Hattingen. Der mutmaßliche Schmuckdieb beteuert seine Unschuld, die Geschädigte will ihn auf Facebook erkannt haben. Der Prozess am Amtsgericht Hattingen.
War es die Tante, die der wegen Diebstahls Angeklagte besuchen wollte oder war es Maria? Oder war Maria die Tante? Verwirrung pur herrschte nun in einem Prozess um Schmuckdiebstahl, in den Richter Johannes Kimmeskamp Klarheit bringen wollte. Doch bis zum Schluss blieben Rätsel.
Der 53-jährige Italiener auf der Anklagebank beteuert vor Gericht seine Unschuld. „Ich habe überhaupt nichts getan“, erklärt er.
Es war der 11. Januar 2023 gegen 12 Uhr mittags, als eine 82-Jährige Papier zum Container bringen wollte. Im Zeugenstand des Gerichtes erzählt sie, was dann geschah: „Ich war auf dem Rückweg zur Wohnung, als mir ein Mann entgegenkam. Er ging dann hinter mir her in den Hausflur, die Treppe hoch bis zur Wohnungstür. Er hatte eine Jacke mit, die er Maria zurückbringen wolle, sagte er.“
Dieb schnappt sich ein Schmuckkästchen – und weg ist er
Als die alte Dame ihre Wohnungstüre aufschließt, geht alles ganz schnell. Der Unbekannte stößt sie nach vorne, geht schnurstracks auf ihr Schlafzimmer zu, macht die Türe auf, schnappt sich ein Schmuckkästchen – und weg ist er wieder.
„Erst danach hab’ ich bemerkt, dass er mir auch meine Kette vom Hals gerissen hat, denn die war nicht mehr da“, sagt die 82-Jährige.
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Ob sie geschrien habe, will Richter Johannes Kimmeskamp wissen. „Nein, es ist ja um die Uhrzeit niemand im Haus. Die sind ja alle arbeiten“, erzählt die Geschädigte. Sie sei dann völlig aufgelöst sofort zu der italienischen Nachbarin Maria gegangen.
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„Wie hoch schätzen Sie denn den Schaden?“ will der Richter wissen. Das kann die 82-Jährige absolut nicht sagen. Die Kette, die sie trug, war ein Geschenk, ansonsten hatte sie all’ ihren Schmuck immer in den Schmuckkasten gelegt.
Nachbarin hat auf einer Facebook-Plattform vom Angeklagten Foto gemacht
Der 59-jährigen Nachbarin Maria erzählt sie aufgeregt, was ihr gerade passiert ist. Die Nachbarin sagt sofort, sie könne sich vorstellen, wer das getan hat und zeigt der 82-Jährigen ein Foto, das sie auf einer Facebook-Plattform vom Angeklagten gemacht hat.
„War der das?“ fragt sie die Geschädigte. „Ja, das war er“, sagt diese.
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Die Polizei, die noch am selben Tag zweimal bei dem Opfer war und auch Fingerabdrücke von der Schlafzimmertür genommen hat, findet allerdings keine aussagekräftigen Spuren. Auch von einem italienischen Akzent des Diebes zur Tatzeit hat die alte Dame nichts erzählt.
Ob der Täter eine Maske getragen hat, will der Anwalt des Angeklagten wissen. Das verneint die 82-Jährige. Bei der Polizei hatte sie das aber angegeben.
Auch fragt der Anwalt des Angeklagten, warum die Polizei von Schwester schreibt, ein anderes Mal aber von Tante die Rede ist.
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Klar wird, dass vor Jahren einmal die Schwester der Zeugin Maria in demselben Haus gewohnt hat. Der Angeklagte weist darauf hin, dass in Italien ältere Menschen gerne als Tante bezeichnet werden, auch, wenn es kein verwandtschaftliches Verhältnis gibt.
Hat Anwalt des Angeklagten auch die Söhne der Zeugin als mögliche Täter im Visier?
Der Anwalt will von Zeugin Maria, die zwei erwachsene Söhne hat, wissen, ob ihre Kinder in der Nähe der alten Dame wohnen. Sie bejaht es. Das legt den Verdacht nahe, dass der Anwalt auch die Söhne der Zeugin als mögliche Täter im Visier hat.
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Anwalt und Richter interessiert zudem, wie die Nachbarin Maria darauf kommt, nach so einem Diebstahl sofort den jetzt Angeklagten zu verdächtigen und ein Foto von ihm zu zeigen, das sie von Facebook aufgenommen hat. Die Frage bleibt unbeantwortet.
Angeklagter steht unter Betreuung, versteht komplexe Zusammenhänge nicht
Der Anwalt schildert, dass sein Mandant unter Betreuung steht, komplexe Zusammenhänge nicht versteht, unter depressiven Episoden leidet und COPD hat.
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Richter Kimmeskamp stellt klar, dass er nicht den geringsten Zweifel hat, dass sich der Diebstahl so zugetragen hat, wie das Opfer es geschildert hat. Aber, wer der Täter ist – wer weiß es?
„Im Zweifel für den Angeklagten“ konnte die Lösung so nur heißen. Die Verhandlung endet mit einem Freispruch.