Das Gelände an der Kettwiger Straße hat sich über die Jahrzehnte stark gewandelt. Früher arbeitete man hier im Werk, heute steht dort ein Campus.
Die Traditionsfirma Kiekert hat Heiligenhaus Jahrzehnte lang geprägt. Bis heute ist das Unternehmen aus der Schloss- und Beschlägeindustrie – mit Unterbrechungen – größter Heiligenhauser Arbeitgeber. Eng mit der Firmengeschichte verbunden ist das ehemalige Werksgelände an der Kettwiger Straße, das auch in jüngster Zeit mit dem gescheiterten Einkaufszentrum, dem Hochschulcampus und der Diskussion über Parkplätze im öffentlichen Bewusstsein geblieben ist.
Im Jahr 1857 befand sich Kiekert gerade erst in der Firmengründung. Dies geschah jedoch nicht an der Kettwiger Straße, sondern in Isenbügel. Arnold Kiekert begann damals mit zwei Lehrlingen auf dem Ackergut „am Kämpchen“ sein Werk in einer Schlosserei. „Zunächst wurden Schlösser in Handarbeit gefertigt. Zuerst Möbelschlösser, später auch Türschlösser. Daneben wurde noch, wie dies damals üblich war, Landwirtschaft für den eigenen Bedarf betrieben“, sagt Stadtarchivar Hartmut Nolte.
1909 schon 188 Mitarbeiter
In den 1880er Jahren zog Kiekert dann in ein Gebäude auf dem Kirchplatz hinter der lutherischen Kirche an der Hauptstraße. 1890 kam zu den Türschlössern der zweite Produktionszweig für Eisenbahnschlösser hinzu, bevor Arnold Kiekert 1895 dann ein fünf Morgen großes Grundstück an der Kettwiger Straße kaufte – eines der zwei Teilgrundstücke (auf dem heute der Campus steht) wechselte für 6000 Mark den Besitzer. „Eine immense Summe damals“, ordnet Nolte ein. 1895 nahm die erste Dampfmaschine im Kiekert-Werk ihren Betrieb auf (eine andere Quelle spricht von 1884). Im Jahr 1909 arbeiten laut einem Verwaltungsbericht schon 188 Mitarbeiter am Standort.
Nach dem Ersten Weltkrieg kam die Produktion von Automobilschlössern als dritter Produktionszweig hinzu. 1929 war die „Spezialfabrik für Schlösser, Verschlüsse, Beschläge und Metalltüren“ (so heißt es in einem Inserat) größter Heiligenhauser Arbeitgeber – 350 Menschen arbeiteten damals bei Kiekert. Und die Firma setzte ihre Expansion fort. 1935 wurden Lagerräume und eine Gießerei errichtet. 1937 arbeiteten mehr als 600 Beschäftigte an der Kettwiger Straße. 1939 folgten der Bau von Werkswohnungen und ein Erweiterungsbau für Wasch-, Brause- und Umkleideräume und ein Speiseraum.
Im Zweiten Weltkrieg Rüstungsgüter produziert
Im Zweiten Weltkrieg stellte auch Kiekert wie viele Unternehmen die Produktion auf Rüstungsgüter um, ein zweites Werk an der Talburgstraße wurde gebaut. Unter anderem baute Kiekert Steuergeräte für V2-Raketen. Ein Teil der Gebäude wurde im Krieg zerstört, darunter die Gießerei (1955 wieder aufgebaut).
Das Jahr war auch für Kiekert ein Neubeginn. „Die Produktion musste nach Genehmigung durch die Besatzungsmächte von Rüstung wieder auf andere Güter umgestellt werden“, so Hartmut Nolte. Zu Beginn waren es Haushaltsgeräte und Luftpumpen, 1947 (inzwischen mit 250 Mitarbeitern) folgte die Ausdehnung auf Automobilschlösser.
Aufschwung in den 1970er Jahren
In den 50er Jahren wuchs das Unternehmen weiter. Rund 600 Mitarbeiter produzierten Autoschlösser, Türen aus Leichtmetall für Eisenbahn, Busse und Schifffahrt und Fenster aller Art. 1957 wurde das neue Verwaltungsgebäude errichtet, heute ist dort das Thormählen-Bildungshaus untergebracht. Zwei Jahre später folgte eine weitere sichtbare Veränderung im Stadtbild, als der große Mitarbeiter-Parkplatz gebaut wurde (siehe Zweittext).
1971 war Kiekert mit rund 1000 Mitarbeitern zweitgrößter Arbeitgeber in Heiligenhaus nach Hartmann & Braun. Kiekerts Weg zum Technologieführer in der Branche ebnete schließlich die Erfindung der Zentralverriegelung in den 70er Jahren. Zu Beginn der 90er Jahre hatte die Firma neben Heiligenhaus Produktionsstätten in Velbert, Wuppertal, Düsseldorf, Tschechien und Lizenznehmer in 14 Ländern.
