Hattingen. Weil er eine junge Frau belästigte und einen Jugendlichen mit dem Messer niederstach, steht ein 20-Jähriger Hattinger jetzt vor Gericht. Sein 16-Jähriges Opfer wollte dem Mädchen an einer Bushaltestelle zu Hilfe eilen.
Ein 20-Jähriger steht vor Gericht, weil er eine junge Frau belästigte und einen Jugendlichen mit dem Messer niederstach.
Ein 16-jähriger Hattinger wollte einer jungen Frau helfen und wurde selbst zum lebensgefährlich verletzten Opfer. Es war am Nachmittag des 12. Oktober vergangenen Jahres. Ein Betrunkener (19) soll das Mädchen an der Bushaltestelle Heggerfeld in Welper angeschrien und an der Brust berührt haben. Der Schüler lief zu ihr, versuchte die Weinende zu beruhigen, als der 19-Jährige ihm erst ein Messer von hinten an den Hals gesetzt und es ihm dann in den Rücken gestoßen haben soll. Der Schüler brach zusammen, ein Bein war sofort gelähmt. Zwei Monate verbrachte er in der Klinik. Der mutmaßliche Messerstecher steht seit gestern vor der Jugendstrafkammer des Essener Landgerichts. Er muss sich wegen versuchten Totschlags verantworten.
Schmal ist er und blass, mit einer Gehhilfe humpelt der Schüler langsam zum Zeugenstuhl. Seine Mutter sitzt im Zuhörerraum. Sie weint. Auch den 16-Jährigen bewegt es sichtlich, über jenen Nachmittag zu sprechen. Kurz vor der Tat hatte er mit Freunden in einem Jugendheim Tischtennis gespielt. Wegen des Lärms draußen war man aufmerksam geworden. Dann geschah das Entsetzliche: „ Bei jedem Herzschlag spürte ich das Blut aus dem Rücken“, sagt der Zeuge. Damals verlor er kurz darauf das Bewusstsein. Das Messer hatte ihn zwischen dem zehnten und elften Rückenwirbel getroffen.
Lückenhafte Erinnerung
Er trägt eine lange silberne Kette mit einem Kreuz vor der Brust. Gefühle sieht man dem jetzt 20-jährigen Angeklagten nicht an. Er hört unbewegt zu, verzieht keine Miene. Er spricht auch nicht. Das übernimmt seine Verteidigerin, selbst wenn er ansetzt zu reden, fällt sie ihm eilig ins Wort. Sogar die Entschuldigung beim Opfer läuft über die Anwältin. Zu Beginn gibt sie eine Erklärung für ihren Mandanten ab. Er räume die Anklagevorwürfe ein, heißt es darin. Nach reichlich Alkohol- und Drogengenuss, könne er sich „leider nur lückenhaft erinnern“. In eine „Lücke“ fällt der Messerstich. Bei der Polizei war es um seine Erinnerung noch weitaus besser bestellt.
Zum Schluss der Erklärung wünscht er sich über die Anwältin Hilfe. Er möchte eine Therapie und eine Lehre machen und „an sich arbeiten“. Die junge Frau, die er damals an der Haltestelle angemacht haben soll, war auch als Zeugin geladen. Sie schluchzt und klammert sich vor dem Saal an ihre Betreuerin. Sie ist nicht in der Lage, dem Angeklagten gegenüber zu treten und in seiner Gegenwart zu sprechen. Die Kammer wird sie an einem der drei folgenden Fortsetzungstermine im separaten Raum ohne den 20-Jährigen hören.