Hattingen. Die Zweigstelle Winz-Baak der Tafel in Hattingen gibt es seit 18 Jahren. Heute kämpfen die Ehrenamtlichen mit Lebensmittelengpässen und Nörglern.

Die Ausgabestelle der Tafel in der Gemeinde Heilig-Geist in Winz-Baak wird volljährig. Die Vorräte sind knapp, deshalb versuchen die ehrenamtlichen Helfer das Chaos unter den Wartenden in den Griff zu bekommen. Und trotz Undankbarkeit und Nörgelei machen sie weiter.

„Genau heute vor 18 Jahren habe ich hier ehrenamtlich angefangen“, sagt Annette Winkelhardt. Sie steht – wie an jedem Dienstag – in den Räumen am Hof unterhalb der Kirche und verteilt Essen. Und sie geht am 31. August ganz offiziell in Rente. „Ich mach’ aber weiter“, verspricht sie.

Viel hat sich geändert in den knapp 20 Jahren. Bewegte Zeiten hat es vor allem in und seit der Corona-Pandemie gegeben. „Die Tafel-Idee kam auf, als es vor 18 Jahren eine Fortbildung gab und sich dort eine Mitarbeiterin hat inspirieren lassen, auch bei uns Lebensmittel anzubieten.“ Die Tafel in der Stadtmitte gab es da schon länger.

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Als dann die ersten Ausgaben in Winz-Baak stattfanden – wie heute noch einmal in der Woche dienstags von 11 bis 12 Uhr – seien maximal drei bis vier Bedürftige gekommen. Das waren in der Regel ältere, alleinstehende Damen oder Kranke. Damals wurden auch belegte Brötchen und Kaffee ausgegeben, so wie viele Jahre danach noch.

Mittlerweile werden die Sachen in stabile Obstkisten gepackt

Das hat man mittlerweile eingestellt, „weil es eine große Schufterei war“, sagt Marlis Freisewinkel, die mit jetzt 76 Jahren auch schon seit 15 Jahren ehrenamtlich dabei ist. Die Tische mussten jedes Mal nach draußen geschleppt werden und hinterher wieder ins Haus. Das war dann wirklich zu viel.

Die Tafel im Stadtteil Winz-Baak wird volljährig. Zur Feier des servieren Annette Winkelhardt und Hans Georg Rinke einen Imbiss.
Die Tafel im Stadtteil Winz-Baak wird volljährig. Zur Feier des servieren Annette Winkelhardt und Hans Georg Rinke einen Imbiss. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Jahrelang lief es immer nach dem gleichen Schema. Die Nebenstelle bekam die Lebensmittel von der Tafel in Stadtmitte und verteilte sie dann weiter. Mittlerweile werden die Sachen in stabile Obstkisten gepackt. In jede Kiste kommen die gleiche Sachen. Im Normalfall sind das Eier und Obst, Nudeln und Reis, Yoghurt, Brot und Toilettenpapier.

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Seit vielen Jahren ist auch als großzügiger Spender immer die Bäckerei Thiele mit dabei. Sie gibt Brötchen und Kuchen, der dann zusammen mit einem Kaffee draußen im Hof genossen werden. „Bisher haben wir immer Glück gehabt mit dem Wetter. Es hat nie geschüttet wie aus Kübeln, höchstens mal genieselt. Sonst hätten wir tatsächlich auch ein echtes Platzproblem.“

Aber die Mitglieder sind wirklich großzügig

Aber dann kam der harte Einschnitt mit Corona. „Da war erst einmal Pause, wir konnten längere Zeit gar keine Lebensmittel mehr ausgeben“, erzählt Annette Winkelhardt. Dann ging es langsam wieder los. Aber der Normalfall, so wie er vor der Pandemie war, ist bis heute nicht mehr eingetreten. Denn nach Corona kamen die Preissteigerungen. Das hatte zur Folge, dass die Discounter, die über Jahre bereit waren, viele Lebensmittel abzugeben, auf einmal einen Weg für sich entdeckten und selber Tüten anboten, die für kleines Geld verkauft werden. Also blieb oft nichts mehr für die Tafel.

