Hattingen. Prozessauftakt im Hattinger Familiendrama, doch der Angeklagte Mehmet Ö. (43) schweigt zu den Vorwürfen des vierfachen Mordversuches. Der Familienvater hatte im Dezember 2012 in seiner Wohnung am Rande der Innenstadt auf seine Ehefrau und die gemeinsamen drei Kinder eingestochen.

Er hätte reden können. Erklären, was an den Vorwürfen stimmt, was ihn zu der Tat trieb. Doch Mehmet Ö. (43), der in seiner Wohnung am Rande der Hattinger Innenstadt auf seine Ehefrau und die gemeinsamen drei Kinder einstach, schweigt vor dem Essener Landgericht. Schweigt zum Vorwurf des vierfachen Mordversuches.

Es war eine Orgie der Gewalt. Eine blutige Tat, die nur gestoppt wird, weil der Sohn des Angeklagten und ein Nachbar sich selbst mit Messern bewaffnen und den Angeklagten stoppen. „Die Tat selbst wird nicht bestritten“, kündigt Verteidiger Gregor Hanisch vor Prozessbeginn an. Er legt aber Wert darauf, dass die Mordmerkmale Heimtücke und niedrige Beweggründe nicht stimmen und der Angeklagte selbst darauf verzichtet habe, die Tat zu vollenden. Das wäre ein strafbefreiender Rücktritt vom Mordversuch, übrig bliebe eine gefährliche Körperverletzung.

Lange Zeit schwelender Streit in der Familie

Bis zum Urteil ist es ein weiter Weg. Fünf Prozesstage hat An­dreas Labentz, Vorsitzender des Schwurgerichtes, angesetzt. Da der Angeklagte schweigt, muss das Gericht Schritt für Schritt den Abend des 4. Dezember 2012 rekonstruieren. Es ist ein Stück aus einem anderen Kulturkreis. Staatsanwalt Joachim Lich­tinghagen spricht in seiner Anklage von einem seit langer Zeit schwelenden Streit in der Familie. Der Vater habe sich über finanzielle Angelegenheiten und über die zu freizügige und westlich orientierte Lebensweise seiner Kinder beschwert. 17 bis 21 Jahre sind sie alt, zwei Frauen, ein junger Mann.

Konkret soll es gegen 22.15 Uhr um einen Scheck über 190 Euro gegangen sein, den die 20-jährige Tochter angeblich zu unrecht eingelöst habe. Mehmet A. soll ihr den Arm um die Schulter gelegt und sie in einen Nebenraum gezogen haben: „Komm, Mädchen, lass uns reden.“ Völlig unvermittelt soll er mehrfach auf sie eingestochen haben. Als seine Ehefrau, seine 21-jährige Tochter und sein 17-jähriger Sohn zur Hilfe eilten, soll er auch auf sie eingestochen, sie lebensgefährlich verletzt haben.

„Wie wenn er ein Lamm schlachtet“

Als „einen Hund“ hat seine 45 Jahre alte Ehefrau ihren Mann beim Haftrichter bezeichnet: „Ich habe ihn verflucht. Dass er für 200 Euro seine Familie zerstört.“ Ob er „wie von Sinnen“ war, fragt Verteidiger Hanisch. Sie verneint: „Wie wenn er ein Lamm schlachtet.“ In Berlin wohnt sie mittlerweile mit ihren Kindern. Ein Verwandter sagt, sie sei in Hattingen nicht mehr sicher gewesen, weil andere Kurden sie drängten, den Angeklagten nicht zu belasten. In einer Pause soll es auch im Gericht zu Tumulten gekommen sein. Richter Labentz ermahnte deshalb die Zuhörer, die Zeugen in Ruhe zu lassen.

Mehmet Ö. hat seit wenigen Tagen mit dem Braunschweiger Anwalt Erkan Altun einen zweiten Verteidiger. Obwohl Strafrechtler, zeigen seine Bemerkungen nicht immer Kenntnisse des Strafprozessrechtes. Auch die Verteidigungsstrategie scheint unklar. Anders als Verteidiger Hanisch deutet Altun im Prozess an, der Sohn könne vielleicht zuerst etwas Strafbares gemacht haben.