Hattingen. Die Tafel Hattingen fühlt sich schikaniert. Per Anwalt sollen Tafelkunden vom Nachbarhaus ferngehalten werden. Gespräche scheiterten.
Die Tafel in Hattingen steckt in einem Nachbarschaftsstreit. Sogar die Anwälte wurden mittlerweile eingeschaltet, weil Nachbarn sich von Tafelkunden gestört fühlen.
Zwischen 30 und 50 Menschen sind es, die sich täglich bei der Tafel in Hattingen mit Lebensmitteln versorgen. Seit etwas mehr als einem Jahr befindet sich die Ausgabestelle an der August-Bebel-Straße. Und recht bald begann der Ärger, berichten Tafel-Geschäftsführer Jürgen Sotzek und Vorstand Georg Fink.
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„Wir haben das Gefühl, dass wir hier weggemobbt werden sollen. Tag für Tag werden uns neue Steine in den Weg gelegt“, macht Sotzek klar. Zeichen sind für ihn zum Beispiel die plötzlichen Lebensmittelkontrollen. Er vermutet, die Tafel werde angeschwärzt. In 20 Jahren habe er nur drei oder vier Kontrollen gehabt. Allein im vergangenen Jahr seien es ähnlich viele gewesen: „Sie haben uns den ganzen Laden auf den Kopf gestellt.“ „Plötzlich müssen wir Warnungen aufhängen, dass die Lebensmittel nicht frisch sind - und zwar in kyrillisch, arabisch, englisch, deutsch. Wir haben uns umgehört: Das müssen andere Tafeln nicht“, sagt Georg Fink.
Der EN-Kreis bestätigt zwei Kontrollen - eine davon auf Grundlage einer Beschwerde. Daraufhin sollten Hinweise angebracht werden. Grundsätzlich haben die Kontrolleure aber nichts Negatives gefunden.
Über Dritte seien Beschwerden von Nachbarn an sie herangetragen worden, erklären Sotzek und Fink. Dabei ging es um Lärm und blockierte Parkplätze. Ein direktes Gespräch mit den Nachbarn habe es aber nie gegeben. Die hätten stattdessen einen Hausverwalter geschickt. „Aber ein Gespräch mit ihm war nicht möglich. Er hat sofort herumgebrüllt“, erinnert sich Sotzek.
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Nun liegt ein Schreiben eines Anwalts auf seinem Tisch. Adressiert ist der Brief an Dr. Bernd Weinbrenner, Besitzer des Hauses, in dem die Tafel untergebracht ist. Darin wird auf den „andauernden, unzumutbaren Zustand auf der Garagenhoffläche“ verwiesen. Stetig würden sich Menschen über längere Zeit auf dem Hof vor den Fenstern einer Arztpraxis aufhalten, in die Fenster schauen, Parkflächen mit ihren Autos blockieren und Abfall hinterlassen.
Kontakt und Probleme der Tafel
Die Tafel in Hattingen sitzt an der August-Bebel-Straße 21. Die Lebensmittelausgabe ist am Montag, Mittwoch und Freitag jeweils von 11.30 bis 12.30 Uhr. Zudem gibt es drei Außenstellen: in der Kirche Heilig Geist in Winz-Baak (dienstags 11-12 Uhr), im Paul-Gerhard-Haus in Welper (mittwochs 11-12 Uhr) und in der Grundschule Haßlinghausen (freitags 11-12 Uhr). Derzeit können die Außenstellen nur alle drei Wochen geöffnet werden. Erreichbar ist die Tafel über info@hattingertafel.de.
Weiterhin gilt ein Aufnahmestopp für Bedürftige. Denn die Lebensmittelspenden sind drastisch gesunken. „Früher bekamen wir 1400 Rewe-Tüten, dieses Jahr waren es 200“, macht Tafel-Geschäftsführer Jürgen Sotzek deutlich. Händler verkauften die Produkte inzwischen lieber selbst zum halben Preis. Auch die Qualität der Spenden habe nachgelassen. So steigen auch die Kosten für die Tafel. Im Monat muss der Verein knapp 1000 Euro für die Müllentsorgung zahlen. Würden Bürger Teile des Biomülls nicht z.B. für die heimischen Hühner abholen, wäre es noch mehr, betont Vorstandsmitglied Georg Fink.
„Es haben viele Leute auf unserem Parkplatz gewartet, zum Teil mit Autos Plätze blockiert, sich laut unterhalten und geraucht“, bestätigt Zahnarzt Dr. Rupert Rottenegger, der seine Praxis im Nachbarhaus hat. Er spricht von „leichten Beeinträchtigungen“, die Physiotherapiepraxis im Erdgeschoss sei mehr betroffen. Für eine Erläuterung der Situation war diese auf WAZ-Nachfrage nicht zu erreichen. Der Hausverwalter betont, man habe alles unternommen, um Gespräche mit dem Eigentümer Dr. Weinbrenner zu führen - erfolglos.
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Von zugeparkten Plätzen durch Kunden wollen die Tafelverantwortlichen nichts wissen. Bei einer eigenen Lautstärkemessung habe man zudem keinen Lärm feststellen können. Und: „Wir haben ja höchstens eine Stunde Kundenverkehr am Tag“, unterstreicht Sotzek. Fest steht, dass Weinbrenner an seinen Mietern festhalten will und sie weiter unterstützt.
Inzwischen leitet die Tafel ihre Kunden auf der anderen Hausseite durch eine Garage auf den Hinterhof zur Lebensmittelausgabe. Die hat vorher ein anderer Mieter des Hauses genutzt und extra für die Tafel geräumt. Den Zugang über den Hof der Nachbarn hatten die Tafelmitarbeiter schon vor dem anwaltlichen Schreiben abgesperrt und hoffen, dass nun wieder Frieden einkehrt.
Auch Zahnarzt Rupert Rottenegger betont, er habe nichts gegen die Leute, unterstütze die Tafel im Gegenteil und habe selbst schon Zahncreme gespendet. Aus seiner Sicht sind die Probleme erledigt. Dass das alle so sehen, hoffen auch die Helfer der Tafel.
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