1998 beschäftigte das Unternehmen 2800 Mitarbeiter am Standort Deutschland mit Werken in Heiligenhaus, Düsseldorf und Velbert und dem Lager in Velbert an der Mettmanner Straße, im Jahr 2005 waren es noch rund 1750, da Jobs ins Ausland verlagert worden waren. Zu dieser Zeit begann Kiekert mit dem Standortwechsel zum Höseler Platz. Der Standort Kettwiger Straße war zu klein geworden. Im Jahr 2007 war der Wechsel in das ehemalige ABB-Gebäude am Höseler Platz vollzogen und die Geschichte von Kiekert an der Kettwiger Straße fand ihr Ende.
Eine letzte Fläche auf dem Areal ist noch frei
Nachdem Kiekert das alte Gelände an der Kettwiger Straße im Jahr 2007 verlassen hatte, ging es in den Grundstücksfond NRW über, für den NRW.Urban als Treuhänder die Projektentwicklung vornimmt. Nach Abriss der Gebäude wurde, initiiert durch die Stadt, ein Wettbewerb mit Beteiligung von Stadtplanungsbüros durchgeführt, auf dessen Ergebnis die Neubebauung realisiert werden sollte. Während am Rand ab 2007 die Westfalenstraße gebaut wurde, tat sich im Zentrum des Areals lange nichts, da es erst aufwändig saniert werden musste.
2014 erhielt der Investor Procom den Zuschlag. Auf dem Gelände hin zur Rheinlandstraße sollte ein Einkaufszentrum gebaut werden. Zusätzlich zum Vollsortimenter Kaufland fand Procom lange keinen zweiten Ankermieter. Vor rund zwei Jahren scheiterten die Pläne für das Einkaufszentrum dann endgültig, der Kaufvertrag wurde aufgelöst. Gebaut wurde dafür auf einem anderen Teil des früheren Kiekert-Areals. Im Mai 2014 wurde der Grundstein für den neuen Campus der Hochschule Bochum gelegt. Eröffnung des neuen Standorts war im Oktober 2017. Gebaut wird noch ein Studentenwohnheim, im Herbst soll es bezugsfertig sein.
Schotterparkplatz wurde gebaut
Auch an anderer Stelle hat sich 2017 auf dem ehemaligen Kiekert-Gelände etwas getan: Ein provisorischer Schotterparkplatz wurde am südlichen Rand gebaut. Zwischen Parkplatz und Campus gibt es eine letzte Brachfläche. Diese würde die Stadt gerne von NRW.Urban kaufen, am Ende muss die Politik entscheiden. Hier wird sich zeigen, welche Nutzung am Ende das Erbe von Kiekert an der Kettwiger Straße antreten wird.
Thormählen-Park war einst ein großer Parkplatz
Wo heute eine grüne Oase in Innenstadtnähe zum Spielen oder Verweilen einlädt, war früher vor allem eins zu sehen: Blech und Asphalt. 1959 baute Kiekert einen neuen Parkplatz für die Mitarbeiter. Mehrere hundert Fahrzeuge fanden dort Platz. Nach dem Wegzug von Kiekert im Jahr 2007 musste eine Folgenutzung gefunden werden.
Altlasten auf dem 1,4 Hektar großen Gelände und die Stollen der ehemaligen Bunkeranlage unter dem Parkplatz erschwerten jedoch die Vermarktung. Die Stollen waren 2007 verfüllt und das bebaute Gelände danach aufbereitet und umgestaltet worden. Die Kosten betrugen rund 500 000 Euro, wobei die Stadt durch Bund und Land finanziell entlastet wurde. Entstanden ist eine barrierefreie, grüne Lunge mit Spielgeräten für Senioren, Skateranlage und Boule-Platz. Im Oktober 2015 wurde der Park der Bevölkerung übergeben, im Mai 2017 wurde der nach der Stifterfamilie Thormählen benannte Park eingeweiht.
Direkt mit Blick auf das Gelände hat die Firma Walden fünf Wohnhäuser errichtet, auch die Stadt will nebenan noch zwei Wohngebäude bauen. Auf den noch verbleibenden Flächen ist Platz für zwei weitere Gebäude, in einem soll nach Wunsch des Rates auch öffentlich geförderter Wohnungsbau entstehen. Möglicherweise wird dort noch vor den Sommerferien der Baubeginn sein, so der Technische Dezernent Siegfried Peterburs.
>>> NEUE SERIE ZEIGT HELJENS HISTORISCH
- Wie sah es in Heiligenhaus früher aus? In der neuen Serie „Heljens historisch“ stellt die WAZ ausgewählte Standorte und Projekte vor, an denen deutlich wird, sie sehr sich das Stadtbild gewandelt hat.
- Die WAZ blickt in dieser Serie nicht nur auf die jüngsten Veränderungen eines städtebaulichen Projekts zurück, sondern weiter in die Vergangenheit bis zu den Anfängen am jeweiligen Ort.