Hattingen. Dieter Kleffner wünscht sich mehr Rücksicht auf Sehbehinderte. Der blinde Autor aus Hattingen beklagt unter anderem Hundehaufen im Stadtgebiet.
„Viele Menschen können heute mit dem Thema Sehbehinderung oder Blindheit nicht mehr gut umgehen“, sagt der Hattinger Autor Dieter Kleffner. Das bedauert er. Er wünscht sich mehr Rücksicht auf Sehbehinderte. Und noch etwas anderes stört ihn in der Stadt.
Blinde und Sehbehinderte seien inzwischen seltener im Stadtbild zu sehen, sagt Kleffner. Der medizinische Fortschritt habe neue Behandlungen ermöglicht, beispielsweise für den sogenannten Grauen Star. Der seltener werdende Umgang hat indes Folgen. Zwar sei das junge Personal beim Arzt nett und hilfsbereit, wie Kleffner betont, jedoch im Umgang mit ihm nicht immer sicher. Das zwingt ihn dazu, sich immer wieder erklären zu müssen.
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Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt
Im neuen Buch „Abenteuerliche Anekdoten blind erlebt“ berichten insgesamt zwanzig blinde Autoren aus ihrem Alltag – darunter auch der Hattinger Dieter Kleffner.
Dabei ist Kleffner nicht nur Herausgeber, er steuert auch eigene Geschichten bei, beispielsweise über eine Wanderung nahe am Abgrund einer Schlucht.
Die 168 Seiten starke Anthologie ist im Edition Paashaas Verlag erschienen und ist sowohl gedruckt als auch digital erhältlich. ISBN: 978-3-96174-131-1, 11,95 Euro.
Für die Orientierung in der Praxis, sagt Kleffner, reiche es, wenn jemand nebenher gehe und ihm den Ellbogen anbiete. „Aber manche Menschen kommen an und fassen einem direkt unter den Arm. Denen muss ich erklären, dass ich nicht gleich umfalle und auch nicht gestützt werden muss.“ Einen Vorwurf macht er aber niemandem, es handle sich um Erfahrungsmangel.
Heute etwa gibt es Hilfen durch moderne Vergrößerungssoftware am Computer
Sehbehindert, so Kleffner weiter, sei man übrigens schon, „wenn man auf dem besseren Auge mit Korrektur weniger als 30 Prozent sieht“. Eine hochgradige Sehbehinderung beginnt bei etwa fünf Prozent Sehstärke. Dann ist man auf Hilfsmittel angewiesen. Heute etwa gibt es Hilfen durch moderne Vergrößerungssoftware am Computer und mittlerweile auch Apps, die einem das Sehen erleichtern: „Seeing AI“ von Microsoft und „Be My Eyes“. Seeing AI interpretiert per künstlicher Intelligenz das, was die Handykamera sieht. Bei „Be My Eyes“ können sich Sehende und Sehbehinderte anmelden. Wenn ein Sehbehinderter nicht mehr weiter weiß, hält er die Kamera in Richtung seines Problems. Das Bild wird dann auf das Gerät eines sehenden Nutzers übertragen, der erzählt, was er sieht.
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Es gebe aber auch analoge Möglichkeiten, sich zu orientieren, betont Dieter Kleffner. Weiße Begleitstreifen an Kreuzungen und auf Gehwegen etwa weisen sehbehinderten Menschen den Weg. Gänzlich erblindete Menschen, bei denen das „Licht aus“ ist, wie der Autor es nennt, benötigen allerdings Hilfe, wenn sie unbekanntes Terrain beschreiten.
Sehbehinderte können Schemen oder Schatten erkennen
Sehbehinderte hingegen, die Schemen oder Schatten erkennen können, können sich „Strecken erarbeiten“, so Kleffner. Sie haben ein Anrecht auf die Unterstützung eines Mobilitätstrainers, der Wege mit ihnen einübt. „Wenn wir rausgehen würden, würde ein Mobilitätstrainer sagen: ,So, wir gehen jetzt links, dann kommen fünf Stufen nach unten. Wenn man geradeaus weitergeht, läuft man auf eine Hecke zu. Ein bisschen weiter rechts fängt dann der Bürgersteig an.’“ Bei diesen Trainings wird auch das Pendeln mit dem Stock vermittelt.
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Kleffner ist nicht von Geburt an blind. Er ist an Grünem Star erkrankt, hat sich durch diverse Operationen Zeit erkämpft. Mittlerweile ist aber „das Licht aus“.
Mitte der 80er Jahre hatte sich seine Sehkraft bereits arg verschlechtert
Mitte der 80er Jahre hatte sich seine Sehkraft bereits arg verschlechtert. Weil er und seine Frau eine Wohnung schräg gegenüber seines Arbeitsplatzes ergattern konnten, ist er damals noch allein zur Arbeit gelaufen. „Meistens ist den Leuten das gar nicht aufgefallen.“ Und wenn der Fensterputzer seinen Eimer in der Einfahrt stehen ließ und er dagegen trat, dachten manche, er hätte schlechte Laune.
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Auch heute trifft Kleffner auf seinen Spaziergängen immer wieder auf Hindernisse – allerdings sind die meist tierischer Natur. Wenn er mit seiner Frau oder Bekannten seine Lieblingsstrecke läuft, muss er etwa über die „Rue de Kack“. So nennt er die Turmstraße in Niederwenigern. Die sei für Blinde normalerweise gut zu laufen, wenn sie nicht so „vermint“ wäre. „Alle zehn Meter liegt da ein dicker Hundehaufen.“ Erst kürzlich sei ein Freund, der Kleffner geführt hat, in einen reingetreten. „Der hat sich sowas von geärgert. Passt für mich auf, und tritt selber rein“, so Kleffner – und lacht angesichts dieser Ironie.