Hattingen. Iuliia Goldack aus Hattingen hat Angehörige in der Ukraine. Wie sie 2022 erlebte, wie ihr Verein „Hand in Hand mit der Ukraine“ ihr hilft.

Gut 2000 Kilometer entfernt ist ihre Heimat, eigentlich nicht viel in einer globalisierten Welt. Doch für die in Hattingen-Niederwenigern lebende Ukrainerin Iuliia Goldack sind ihr Bruder, ihre Eltern, ihre Oma plötzlich unendlich weit weg seit jenem 24. Februar 2022, an dem Russlands Präsident Wladimir Putin einen Großangriff auf die Ukraine befahl. „Das Thema Krieg ist bei mir seitdem immer präsent.“

Sie muss sich „Auszeiten“ nehmen von diesem Krieg

Nachrichten morgens, mittags, abends habe sie anfangs gehört und gesehen, sagt Iuliia Goldack. Bis sie irgendwann feststellte: Das tut ihr nicht gut, sie muss sich „Auszeiten“ nehmen von diesem Krieg, der nun schon fast ein Jahr lang andauert.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. +++

Doch das fällt der 32-Jährigen alles andere als leicht – zumal die unmittelbare Bedrohung durch den Krieg für ihre Angehörigen in der Heimat immer größer wird. Gerade eben nämlich hat ihr Bruder Wladislav (26) seinen Einberufungsbefehl erhalten. „Er muss jetzt auch bald in den Krieg.“ Und die Ukraine verteidigen gegen die Russen – „ohne jegliche militärische Erfahrung, nach einem nur zweimonatigen Trainingscamp. Ich hoffe sehr“, sagt Iuliia Goldack, „dass er wenigstens nicht in den Donbass muss.“ Ihr Vater (57) war gerade erst da, er hat der Tochter in Hattingen erzählt, wie erbarmungslos im Osten der Ukraine gekämpft wird.

Zurzeit ist eine Reise in die Heimat zu gefährlich

Persönlich gesehen hat Iuliia Goldack ihre Familienangehörigen in der Heimat das letzte Mal im Sommer 2021. Zusammen mit ihrem Mann Sven und ihren zwei Kindern Nikolai (5) und Daria (3) verlebten sie alle zusammen ein paar schöne Tage in Hajssyn, einer Stadt in der Oblast Winnyzja in der Zentralukraine. Gern würden sie alle einander wiedersehen. Doch zurzeit, sagt Iuliia Goldack, sei eine Reise in die Heimat zu gefährlich, und ihre Mutter (58) wolle aus Hajssyn nicht weg – wegen der 87-jährigen Oma. Und ihr Vater und Bruder dürften nicht ausreisen wie etwa Lilia, eine 16-jährige Ukrainerin, die die Goldacks bis vor kurzem bei sich beherbergten. Die sich in Deutschland bessere Chancen für ihre berufliche Zukunft erhoffte. „Und dann ist sie doch aus Heimweh zurückgereist in die Ukraine“, sagt Iuliia Goldack.

Wo weiterhin „dieser sinnlose Krieg“ herrscht. Eine große emotionale Stütze, um ihre Machtlosigkeit zu überwinden, ist für sie dabei der gemeinnützige Hilfsverein „Hand in Hand mit der Ukraine“, den sie schon kurz nach Kriegsausbruch zusammen mit ihrem Mann und ein paar Freunden gegründet hat. „Er hat mich – neben meiner Familie – durch das Jahr 2022 getragen.“ Sechs Spendenfahrten haben Vereinsmitglieder dabei bislang absolviert – in die rumänische Kleinstadt Siret nahe der ukrainischen Grenze, von wo aus eine Bekannte von Iuliia Goldack die Hilfsgüter weiter an bedürftige Ukrainerinnen und Ukrainer verteilt.

Spenden hat diese Ukrainerin über einen Hilfstransport des Vereins „Hand in Hand mit der Ukraine“ aus Hattingen erhalten. „Danke“ steht in kyrillischer Schrift auf dem Pappschild, das sie in Händen hält.
Spenden hat diese Ukrainerin über einen Hilfstransport des Vereins „Hand in Hand mit der Ukraine“ aus Hattingen erhalten. „Danke“ steht in kyrillischer Schrift auf dem Pappschild, das sie in Händen hält. © HiH

„Es kommt sehr viel Dankbarkeit von den Menschen zurück“

Dass die Spenden für „Hand in Hand“ auch weiter nicht versiegen, hofft die Hattingerin dabei sehr. „Es kommt sehr viel Dankbarkeit von den Menschen zurück“, sagt sie – und zeigt als Beispiel das Foto einer schon älteren Landsfrau. Allerlei Spenden von „Hand in Hand“ hat diese vor sich liegen – und in den Händen ein Pappschild, auf das sie in kyrillischer Schrift „Danke“ geschrieben hat.

Auch interessant

„Ich bin jedes Mal aufs Neue froh“, sagt Iuliia Goldack, „wenn ich weiß, das ist gut, was wir machen und dass wir wieder ein paar Menschen haben versorgen können.“ Mit Lebensmitteln, Medikamenten, aber auch mit Kerzen und Schlafsäcken, weil in vielen Gebieten der Ukraine die Stromversorgung schwer geschädigt ist. Auch ihre Mutter in Hajssyn habe oftmals nur für drei Stunden Strom. Die Raumtemperatur, sagt Iuliia Goldack, liege teilweise bei nur 12 Grad Celsius.

Ein schlechtes Gewissen, dass es ihr hier so gut geht

„Mitunter habe ich ein schlechtes Gewissen, dass es mir hier so gut geht – auch dann, wenn ich Freude empfinde.“ Ihren Vater etwa, erzählt sie, habe sie im Sommer, als sie Karten für ein Coldplay-Konzert hatte, sogar in einem Telefonat erst gefragt, ob sie überhaupt dort hingehen könne. „Erst als dieser sagte: ,Es hilft niemandem von uns hier, wenn es dir schlecht geht’, bin ich mit meinem Mann hingegangen.“

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

Was sie sich wünscht für 2023? „Dass die schweren Kämpfe in der Ukraine bald beendet sind“, sagt Iuliia Goldack. Und dass sie ihre Eltern, den Bruder, die Oma bald wieder in die Arme schließen kann.