Mehr Wildblumen fordert Förster Hannes Johannsen. Warum manche Tierarten so selten geworden sind, während sich andere stark vermehren.
Der Gewinner des Strukturwandels ist ein roter Räuber, der auch gerne mal im Müll wühlt: Der Fuchs profitiert am meisten von der Veränderung der Landschaft, denn er ist besonders anpassungsfähig. Auf der Verliererseite stehen Fasan, Feldhuhn und Feldhase. Diese Arten finden in der Region nicht nur immer weniger Futter, ihre Lebensräume werden kleiner und der Fuchs, ihr größter Fressfeind, vermehrt sich zusehends.
Der präparierte Fasan, den sich Stadtförster Hannes Johannsen vorsichtig unter den Arm klemmt, gehört zu den seltenen Exemplaren, die die Menschen in der Region überhaupt noch zu Gesicht bekommen. Denn in freier Natur läuft das Tier den Heiligenhausern kaum über den Weg.
Rebhühner wurden in Heiligenhaus bejagt
Das war jedoch nicht immer so. Zwar ist der Fasan eine Vogelart, die hierzulande vom Menschen angesiedelt wurde, doch hat sie sich gut angepasst und vermehrt. Erst seit der Flurbereinigung ab 1953, bei der zuvor zersplitterter land- und forstwirtschaftlicher Grundbesitz neu geordnet wurde und größere Flächen entstanden, nahm die Anzahl der Fasane rapide ab.
Ähnlich erging es den Feldhühnern. „Bis in die 1950er Jahre gab es hier sehr viele Rebhühner, sie wurden sogar bejagt“, sagt Hannes Johannsen. Der Förster macht eine einfache Gleichung auf: weniger strukturreiche Landschaft, mehr Monokulturen — weniger Arten. Besonders betroffen sind davon Lebewesen, die in Randbereichen existieren, etwa zwischen Feld und Wald oder zwischen Fluss und Wiese.
Es gibt nur noch wenige kleine Felder
Das Rebhuhn beispielsweise lebt in abwechslungsreichen Heckenstreifen, braucht Acker, Kräuter und Wiesen. Der Feldhuhn-Nachwuchs ernährt sich in den ersten Wochen von tierischem Eiweiß in Form von Wiesenameiseneiern und -puppen. Diese Insekten leben in buckeligen Weiden. Auch die verschwinden jedoch immer mehr aus dem Landschaftsbild der Region. „Früher gab es viel kleinere und damit auch viel mehr Felder. Dazwischen fand man Wiesen- oder Grenzstreifen, die für viele Tierarten wie Vögel und Insekten einen wichtigen Lebensraum darstellen“, sagt Hannes Johannsen. Ein Stück wilde Wiese, Brombeerbüsche, Haselnusssträucher und Feldahorn sind für das Überleben vieler Tierarten unersetzlich. Nicht ohne Grund ist die Hecke deshalb ein per Gesetz geschützter Landschaftsbestandteil.
„Obwohl es beispielsweise weniger Rebhühner gibt, vermehrt sich der Fuchs enorm. Das ist unnatürlich“, sagt der Stadtförster. Diese Behauptung kann der Naturexperte mit Zahlen belegen: Das Raubtier habe sich um 500 Prozent vermehrt. Grund dafür sei die erfolgreiche Tollwut-Immunisierung bei Füchsen durch Impfköder ab den 1990er Jahren. Die Bestände des anpassungsfähigen Fleischfressers werden deshalb nicht mehr durch die Krankheit reduziert. „Der Mensch hat mit der Impfung gegen die Tollwut den natürlichen Regulator herausgenommen“, sagt Johannsen. Der rote Räuber selbst hat hierzulande außerdem kaum natürliche Fressfeinde.
Tüten mit Wildblumensamen werden verteilt
Kleine Papiertüte, große Wirkung: Mit Wildblumensamen will der Heiligenhauser Stadtförster Hannes Johannsen für mehr Struktur in der Landschaft sorgen. An rund 3500 Kinder hat er im vergangenen Jahr bei Waldführungen die Samentüten verteilt. Befüllt hat sein Team sie zuvor mit Kleesaaten, Blühschön-, Wicken-, Lupinen und Ringelblumensamen.
Die Idee dahinter: „Über viele kleine Flächen, nämlich die der Kinder in Hausgärten oder in Blumentöpfen, eine große schaffen“, sagt Johannsen. Ein Quadratmeter Wildblumen sieht nicht nur schön aus, er lockt auch jede Menge Insekten an. Im großen Stil möchte der Förster eine ähnliche Aktion auch mit einem oder mehreren Landwirten ins Leben rufen. Dabei verzichtet der Landwirt darauf, einen etwa drei Meter breiten und 100 Meter langen Streifen eines Feldes wie gewohnt zu bewirtschaften. Er erhält stattdessen das Saatgut für einen Wildblumenstreifen und Geld, das seine Verdienstausfälle und seine Arbeit mit dem Blühstreifen abdeckt. „Ich könnte mir das beispielsweise entlang eines Wanderwegs gut vorstellen“, sagt Johannsen.
Aus Naturschutz das grüne Abitur machen
Gelber Kapuzen-Pulli, verschmitztes Lächeln — Nick Paulus hat so gar nichts mit dem Bild zu tun, dass man sich gemeinhin von einem Jäger macht. Der Heiligenhauser absolviert aktuell nicht nur sein freiwilliges ökologisches Jahr im Heiligenhauser Umweltbildungszentrum (UBZ), er gehört auch zu einer neuen Generation von Jägern und bereitet sich derzeit auf die Prüfung vor.
Naturschutz und Landschaftspflege spielen in den Jägerkursen, die jährlich im UBZ starten, eine wichtige Rolle. Thema ist dabei auch der Strukturwandel in der Landschaft und das Verschwinden ganzer Tierarten. „Für die Jäger geht es nicht darum, wieder Rebhühner schießen zu können. Es geht darum, ihren Lebensraum nachhaltig zu verbessern, wieder mehr Struktur in die Landschaft zu bekommen“, sagt Förster Hannes Johannsen. Dabei sehen die Jäger vor Ort die Naturschützer des BUND als wichtige Partner.
Der Förster appelliert aber auch an alle Gartenbesitzer: „Mehr Wildnis zulassen. Wer Schmetterlinge sehen will, muss auch mal Brennnesseln stehen lassen.“