Hattingen. Runter vom Sofa, rein ins Henrichs! Comedy- und Ruhrpott-Fans hatten bei der Frühlingsausgabe der Nachtschnittchen in Hattingen viel zu lachen.

Mit einer Applaus-Messung checkt Comedian und Moderator Helmut Sanftenschneider die Bekanntheit seiner Talentshow der anspruchsvoll-hintersinnigen Comedy: Zahlreich war die Fangemeinde, die sich die Lachmuskeln aktivieren ließ. Das sind die Nachtschnittchen in Hattingen.

Tränen wurden gelacht, Staunen gab es allemal angesichts der vermeintlichen Transparenz bei Zauberticks, deren Ablauf Kalibo aber nur scheinbar langsam wie zum Mitschreiben für die Gäste vorexerzierte.

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Interaktiv performten die Barden der Satire, Comedy und Kleinkunst und breiteten die Lebenssituation von Gästen in der ersten Reihe – der Mitmach-Reihe – liebevoll schonungslos vor dem Publikum aus. Ulli und Dagmar aus Blankenstein waren mit ihrer 44-jährigen Ehe ebenso im Fokus der Spaßmacher, wie der 16-jährige Christoph aus Sprockhövel, für den die Comedians die Beziehung zur Ex-Freundin analysierten, gute Ratschläge für die Partnerschaft fanden. In den atemberaubenden zirzensischen Kunststücken von Andreas Wessels assistierte der junge Mann und würde für seine humorvolle Duldsamkeit mit einem Freigetränk belohnt.

Andreas Wessels bei der kultigen Ruhrgebietsshow Nachtschnittchen im Henrichs.
Andreas Wessels bei der kultigen Ruhrgebietsshow Nachtschnittchen im Henrichs. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

„Hier ist kein Fernsehen! Ich seh‘ Euch auch“, ironisierte Helmut Sanftenschneider die Körpersprache einiger Gäste, die abwartend und mit verschränkten Armen der Dinge harrten, die da kommen sollten. Dazu gehörte tatsächlich eine Runde „Bergmannswasser“. Tabletts mit kleinen Schnapspinnchen machten die Runde. Das Körnchen gehörte ebenso zum Programm der Nachtschnittchen und zum Ruhrgebiet wie das Steigerlied, in das die Gäste textsicher oder summend einstimmten. Das Schnittchenlied intonierte Helmut Sanftenschneider schließlich auf einer pinkfarbenen Ukulele.

Zauberei mit Messingbechern bei den Nachtschnittchen in Hattingen

Rauschebart, Undercut, Mini-Pferdeschwanz - Zauberkünstler Kalibo (Kai Oliver Borchers) stellte zu Beginn die Gemeinsamkeiten zwischen den Saarländern und den Ruhris heraus. „Wir laufen auch viel auf Koks“, sagte er und thematisierte selbstironisch das Thema Verantwortung in der Beziehung mit Blick Christoph in der Mitmach-Reihe. „Ich bin verheiratet. Ich bin es gewohnt, schuld zu sein!“

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Auch die Auszubildende Jasmin aus Essen zeigte Nehmerqualitäten, als Kalibo sie als Assistentin für seine Zauberei mit Messingbechern auf die Bühne holte. Zwischenzeitlich lachte sich der Zauberer selber über die Interaktion mit den Gästen schlapp. Besonders als er über sein freches Statement reflektierte: „Was bekommt man, wenn man einen Zeugen Jehovas mit einem Atheisten kreuzt? Jemanden, der sinnlos an die Türen klopft!“ rechtfertigt er die kleine Bosheit: Das ist politisch nicht korrekt, aber das ist meine Show“.

Bauer Brömmelkamp in Aktion.
Bauer Brömmelkamp in Aktion. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Gummistiefel, Arbeitsjacke, Filzhut, Arbeitshandschuhe - Bauer Heinrich Schulte-Brömmelkamp war direkt aus dem Kuhstall auf die Bühne gekommen und philosophierte über Bauernproteste als Familienveranstaltung. Die ländliche Idylle persiflierte er mithilfe seines Ford Granada, der im nördlichen Münsterland auch als Jahreswagen zu bekommen sei. Über die Mechanismen von „Bauer sucht Frau“ oder „Schwiegertochter gesucht“ landete der freche Landmann beim Thema „Silbereisen“ und sieht einen der Kaulitz-Brüder als designierten Traumschiff-Kapitän.

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Auch Daniela Katzenberger nahm er aufs Korn und schrieb ihr frech-ironische Zitate zu: „Wie soll ich wissen, was ich denke, bevor ich gehört habe, was ich sage?“ Darüber lachte sich das Publikum einmal mehr kringelig.

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Dem aus Thüringen stammenden charmant-brillanten Hünen Jonas Greiner lieferten Körpergröße und Heimat im Osten reichlich Stoff für die Reflexion geistlos-herablassender Kommentare wohlmeinender Mitmenschen, denen man nur mit der Waffe der Schlagfertigkeit begegnen könne. Er sei schon als Kind überdurchschnittlich spießig gewesen, habe beim Vater-Mutter-Kind-Spiel im Kindergarten das Jugendamt gespielt. Greiner freute sich über die Menschen, die an diesem Abend „im Schutz der Dunkelheit den Weg in eine Industrieruine gefunden hätten“ und parodierte einen WhatsApp-Chat zur Organisation eines Klassentreffens.

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Comedy und Akrobatik verband schließlich Andreas Wessels miteinander, füllte jonglierend ein Whiskyglas auf dem Kopf mit allen notwendigen Zutaten. „Luke auf!“ kommandierte er, und der Assistent aus der Mitmach-Reihe schnappte die gezielt geworfene Zigarette. Atemberaubend das Spiel mit Atemluft aus dem Mund geschossenen Tischtennisbällen, so dass auf dem Xylophon die „Ode an die Freude“ erklang.

Lautmalerische Experimente mit dem Tischtennisball führten zu ACDC, KISS und Herbert Grönemeyer. Lyrisch-hintersinnig verband Greiner schließlich große Namen klassischer Komponisten zu einer schlüpfrigen Story, die er dann kunstvoll und mit Zeilensprüngen versehen mit modernen Bandnamen fürs junge Publikum transkribierte.