Heiligenhaus. . Noch bis Ende Februar knattern in den Wäldern die Motorsägen. Warum bei den Fällarbeiten nicht der größtmögliche Gewinn im Vordergrund steht.

Stadtförster Hannes Johannsen stemmt die Hände in die Hüften und blickt den Stamm einer Fichte empor. „Die muss weg“, sagt er und zückt eine Spraydose. Mit vier orangefarbenen Punkten markiert er die Rinde des Nadelbaums und spricht damit das sichtbare Todesurteil für den betagten Riesen. Seine Krone bedrängt den immergrünen Nachbarn ein paar Meter weiter massiv. Noch bis Ende Februar knattern in den Waldgebieten die Motorsägen. Bis zum Beginn der Vogelbrutzeit will der Förster die Baumfällarbeiten erledigt haben. Welche Bäume es trifft, wird genau geprüft.

Das Schlechte wegnehmen, damit das Gute besser wächst — so könnte man zusammenfassen, wie das Forstteam vorgeht. Dabei muss gut nicht immer schön, groß und gerade sein. Ein erhaltenswerter Baum kann in den Augen von Johannsen auch eine krüppelige Eiche mit Hohlräumen sein. Im Wald am alten Steinbruch an der Rossdelle beispielsweise geht es nicht um den perfekt gewachsenen Stamm, dort spielt der Naturschutzgedanke eine wichtige Rolle: In einer Höhle an der Felsnase leben Fledermäuse. Deshalb sollen drumherum Bäume erhalten bleiben, die mit Höhlen im Stamm gute Lebensbedingungen bieten. Wenn der Förster unter Verkehrssicherheits-Aspekten keine Bedenken hat, kann auch ein toter Baum stehen bleiben.

Einige Fichten wurden umgeweht

Manchmal haben Johannsen und sein Team aber keine Wahl. Wenn zum Beispiel Stürme die Wälder durchrütteln. In einem Waldstück an der Kettwiger Straße hat „Friederike“ mehrere Fichten umgepustet. Die umgefallenen Stämme haben die Forstarbeiter schon zersägt, sortiert und in einem Polter am Straßenrand aufgeschichtet. Aus den Folgen von Friederike zieht der Förster eine Lehre: „Hier sind überwiegend Fichten umgefallen. Das zeigt uns, dass sie hier am falschen Standort gepflanzt wurden.“

Hannes Johannsen zeigt junge Sprösslinge von Tannenbäumen.
Hannes Johannsen zeigt junge Sprösslinge von Tannenbäumen.

Gehölze, die unter idealen Standortbedingungen wachsen, seien stabil und robust. Das Loch, das der letzte Sturm im Wald an der Kettwiger Straße hinterlassen hat, soll bald wieder aufgeforstet werden. An dieser Stelle kann sich der Förster Weißtannen vorstellen. Warum gerade diese Baumart in Frage kommt, hat mehrere Gründe. Einer davon ist so dick, dass Hannes Johannsen ihn mit ausgestreckten Armen nicht umfassen kann.

Die Weißtanne am Rand der neuen Lichtung ist etwa 70 Jahre alt und steht dort wie ein Fels in der Brandung. Die Wachstumsbedingungen für Weißtannen seien hier gut und der von Baumarten durchmischte Stadtwald benötige neben Laubbäumen auch immergrünes Nadelgehölz. „Grün entspannt. Das ist gerade im Winter wichtig für den Erholungsfaktor“, erklärt Johannsen. Denn der örtliche Wald diene vorwiegend der Erholung.

Auch interessant

Rund 500 Festmeter im Jahr

Pro Jahr erntet der Heiligenhauser Förster dennoch rund 500 Festmeter Holz. Ein Großteil davon wird lokal als Brennholz verkauft. Die geschlagene Menge Holz ist unter dem Stichwort Nachhaltigkeit genau festgelegt und richtet sich nach der gesamten Waldfläche. Es darf nicht mehr Gehölz abgesägt werden, als in einem Jahr nachwächst. In manchem Jahr sorgen jedoch schon die Sturmschäden für größere Holzmengen. Das wirbelt oft die Pläne des Försters durcheinander. Dann muss an anderer Stelle oder im Folgejahr „gespart“ werden.

