings: Weil in unmittelbarer Nähe ein Trinkwasserbrunnen liegt, mussten zahlreichen Auflagen erfüllt werden: „Es gibt eine Schutzverrohrung, außerdem leiten wir nur klares Wasser aus der Leitung ein. Anschließend wird das Bohrloch wieder verschlossen.“ Die Krefelder Geowissenschaftler erwarten durch das Unternehmen weitere Erkenntnisse zum Aufbau des Gesteinsuntergrundes in der Region. Damit wird eine neue digitale geologische Karte für den Großraum Düsseldorf/Niederbergisches Land erarbeitet. Alle Ergebnisse fließen in einem Geo-Informationssystem zusammen, aus dem ein 3D-Untergrundmodell entwickelt wird. Gerade in Hinblick auf zukunftsweisende Planungen sind geologische Informationen unverzichtbar, zum Beispiel für die Nutzung von klimaschonender und umweltfreundlicher Erdwärme, die ohne Kenntnisse des Untergrundes und der Gesteinseigenschaften nicht möglich wäre. Ebenso für den Schutz des Grundwassers sind Geo-Daten erforderlich.