Heiligenhaus. . Das Stadtbild der letzten Jahre prägte auch der Planer und zuletzt Technische Dezernent Siegfried Peterburs. Nun wird er in den Ruhestand gehen.

Über Geschmack lässt sich nicht disputieren, das fand nicht nur Immanuel Kant in seiner Kritik der Urteilskraft, dieser Spruch hängt auch auf einem Metallschild am Eingang zu den Kant-Höfen. Wie viele weitere Neubaugebiete entstanden diese unter der Federführung von Siegfried Peterburs, der als Technischer Dezernent und früherer Stadtplaner nun seine Pension antreten wird – nach fast 30 Jahren. Über seinen Geschmack wurde sicher viel diskutiert – wie viele Spuren er jedoch in der Stadt hinterlassen wird, ist dabei wenigen bewusst.

Als Siegfried Peterburs die Terminkalender herausholt, die sich seit 1990 angesammelt haben, wirkt er zufrieden. „Was dort alles für Termine drin sind, glauben Sie gar nicht. Und schauen Sie mal den Stapel dort, das sind alle Visitenkarten, die sich über die Jahre angesammelt haben.“ Ein Sammler, ja, das ist Peterburs schon – ob es privat lustige Nummernschilder oder Bilder, die der Hobbyfotograf selber macht, sind, vor allem ist er jedoch ein Feingeist. Ein Querdenker, der mit seiner Art auch gerne anecken konnte, ob innerhalb der Verwaltung, in der Politik oder bei dem einen oder anderen Bürger. „Ich habe immer gesagt, was ich denke, und da habe ich auch immer voll und ganz zu gestanden“,so der Diplom-Ingenieur und Architekt.

Fast 30 Jahre bei der Stadt Heiligenhaus im Dienst

Zum 1. Januar 1990 hat der Essener seinen Dienst bei der Stadt Heiligenhaus aufgenommen, „dreieinhalb Jahre hatte ich bei der Stadt Krefeld gearbeitet, aber die Pendelei, die war dann doch zuviel“, so der Familienvater. Die Wahl lag zwischen Herten und Heiligenhaus, die Entscheidung für die Stadt im Niederbergischen bereut er nach wie vor nicht – und das nicht nur, weil er von Werden aus nur fünf Ampeln bis zur Arbeit brauche. „Heiligenhaus hatte und hat nach wie vor viel Potenzial, um das uns andere Städte beneiden.“

Stadt- und Regionalplanung, das lag Peterburs schon immer am Herzen, erinnert er sich an die Zeit zurück, als er sich für seinen beruflichen Werdegang interessierte. „Die gestalterischen Möglichkeiten, seine persönliche Note setzen zu können, das fand ich sehr spannend.“ Auch der öffentliche Dienst habe ihm zugesagt, „viele Kommilitonen wollten in die freie Wirtschaft, um sich kreativ auszutoben, doch das kann man ja auch bei der Stadtentwicklung“, findet er.

Heimliche Botschaften im Stadtgebiet

Doch das Spannendste ist für viele Augen gar nicht zu sehen: Viele heimliche Spuren hat er hinterlassen. Ganz unauffällig pflanzte er seine Lieblingsbäume an neuen Plätzen, bevor ein Konzept genehmigt wurde, mussten Investoren Auflagen erfüllen, damit sie ins städtische Gesamtbild passen, wie zum Beispiel besondere Dachgabelungen. Wer weiß schon, dass die Balkone am Anfang und Ende der Jahnstraße zueinander gewölbt sind, oder dass der Blick von der Blume aus zur Kant-Aula unverstellt bleibt. Auch die „Peterburssche Sichtachse“, wie sie der ehemalige Bürgermeister Jan Heinisch nennt (vom Thormählen-Park zum Campus und zum Kirchturm Suitbertus), nimmt man unbewusst wahr, ohne zu wissen, dass es ganz bewusst so gemacht wurde. Nicht sehen, aber empfinden, ist das gestalterische Credo.

