Hattingen. Margarethe Bogumila Seipolt aus Hattingen hat mit ihrem Mann Marc Raddatz die Initiative Vor-Ort-Apotheken ins Leben. Wie es in 2024 weitergeht.
„Die Apotheken stehen vor dem Kollaps“, warnte die Apothekerin Margarethe Bogumila Seipolt aus Hattingen mit ihrem Mann schon im August 2023 in einer deutschlandweiten Petition „Perspektive für die Apotheke vor Ort – Streik Jetzt!“. In diesem Jahr wollten sie nicht mehr nur hinnehmen, sondern aktiv auf die Situation von Apotheken aufmerksam machen. „Seitdem ist alles noch schlimmer geworden“, sagt Seipolt.
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„Wenn jetzt auch noch die Apotheke light kommt, also eine Apotheke ohne approbierten Apotheker“, erklärt Margarethe Bogumila Seipolt, dann sehe sie ganz schwarz. Schon die geplanten Gesundheitskioske, die kommen sollen, würden eine Reduzierung der Qualität bedeuten. Mehr als ein Drittel der Apotheken seien in ihrer Existenz bedroht. Tendenz steigend.
Mein Jahr in Hattingen: Apothekerin zieht eine bittere Bilanz
Am Anfang des Jahres 2023 habe noch die Hoffnung überwogen. Die hat sich inzwischen in Frust gewandelt. Beim Streik der Apotheken hat auch die Apothekerin mit ihren Apotheken am Rathaus und an der Augusta-Straße mitgemacht. Ebenso bei der wachrüttelnden Postkartenaktion. „Aber der Streik war an einem Mittwochnachmittag, den hat kaum jemand bemerkt. Die Ärzte machen uns mit ihrem Streik zwischen den Feiertagen vor, wie es geht. Es muss weh tun“, sagt Margarethe Bogumila Seipolt.
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Seitens des Gesundheitsministers würden die Apotheker keine Wertschätzung erfahren. Die Apothekendichte würde abnehmen, besonders schlimm sei es auf dem Land. „Wir sind auf einem Stand wie in den 1970er-/1980er-Jahren.“ Die Reformen Lauterbachs schätzt sie schlicht als Absenkung der Qualität ein.
Margarethe Bogumila Seipolt: „Wir haben Kürzungen hinnehmen müssen.“
Im Jahr 2023 hätten die Apotheken Kürzungen hinnehmen müssen. „Und zwar machen die je nach Apotheke 5000 bis 10.000 Euro aus. Denn der feste Satz pro Medikament ist gesenkt worden.“ Dazu das: „Wir müssen den Großhändlern auch Fahrtkosten bezahlen.“ Die Kosten für die Logistik seien gestiegen. Der Mehraufwand durch Lieferengpässe schlage ins Kontor. „Es ist wirklich grotesk. Kein Wunder, dass Apotheker keine Nachfolger mehr finden.“
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Nach diesem Jahr der Rückschläge sei keine Besserung in Sicht. „Jetzt ist das E-Rezept da. Viele Kunden sind gar nicht aufgeklärt.“ Es gebe technische Probleme: „Manchmal erkennt das Programm ein Rezept nicht an, weil ein Bindestrich in einer Unterschrift nicht richtig ist.“ Dann müsse das Rezept zurückgehen an die Praxis. „Das ist nicht ausgereift.“ Mitnichten möchte sie das E-Rezept schlecht reden, es könne auf lange Sicht sinnvoll sein. „Aber eine Übergangszeit wäre gut gewesen.“ Und wenn die Server mal nicht funktionierten, dann stünden Apotheken wie Kunden schlecht da.
Im Januar stehen die nächsten Tarifverhandlungen an
Im Januar nun stünden die nächsten Tarifverhandlungen an. „Aber seit 20 Jahren sind unsere Honorare nicht angepasst worden, sie wurden im Gegenteil gekürzt.“ So könne man das Kerngeschäft nicht profitabel anbieten. Abgeschafft sehen möchten sie nach wie vor das sogenannte Retaxationsverfahren. Dabei fordert die Krankenkasse an die Apotheke gezahlte Vergütungen für die abgegebenen Arzneimittel zurück, wenn beispielsweise Arztunterschriften fehlen. „Mit dem E-Rezept laufen wir da in noch größere Probleme.“
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Margarethe Bogumila Seipolts bittere Bilanz: „Wir haben Rekordeinnahmen, uns um mehr als 30 Prozent und dennoch reicht es nicht.“