Heiligenhaus.. Bei der Vesper-Tour lernen die Teilnehmer Heiligenhaus von einer neuen Seite kennen. Natur und Industriegeschichte bilden interessante Mischung.

„Man muss nur mit offenen Augen durch Heiligenhaus gehen, um zu erkennen, wie schön es hier ist“, findet Wanderin Brigitte Brüggemann. Manchmal braucht es allerdings jemanden wie Sven Polkläser vom Stadtmarketing, um den Blick erst auf die kleinen Stadtgeschichten zu lenken. Auf der Wandern-Vesper-Kulturgeschichte-Tour des Stadtmarketings gibt es jedoch nicht nur allerhand Interessantes über Heiligenhaus zu lernen – die Teilnehmer können außerdem nach Herzenslust schlemmen.

Im Gänsemarsch geht es für die Teilnehmer der Vesper-Wanderung einen engen Weg hinunter. Langsam aber sicher lassen sie alle Häuser der Stadt hinter sich und stehen plötzlich mitten im Wald. Der Lärm der Straße ist verstummt und die Luft füllt sich mit dem herrlichen Gesang verschiedenster Vogelarten. Schnell wird klar, dass der Name ‚Vogelsangbachtal‘ nicht von ungefähr kommt.

Sichtbare Bergbaugeschichte

An einer Weggabelung angekommen, richtet Wanderungsleiter Sven Polkläser seinen Blick mitten ins dichte Grün. „Hier wächst sehr viel Ilex, das sind die Büsche mit den stacheligen Blättern“, erklärt er, „Ilex ist eine sogenannte Zeigerpflanze und deutet auf einen eisenhaltigen Boden hin und daran haben sich die Bergleute orientiert.“

Dieses Straßenschild erinnert an die Bergbaugeschichte der Region.
Dieses Straßenschild erinnert an die Bergbaugeschichte der Region. © Socrates Tassos | FUNKE Foto Services

Der nächste Beweis für eine Heiligenhauser Bergbaugeschichte schlängelt sich zwischen dem dichten Ilexbewuchs hindurch. Dort fließt, als kleines Rinnsal, der Hacklandbach. „Das Wort ‚Hackland‘ ist ein Indiz für mittelalterlichen Bergbau“, weiß Polkläser. Denn schließlich rückten die Bergleute dem Gestein mit Spitzhacken zu Leibe, um es aus dem Fels zu brechen. Unter Heiligenhaus schlummert nicht nur Eisen, sondern auch Kalk.

Zähne zusammenbeißen beim Aufstieg

Anders, als in der Nachbarstadt Wülfrath, ist die Gegend hier jedoch nicht von riesigen Kratern durchzogen. „Die Kalkwerke haben keine Genehmigung für den Abbau bekommen“, erklärt Polkäser. Jedenfalls nicht im großen Stil. Kleine Steinbrüche wurden dennoch in den vergangenen Jahrhunderten überall im Vogelsangbachtal angelegt. Die dazugehörigen Kalköfen standen auf Höfen, wie dem Herbergerhof, an dem die Gruppe ebenfalls vorbei zieht.

Jenseits des Bruchsteinensembles liegt das Zwönitzer Eck. Um es sich auf den Bänken gemütlich machen zu können, müssen die Wanderer noch mal die Zähne zusammenbeißen. Der Anstieg hinauf ist nicht ohne und lässt dem ein oder anderen erste Schweißperlen über die Stirn rinnen.

Hohlwege durchziehen den Wald

Oben werden die Hobby-Historiker von einem afrikanischen Sittich begrüßt. Der blaue Vogel ist das Wappentier der Heiligenhauser Partnerstadt und ziert im flachen 2D-Format die hölzerne Stele am Aussichtspunkt. „Ich möchte das Augenmerk aber auf die Einkerbung im Hintergrund lenken“, sagt Polkäser.

Paradiesische Natur offenbart sich dem Wanderer an vielen Ecken im Wald.
Paradiesische Natur offenbart sich dem Wanderer an vielen Ecken im Wald. © Socrates Tassos | FUNKE Foto Services

Beinahe synchron drehen alle Wanderer ihre Köpfe in Richtung ihres Tourguides. Der hat vor einer unscheinbaren Schneise im Wald Stellung bezogen. „Das ist ein sogenannter Hohlweg. Solche Wege wurden von Pferdefuhrwerken geschaffen.“ Über Monate und Jahre hinweg gruben sich die schweren Räder in den Boden erzeugten eine kleine, von Erdwällen umgebene, Senke.

Um neue Energien für die nächsten Etappen zu tanken, warteten an verschiedenen Boxenstopps Eis, Kaffee und Kuchen sowie eine gute Suppe auf die Wanderer.

Das Campusgelände ist zum Leben erwacht.

Die Teilnehmer wandern nicht nur auf den Spuren ihrer mittelalterlichen Vorfahren, sie nehmen auch neuzeitliche Industrie unter die Lupe. Im Schatten des Viadukts jenseits des Hefelmannparks gönnt sich die Gruppe eine kleine Verschnaufpause. Durch die massiven Brückenbögen hindurch erspähen die Ersten das ehemalige Gelände der Firma Hitzbleck – zumindest die Rückseite des Fabrikgebäudes an der Westfalenstraße. „Früher gab es viele gemauerte Schornsteine auf dem Stadtgebiet. Jetzt ist nur noch der der Firma Hitzbleck übrig. Allerdings wird auch er auch in diesem Jahr abgerissen“, berichtet Sven Polkläser.

Der Campus der Hochschule Bochum wird inzwischen von den Studenten genutzt.
Der Campus der Hochschule Bochum wird inzwischen von den Studenten genutzt. © Socrates Tassos | FUNKE Foto Services

Nur wenige hundert Meter von der einstigen Gießerei entfernt, stand ein weiteres Traditionsunternehmen. „Kiekert war einer der größten Arbeitgeber in der Stadt. Heute steht noch nur das ehemalige Bürogebäude hier und in das wird die Stadtbücherei ziehen“, erklärt der Ehrenamtler. Dort, wo einst schwere Maschinen Straßenbahntüren und Zentralverriegelungen herstellten, drücken inzwischen Studenten die Hörsaalbank.

Zukunftsmusik am Kiosk

Seit der Eröffnung herrscht Leben am Campus. „Vielleicht wird Heiligenhaus mit dem geplanten Wohnheim dann auch zu einer Studentenstadt“, hofft Polkläser. Diese Art der Zukunftsmusik spielt auch ein kleiner Kiosk an der Straße am Zimmeshaus. Noch sind die Fensterscheiben zwar mit blickdichtem Papier abgeklebt, ein wichtiges Detail ist aber schon da: ‚Studentenmenü‘ prangt dort in einer Ecke der Fensterfront. Jetzt müssen nur noch die hungrigen Studenten kommen.

>>> WEITERE VESPER-TOUR IM JULI

  • Für die zweite Vesper-Tour am Samstag, 1. Juli, um 15 Uhr, gibt es noch wenige freie Plätze.
  • Vom Basildonplatz aus geht es zum ehemaligen Bahnhof, über den Panoramaradweg vorbei an der einstigen Gießerei, dem Hefelmannpark und dem neuen Campus zum gastronomischen Zwischenstopp, danach wird ein Industriebetrieb besichtigt.
  • Die Teilnahme kostet 15 Euro, Infos bei André Saar vom Stadtmarketing: 02056/ 13105.