Hattingen/ Bochum. Ein Polizist aus Hattingen steht vor Gericht. Körperverletzung im Amt lautet die Anklage. Die Videos der Bodycam liefern Beweise für den Prozess.

Als „übermäßige Reaktion des Beamten nach übermäßigen Beleidigungen“ wertete René Bungardt, Richter am Landgericht Bochum, die Tat eines Hattinger Bundespolizisten. Der 45-Jährige musste sich wegen die Körperverletzung im Amt vor Gericht verantworten. Als Beweis dienten Aufnahmen der Bodycam.

Bei einer ersten Verhandlung vor gut einem Jahr wollte der Richter das Verfahren gegen eine Auflage einstellen. Damit war aber die Staatsanwaltschaft nicht einverstanden, die eine Verurteilung forderte. Außerdem sollte der Geschädigte selbst gehört werden, der aber zunächst nicht aufgefunden werden konnte – bis jetzt.

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Jetzt wurden noch einmal die beiden Videos gezeigt, die während des Einsatzes von einer Bodycam der Polizisten aufgenommen worden waren:

Am 4. Dezember 2021 hatte der Bundespolizist zu Beginn der Nachtschicht um kurz nach 19 Uhr einem betrunkenen Obdachlosen im Bochumer Hauptbahnhof einen Platzverweis erteilt, weil er rumgepöbelt haben soll. Zur Vermeidung weiterer Straftaten wurde er auf die Wache mitgenommen. Bis dahin verlief noch alles relativ ruhig.

Unterwegs allerdings schimpfte und beleidigte der Obdachlose ständig den Beamten mit üblen Schimpfwörtern. Unter anderem warf er dem Polizisten an den Kopf, er solle sich „seine Machtgeilheit sparen. Lutscher. Halt’s Maul Digger“, schleuderte der Mann dem Bundespolizisten entgegen. Auf der Wache angekommen, wurde er in einer Schleuse durchsucht, genauso wie sein Rucksack. „Wir fanden eine Zwille mit Metallgeschossen und ein Messer“, sagt der Angeklagte. Der Aufforderung, er möge sich auf eine Bank setzen, kam der Obdachlose nicht nach, sondern stieß immer wieder Drohungen aus.

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Aus den beiden Videosequenzen geht hervor, dass sich der Obdachlose weiter deutlich renitent verhielt. Zunächst stieß der Angeklagte ihn daraufhin mit beiden Händen zurück, so dass er auf eine Bank fiel. Als er dann aber wiederum aufstand, versetzte ihm der Hattinger Bundespolizist einen Tritt, schlug zweimal in Richtung Gesicht. Ob er getroffen hat, konnte man auf den Aufnahmen nicht feststellen.

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„Ich musste von einem Angriff auf mich oder meine Kollegen ausgehen, deshalb habe ich mich so verhalten“, sagte der Angeklagte. „Dann brachte ich ihn zu Boden und fesselte ihn“, schilderte der Polizist die Sequenzen, die man auch auf den Videos sehen konnte.

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Übrigens wurde die Anzeige gegen den Hattinger Polizisten auf Initiative der Polizei selbst gestellt. Beim Betreten der Bundespolizeiwache war zunächst die Körperkamera ausgeschaltet worden. „Das habe ich nicht gemacht, um etwas zu verbergen, sondern das war damals die Dienstanweisung“, sagt er. Ein anderer Kollege schaltete dann seine Bodycam wieder ein und nahm die Szenen auf – entgegen der Dienstanweisung. Inzwischen ist die Anweisung geändert: „Mittlerweile soll und muss man die Kameras wieder eingeschaltet lassen.“

Richter Bungardt stellte fest, dass der Tritt und die beiden Schläge nicht angemessen waren. „Massiv sind sie jedenfalls nicht gewesen.“ Manchmal wundere man sich aber, welche Kraft Menschen haben, von denen man das oft nicht glaubt, sagte er. Das Schöffengericht kam zu dem Schluss, das Verfahren gegen die Zahlung von 1200 Euro an den Weißen Ring vorläufig einzustellen. Diesen Entschluss trugen jetzt auch der Staatsanwalt und der Angeklagte mit.

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