Den Wandel der Stadt, den hat Peterburs aktiv begleitet. Dass viele Jahre aber quasi Stillstand bei der städtischen Entwicklung herrschte, dafür konnte die Verwaltung aber nichts, berichtet der Technische Dezernent: „Wir hatten ein abwassertechnisches Problem, bis 2001 eine Lösung für das Abwasser im nördlichen Stadtgebiet gefunden wurde mit dem Bau des neuen Klärwerks in Kettwig.“ Aus diesem Grund entstanden bis dahin nur Projekte im Süden, für die das Klärwerk in der Hofermühle zuständig war, wie Peterburs’ erstes Projekt, das Wohngebiet Hülsbeck.

Viele Wohngebiete sind in den Jahren entstanden

Viele weitere Wohngebietsentwicklungen nennt Peterburs, wie Werkerhäuschen, Brügelbach, der Panoramagarten, Selbeck, die Kant-Höfe, Selbeck, die Kant-Höfe, Isenbügel, Hetterscheidt-Nord, Sachsenstraße, das ehemalige Wehag-Gelände oder Kiekert, aber weiter anstehende Projekte wie Hitzbleck, Dörrenhaus und Kini. „Bei der Stadtplanung ist wichtig, man muss Heiligenhaus verstehen“, so Peterburs. Ein Lieblingsprojekt hat der Architekt nicht wirklich, „da war viel Spannendes dabei, aber ich finde auch die Schulstraße nennenswert, weil es eben so unaufgeregt ist. Es ist nicht spektakulär, aber gut geworden.“

Niemals wird eine Stadt fertig – und so wird Peterburs auch einige Projekte nicht zu Ende bringen können. „Ich habe noch eine to-do-Liste, die sehr lang ist, aber ich habe irgendwann entschieden: Jetzt ist vorbei, und das Ziel habe ich dann stringent verfolgt.“ Nun heißt es für ihn: Zeit für Reisen, Zeit für die Familie und sein Hobby, die Fotografie. Außerdem engagiert er sich beim Kunstring Folkwang sowie bei den Freunden Zollverein. Wiederkommen, das wird Peterburs auf jeden Fall: „Spätestens im Herbst zu Besuch.“ Was er der Stadt wünscht? „Eine weiterhin positive Entwicklung, die angefangen hat, weiterzugehen – und auch der Blick auf die städtebauliche Qualität weiter im Auge behalten dabei.“

Wegbegleiter blickt auf spannende Zeit zurück

Jemand, der viel Zeit mit Siegfried Peterburs verbracht und viele Projekte in der Stadt realisiert hat, ist der ehemalige Technische Beigeordnete Harald Flügge (nun Baurat in Bergisch Gladbach). „Ich blicke gern auf die Zeit zurück, denn die hat sich immer durch ein super Teamwork und eine enge, vertrauensvolle Zusammenarbeit ausgezeichnet.“ Wenn der eine einen Impuls gab, habe der andere weiter gedacht, „und obwohl es immer richtig viel zu tun gab, waren wir immer motiviert, kreative Ideen umzusetzen.“ Aus eins und eins werde dann auch drei, „wenn man sich austauscht, wird die Lösung auch besser.“

Ein echter Meilenstein sei es auch gewesen, „auch den Blick zu heben für die Entscheide, Werkstätten mit Unis, wie der RWTH Aachen und Wuppertal, durchzuführen. Studenten konnten Ideen entwickeln, auf die wir aufbauen konnten.“ Seinem ehemaligen Kollegen wünscht Flügge „viel freie Zeit zum Lesen, Reisen und für die Familie.“ Das werden ihm heute sicher noch viele weitere Wegbegleiter wünschen bei seiner offiziellen Verabschiedung. Dass er seinen Schreibtisch dann tatsächlich für immer räumen wird, ist klar – doch seine Handschrift wird noch viele Jahrzehnte in Heiligenhaus wahrnehmbar sein. Dem einen gefällt es, dem anderen nicht – über Geschmack lässt sich eben nicht disputieren.