Förster rat nach Orkan zur Achtsamkeit

Beim Stichwort „Friederike“ bleibt Stadtförster Hannes Johannsen ganz gelassen. Der Orkan hat Mitte Januar in Heiligenhaus weit weniger Schäden verursacht als anderswo. Obwohl der Wald im Stadtgebiet überwiegend glimpflich davon gekommen ist, rät der Förster Spaziergängern weiterhin zur Achtsamkeit. Ein generelles Betretungsverbot für die örtlichen Waldflächen gibt es jedoch nicht.

Erwischt hat „Friederike“ im Heiligenhauser Stadtgebiet überwiegend Fichten. Die Nadelbäume sind Flachwurzler und oft nicht an optimalen Standorten gepflanzt worden. Das mache sie anfällig, sagt Johannsen. Da aktuell lediglich fünf Prozent des Heiligenhauser Stadtwaldes aus Fichten bestehe, hielten sich die Schäden allerdings in Grenzen.

Überreste weitestgehend beseitigt

An einigen Stellen, wie an der Kettwiger Straße etwa, sind dem Sturm auf kleiner Fläche mehrere Bäume zum Opfer gefallen, deren Überreste weitestgehend schon beseitigt worden sind. Stärker betroffen waren auch die Waldstücke an der Ruhrstraße und an der Isenbügeler Straße. „An der Ruhrstraße hatten die Feuerwehr und wir es mit einem richtigen Mikado aus Baumstämmen zu tun“, sagt Johannsen. In der Straße Am Sprung landeten drei Bäume auf einem Gastank. Die Sturmschäden seien aber längst nicht mit denen vergleichbar, die Pfingstturm Ela 2014 in Heiligenhaus hinterlassen hätte.

Überwiegend handelt es sich nach Auskunft des Försters um „Einzelwürfe“. Vereinzelte Gefahrenpunkte müssten noch „im laufenden Geschäft“ abgearbeitet werden.

Forstarbeiter setzen auf leuchtende Zeichensprache

Wenn es um die Zukunft der Bäume geht, setzen Stadtförster Hannes Johannsen und sein Team auf Zeichensprache und leuchtende Farben. „Extra stark“ steht auf der Spraydose des Försters. Die Markierungen, die er damit an den rauen Borken von Nadel- und Laubbäumen hinterlässt, müssen mitunter Monate oder Jahre sichtbar bleiben.

WAZ-Mitarbeiterin Hannah Blazejewksi und Hannes Johannsen markieren einen Baum, der später abgeholzt werden soll.
WAZ-Mitarbeiterin Hannah Blazejewksi und Hannes Johannsen markieren einen Baum, der später abgeholzt werden soll.

So wie der Ring, den Johannsen gerade um den Stamm eines Bergahorns gesprüht hat. „Das ist ein Zukunftsbaum, der nicht gefällt wird“, erklärt der Förster. Er erfüllt besondere Bedingungen, die je nach Standort andere sein können. Vier leuchtende Punkte auf dem Stamm eines Baumes verraten hingegen, dass das Gehölz in der nächsten Zeit abgesägt wird. Um eine Rücke-gasse zu markieren, sprüht Johannsen Striche und Pfeile auf die Bäume rechts und links des zukünftigen Arbeitsweges im Wald. Dabei kann der Waldboden je nach Wetterlage ziemlich in Mitleidenschaft gezogen werden. Deshalb sei es für die Fahrer der schweren Fahrzeuge wichtig, immer in der Spur zu bleiben, um möglichst wenige Schäden zu verursachen.

Ziehen die Forstarbeiter und Traktoren wieder ab, geht es ans Aufräumen. „Dabei muss eine tiefe Reifenspur im Waldboden nicht immer schlecht sein“, sagt der Förster. Füllt sie sich mit Regenwasser, sei sie sogar ein guter Lebensraum für manchen Feuchtigkeit liebenden Waldbewohner. Um einen besonderen Brut- oder Futterbaum für seine Mitarbeiter sichtbar zu machen, malt Johannsen oft einen Specht auf den Stamm – natürlich mit Spraydose und extra starker Farbe.