Hattingen. Die „Spaziergänger“ in Hattingen stehen verstärkt in der Kritik. Jetzt liegen Anzeigen wegen Nazi-Parolen vor – und der Staatsschutz ermittelt.
Die Beschwerden über die „Spaziergänger“-Demos am Montagabend halten weiter an. Anwohner ärgern sich vermehrt über die Lautstärke und die Parolen, die dort zu hören sind. Inzwischen liegen der Essener Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen Aussagen derer vor, die zu den Kundgebungen aufrufen. Der Staatsschutz hat sich eingeschaltet.
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Staatsanwaltschaft bestätigt Anzeigen gegen „Hattingen denkt anders“
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Essen bestätigt, dass mehrere anonyme Anzeigen gegen die Gruppe „Hattingen denkt anders“ vorliegen, die zu den Aktionen aufruft. Auf ihrem Telegram-Kanal im Internet sollen Parolen von NS-Organisationen, der Hitler-Jugend und der SA, aufgetaucht sein. Der Hagener Staatsschutz hat sich inzwischen eingeschaltet. Laut Aussage eines Sprechers sei in zwei Fällen gegen das Verbot verstoßen worden, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu verwenden. „Das ist ein originelles Staatsschutzdelikt.“
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Nach Erkenntnissen der Redaktion hat ein Informant die Ratsfraktionen über die Anzeigen in Kenntnis gesetzt. Zugleich wirft der Verfasser in seiner Mail die Frage auf, ob nicht die Stadt rechtlich gegen die Aussagen der Gruppe vorgehen will.
WAZ-Leser schreiben: „Der Lärm ist kaum noch zu ertragen“
Anlieger schreiben der WAZ-Redaktion, dass „der Lärm kaum noch zu ertragen“ ist. Die Demonstranten ziehen regelmäßig mit Trommeln und Megafonen durch die Innenstadt. Angeblich sei doch die Lautstärke begrenzt. Das könne er kaum glauben, formuliert ein Leser und hat offensichtlich noch den Krach von der jüngsten Demo im Ohr.
Veranstalter der Demos nicht klar ersichtlich
In einer Anzeige, die er Staatsanwalt Essen vorliegt, wird bemängelt, dass der Veranstalter der „Hattinger Spaziergänge“ an den Montagabenden in den Aufrufen, vor allem auf Plakaten, nicht ersichtlich sei.
Damit liege zwar ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vor, so eine Sprecherin der Justizbehörde. Jedoch handele es sich nicht um eine Straftat, noch um eine Ordnungswidrigkeit. Daher werde dazu auch nicht weiter ermittelt.
Mag auch unklar bleiben, wer nun die Demos veranstaltet, kennt die Polizei den Anmelder der Kundgebung. Dessen Namen darf sie aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht öffentlich nennen,
Eine Nachbarin kommt in einem Brief zu dem Schluss: „Jetzt reicht es mit der wöchentlichen Montagsdemo“, wobei sie sich ausdrücklich hinter das Recht auf Demonstrationen stellt. Doch was dann in ihrem Schreiben folgt, lässt sich unter der Überschrift zusammenfassen: „Bei allem, was recht ist: Nun ist endgültig genug.“
Einsatzkräfte bekommen Kritik von Passanten zu hören
Denn die allwöchentlichen Kundgebungen verängstigen aufgrund ihres Lärms, so die Verfasserin, insbesondere die Kinder. Aber nicht nur sie seien die Leidtragenden. Das aggressive Getrommel könnten auch Hunde überhaupt nicht haben, vor allem, auch weil die Vierbeiner ein noch viel feineres Gehör hätten, erklärt die Hattingerin. Lärm von Kindern würde sie durchaus ertragen wollen, betont sie. Aber die andauernden Demos haben dazu geführt, dass bei ihr mittlerweile die Nerven blank liegen.
Wenn die Akteure unbedingt protestieren wollten, dann doch bitte nicht so oft. „Einmal im Monat von einer Polizeieskorte, mit Steuergeldern bezahlt, genügt.“ Die Polizei könnte sich auch gut vorstellen, die Kräfte anderswo einzusetzen, sagt Sonja Wever, Sprecherin der EN-Kreispolizeibehörde. Doch es gebe nun mal das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Und Einsatzkräfte seien entsprechend vor Ort.
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Wie viele Polizisten Montag für Montag den Abend in Hattingen verbringen, will sie aus dienstrechtlichen Gründen nicht preisgeben. Sie lässt aber durchblicken, dass die Beamten von Passanten und Anwohnern in jüngster Zeit häufiger Kritik an den Demos zu hören bekommen haben. Auch auf der Wache in Hattingen wisse man von dem Unmut, offiziell sei aber in jüngster Zeit nur eine Beschwerde eingegangen.
Anzeige wegen verfassungsfeindlicher Parolen
Heiko Koch von der Hattinger Fachstelle „Partnerschaft für Demokratie“ beobachtet den Telegram-Kanal seit langer Zeit sehr eingehend. Nach seiner Einschätzung bewegen sich durchaus manche Sätze am Rande des rechtlich Zugelassenen. Parolen wie „Jagd die Grünen aus dem Land, tut es für den Mittelstand“, die auf dem Demos zu hören sind, seien wiederum nach seiner Auffassung gesetzlich nicht mehr tragbar, betont er. Doch nicht nur Sätze wie diese hält er für gefährlich, sondern ebenso Posts auf Telegram, die direkt zu rechtsextremen Seiten führen.
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