Preise und Wert der Tafelkisten

„Ich mache die ehrenamtliche Arbeit, weil es mit einfach Spaß macht“, sagt Annette Winkelhardt, die von Anfang an dabei ist. Zusammen mit der verstorbenen Anette Cronauge baute sie den Betrieb auf. In einer Kiste sind jeden Dienstag immer Lebensmittel im Wert von circa 17 Euro. Die Personen, die sich den Inhalt einer Kiste holen, bezahlen dann aber nur drei Euro für alles.

Die Außenstelle der Hattinger Tafel befindet sich am katholischen Gemeindezentrum Heilig Geist an der Denkmalstraße in Winz-Baak. Die Ausgabe ist jeweils dienstags von 11 bis 12 Uhr.

„Von August bis Oktober 2022 wurden wir von der Tafel in Stadtmitte gar nicht mehr beliefert, weil auch sie nicht mehr genügend Ware zur Verfügung hatte. Also sind wir hingegangen und haben von unseren Spenden, die wir von Gemeindemitgliedern bekommen, selbst Lebensmittel eingekauft. Wir hatten extra zu Spenden aufgerufen, sonst hätten wir das nicht stemmen können. Aber die Mitglieder sind wirklich großzügig. Ich schaue dann morgens direkt in die Prospekte, wo es Angebote gibt, und schlepp’ die Sachen heran.“

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Ausweise müssen alle vorzeigen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen, dass die Menschen tatsächlich bedürftig sind. Auch da hat sich viel geändert. „Während der Flüchtlingswelle 2015/2016 kamen sehr viele Geflüchtete zu uns und holten sich Essen.“ Die Zahl der Personen, die die Hilfe in Anspruch nehmen, sei immer größer geworden.

„So groß, dass wir jetzt die Anzahl begrenzen mussten, weil wir mehr einfach nicht mehr leisten können“, erzählt Annette Winkelhardt. 27 Personen können maximal bedient werden, dann ist Schluss.“ Dank der Hilfsbereitschaft des früheren Hausmeisters verfügt die Tafel mittlerweile über zwei Kühlschränke. So sind die Mitarbeiter in der Lage, mehr von Lebensmitteln einzukaufen, die schnell verderblich sind.

Und einen Geburtstagskuchen gab es natürlich auch.
Und einen Geburtstagskuchen gab es natürlich auch. © FUNKE Foto Services | Dirk A. Friedrich

Die ehrenamtlichen Helfer sind irgendwann dazu übergegangen, Nummern auszugeben. Denn es gibt immer einige, die wollen die Ersten sein. Und das führt dann zu chaotischen Zuständen. Manche sind schon weit vor der Ausgabezeit vor der Türe und warten, weil sie immer die Startnummer eins haben wollen.

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Was die Dankbarkeit der Bedürftigen anbetrifft, so halte sie sich leider in engen Grenzen, sagen die Mitarbeiter. Es gebe bei all der Großzügigkeit und der vielen ehrenamtlichen Arbeit immer noch sehr viele, die ständig etwas zu nörgeln hätten, denen man es nicht recht machen kann. Das sei tatsächlich schwer zu verstehen.

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Das hält allerdings die fleißigen Helferinnen und Helfer nicht davon ab, sich weiterhin für die Tafel einzusetzen. So schnell lassen sie sich nicht abschrecken. „Ich hab’ ein großes Herz“, sagt die Mutter von zwei Kindern, die nicht daran denkt, mit der ehrenamtlichen Arbeit aufzuhören. Denn Annette Winkelhardt arbeitet, wie auch Marlis Freisewinkel, neben der Tafel-Arbeit noch an anderen Stellen. Ohne Geld dafür zu bekommen.