Hattingen. Sophia Blanke (21) arbeitet im Service im Haus Kemnade in Hattingen. Morgen (27.6.) zeigt der TV-Sender Vox sie erneut mit Starkoch Tim Mälzer.
Den Praktikumsvertrag mit Sophia Blanke (21) hat Gastronom Heinz Bruns, Inhaber des Restaurants Haus Kemnade, gerade erst wieder verlängert – aus rechtlichen Gründen, sagt er, gehe das immer nur für jeweils drei Monate. Aber er betont: Die junge Frau aus Bochum mit Trisomie 21 (Down-Syndrom) „kann bei uns bleiben, so lange sie will“.
Sophia deckt im Haus Kemnade in Hattingen Tische ein begrüßt die Gäste
Seit Oktober arbeitet Sophia Blanke in seinem Betrieb im Service. Deckt Tische ein, dekoriert, begrüßt die Gäste, begleitet sie zu ihrem Platz, bringt ihnen die Speisekarte und bedient sie. Küchenarbeiten hingegen seien für die junge Frau motorisch kritisch, erläutert Heinz Bruns. Auch das selbstständige Arbeiten sei nach wie vor schwierig. Aber Sophia könne eine ganze Menge. „Routinearbeiten“, lobt ihr Chef, „macht sie sehr routiniert.“
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Manche seiner Kolleginnen und Kollegen, weiß Bruns, hätten Sorge, dass Menschen mit einer Behinderung den Belastungen in der Gastronomie nicht standhalten würden. Er aber sagt: „Sie verdienen es, unterstützt zu werden.“
Schnell davon überzeugen lassen, Sophia Blanke als Praktikantin einzustellen, hat sich der Haus-Kemnade-Chef, als er die junge Frau im vergangenen Jahr persönlich kennenlernte.
TV-Produktionsfirma fragte nach Praktikumsplatz für Menschen mit Down-Syndrom
Die Produktionsfirma der Ende 2022 auf Vox ausgestrahlten TV-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch – eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer“ hatte bei der Dehoga Westfalen angerufen, wo er Vizepräsident ist. Sie fragte nach einem Praktikumsplatz für einen Menschen mit Down-Syndrom, der bei der Sendung dabei ist. In dem Projekt wurden 13 Menschen, die das Down-Syndrom haben, an den Restaurant-Service und die Arbeit in der Küche professionell herangeführt. Bruns, der eine Cousine mit Down-Syndrom hat, war neugierig. Aber er wollte auch „wissen, was auf mich zukommt“.
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Also fuhr Heinz Bruns nach Kirchzarten in den Schwarzwald zum Hofgut Himmelreich, einem inklusiven Unternehmen, in dem gedreht wurde. Mittags kam er an, wurde im Restaurant von Sophia bedient, wechselte erste Worte mit ihr. „Es war der letzte Drehtag. Alles war hochemotional. Ich war total geflasht.“
„Zum Schwarzwälder Hirsch – Ein Jahr danach“
TV-Koch Tim Mälzer und Schauspieler André Dietz sind 2022 mit 13 jungen Menschen mit Down-Syndrom angetreten, um zu beweisen: dass diese ausbildungsfähig sind.
Einen Monat lang arbeiteten sie in einem Restaurant möglichst selbstständig in den Bereichen Service und Küche – eine große Aufgabe, die zeigen sollte, wozu die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit der notwendigen Unterstützung fähig sind und was es braucht, um sie fit für den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu machen.
Die mit zwei Grimme-Preisen ausgezeichnete TV-Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch – eine außergewöhnliche Küchencrew und Tim Mälzer“ zeigte die Entwicklungen.
Nun, ein Jahr nach dem Projekt, zeigt der TV-Sender VOX, wie es der außergewöhnlichen Küchencrew, die nach drei Monaten intensiver Ausbildung ein Restaurant betreiben konnten, heute geht – in der Doku „Zum Schwarzwälder Hirsch – Ein Jahr danach“ (27. Juni, 20.15 Uhr).
Wieder daheim, nahm er Kontakt zu Sophia Blankes Eltern auf und führte Gespräche mit dem Träger. Nach einigem Hin- und Her begann die junge Frau im Haus Kemnade dann am 1. Oktober ihr Praktikum. Immer mittwochs, donnerstags und freitags arbeitet sie dort, von 10 bis 16 Uhr, weil es dann im Restaurant etwas entspannter ist. An den anderen Tagen, so Bruns, besucht sie die Werkstatt für behinderte Menschen in Bochum.
Haus-Kemnade-Inhaber sagt, Sophia sei ein echter Sonnenschein
Heinz Bruns wollte Sophia Blanke in seinem Betrieb eigentlich eine Ausbildung ermöglichen. Aber im Gespräch mit dem Arbeitsamt habe er erfahren, „dass Menschen mit Behinderungen, die gefördert werden, zunächst geprüft werden. Und dabei hat man dann festgestellt, dass eine Ausbildung für Sophia nicht möglich wäre“, bedauert er.
Positiv seien derweil die Reaktionen der Gäste auf Praktikantin Sophia, sagt Heinz Bruns. Die sei ohnehin ein echter Sonnenschein. „Ich habe schon viel mit ihr lachen können.“
Auch regelmäßig umarmt werde er von ihr – ein Zeichen, dass sie ihren Chef mag. Erfahrungen, die Heinz Bruns nicht mehr missen möchte. Wie auch nicht die WhatsApps, die er zurzeit regelmäßig von seiner Praktikantin erhält: Sophia Blankes tägliche Grüße aus ihrem Urlaub.