Heiligenhaus. Am 26. Mai wird das neue EU-Parlament gewählt. Heiligenhauser Politiker berichtet von ihren Erfahrungen im Europa-Wahlkampf vor Ort.
Die Europawahl wirft ihre Schatten voraus. Am 26. Mai wird das neue EU-Parlament gewählt und auch in Heiligenhaus ist der Wahlkampf inzwischen angelaufen. So haben die Parteien bei Infoständen in der Innenstadt schon mehrfach Gespräche mit den Bürgern über den anstehenden Urnengang geführt. Doch wofür stehen die Parteien und ihre Wahlprogramme? Und befindet sich Heiligenhaus schon im Wahlfieber ist das Interesse an Europa eher gering? Wir haben bei den Wahlkämpfern der Heiligenhauser Ratsfraktionen nachgefragt.
Ralf Herre, CDU-Fraktionsvorsitzender
Die CDU hat bislang an zwei Infoständen in der Stadt um Stimmen für die Europäische Volkspartei (die CDU ist in Europa Teil der EVP) geworben. „Für die Europawahl interessieren sich eher wenige Leute. Die, die sich interessieren, tun das aber sehr intensiv und nehmen viel Infomaterial mit“, berichtet der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralf Herre.
Großes Thema in den Gesprächen sei die Rolle Europas im weltweiten Spiel der Kräfte – vor allem mit den USA und China. „Viele haben die Sorge, dass sich Europa weiter schwächt“, sagt Herre mit Blick auf „Störfaktoren“ wie den Brexit. Hier müsse die EU geschlossen Stärke zeigen und dürfe sich nicht soviel mit sich selbst beschäftigen. Daher gelte es, diesen Prozess schnell abschließen, auch wenn Herre den Brexit an sich nicht befürwortet. „Gerade für Deutschland als Exportnation ist die EU mit ihrem zollfreien Binnenmarkt extrem wichtig.“
Mit Blick auf den Urnengang hat Herre keine konkrete Prozentzahl im Visier, hofft aber natürlich, dass die EVP stärkste Kraft wird. Wichtig sei ihm aber die Gesamtkonstellation im Parlament, um mit ausreichend Europa-Befürwortern regieren zu können. Warum man wählen gehen sollte? „Weil Europa die Zukunft von Deutschland mitbestimmt“, betont Ralf Herre.
Peter Kramer, SPD-Fraktionsvorsitzender
Bei Gesprächen mit Heiligenhausern sei das Interesse an der Europawahl gering, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Kramer. „Viele denken, dass es keinen Unterschied macht, wen sie wählen, weil sich ihre Lebensumstände eh nicht verbessern würden.“ Deutschland profitiere zwar als Exportland sehr vom zollfreien Europa, aber europäische Arbeitnehmer und Waren hätten eben auch freien Zugang zu unseren Märkten.
Durch diese Freizügigkeit und durch ungesteuerte Migration entstehe in Deutschland neue Konkurrenz um Jobs im Niedriglohnsektor und um günstige Wohnungen. „Wir müssen für die Verlierer dieser Situation Lösungen finden“, so Kramer – beispielsweise durch europaweite Mindestlöhne und weitere Arbeitsmarkt-Maßnahmen, wie sie die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) fordert. Zugleich müsse man in den Herkunftsländern die Ursachen von Flucht stärker bekämpfen.
Kramer blickt mit Sorgen auf das zunehmende Nationalstaatsdenken, gerade in einigen Ländern in Osteuropa, die notwendige Reformen in der EU blockieren würden: „Mit einem Herrn Orban ist die EU einfach nicht kompatibel.“
Was Kramer vom Urnengang erwartet? „Ich fürchte, die großen Parteien werden weiter verlieren.“
Volker Ebel, FDP-Fraktionsvorsitzender
An die Wahlkampfstände der FDP seien die Heiligenhauser zuletzt thematisch gut vorbereitet gekommen, sagt der Fraktions- und Parteivorsitzende Volker Ebel. „Viele haben aber bereits per Briefwahl gewählt“, insbesondere diejenigen, die die Vorteile der EU sähen. „Wir sind hier auch ein Teil von Europa und genießen Frieden und Wohlstand, Reisen ohne Grenzkontrollen und vieles mehr.“
Die Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) setze, so Ebel, auf Innovation und Digitalisierung, „die EU muss zum Innovationsvorreiter werden“. Zudem brauche man verbindliche Regeln, um Migration besser zu ordnen und zu steuern – mit einer europäischen Armee.
„Europa ist zu selbstverständlich geworden“, findet Volker Ebel. Bei der Wahl gelte es daher, „Europa zum Leuchten zu bringen, mit Reformen und Gestaltungswillen“.
Für viele Heiligenhauser sei Europa weit weg – aber nur vermeintlich. So hofft Ebel, dass künftig mehr Menschen im Kreis Mettmann erkennen, wie wichtig die EU auch vor der eigenen Haustür sei. Dabei sei sehr hilfreich, dass der Landtagsabgeordnete Moritz Körner aus Langenfeld als Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen Liberalen sicher ins Europaparlament einziehen werde.
Lothar Nuthmann, Ratsherr der Grünen
„Es kommen jetzt mehr Leute zu uns, und auch in Heiligenhaus haben wir viele Eintritte“, freut sich das Grünen-Ratsmitglied Lothar Nuthmann. Das Interesse der Heiligenhauser an der Europawahl sei groß und ebenso das an den Grünen.
„Wir sind eben authentisch, wir vertreten schon immer, was jetzt Zeitgeist ist“, ergänzt er und verweist auf das Wahlprogramm: dass Deutschland und Europa dank erneuerbarer Energien unabhängig werden sollten von Kohle, Öl und Gas. „Da geben uns besonders die jungen Menschen Rückenwind“,durch die Demonstrationen von Fridays for Future. Ein grünes Europa sei ein soziales Europa mit guten Mindestlöhnen, mit gerechter Besteuerung von Konzernen und ohne Steueroasen.
„Europa ist ein Friedensprojekt, sich dafür einzusetzen, lohnt sich immer“, benennt Nuthmann das für ihn größte Argument, warum man am 26. Mai Pro-Europäer wie die Grünen wählen solle. „Gerade wir Deutschen brauchen Europa, wir profitieren am meisten davon.“ Denn ein florierender Handel komme der Bundesrepublik zugute. Die Grünen seien zuversichtlich, dass sie ein gutes Ergebnis holen werden, doch das Wichtigste sei, „die ewiggestrigen Nationalisten und die Rechten so klein wie möglich zu halten.“