Hattingen. Friederike Stang erhält einen Stolperstein in Hattingen. Sie überlebt den Nazi-Terror, denn ihr Mann rettet sie. Die ergreifende Liebesgeschichte

Friederike, genannt Rickchen, Stang aus Hattingen überlebt den Nationalsozialismus. Zu verdanken hat sie das ihrem Ehemann, der dafür auch Geld- und Haftstrafen in Kauf nimmt. Das Ehepaar Stang lebt in einer von elf Hattinger Misch-Ehen zwischen Juden und Christen. An Rickchens Geschichte wird ab Freitag (2.12.) ein Stolperstein erinnern.

„Es ist eine ergreifende Geschichte in ihrer Einfachheit und Bescheidenheit“, sagt Stadtarchivar Thomas Weiß. Er führt aus: „Rickchen Stang überlebt den Nazi-Terror nur, weil ihr christlicher Ehemann Wilhelm trotz heftigster Bedrängungen, Schikanen und Einschüchterungen durch die Nationalsozialisten standhaft zu seiner Frau hält, sich nicht scheiden lässt.“

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Elf Misch-Ehen gibt es in der Nazi-Zeit in Hattingen. Sie werden diskriminiert, aber nicht deportiert. „Und alle christlichen Ehepartner halten zu ihren jüdischen Partnern“, betont Weiß. Acht Jüdinnen und Juden daraus überleben das Nazi-Regime, eine Jüdin wird in Auschwitz ermordet, zwei jüdische Männer begehen Selbstmord. Rickchen Stang ist eine der Überlebenden. Und sie ist die einzige, die jüdisch bleibt. „Alle anderen in den Misch-Ehen sind konvertiert“, erklärt Weiß. Rickchen aber tritt als einzige Hattingerin nach Kriegsende der jüdischen Gemeinde in Bochum bei.

Verlegung des Stolpersteins

Der Stolperstein für Friederike Stang wird am Freitag (2.12.) gegen 16.45 Uhr von Künstler Gunter Demnig verlegt. Es kommt ans Gelinde 5.

Auf die Geschichte des Ehepaars Stang wurde das Stadtarchiv durch eine Angehörige aufmerksam. Die Großnichte, die auch die Patenschaft für den Stolperstein übernimmt, berichtete, dass es auch innerhalb der Familie kaum Informationen zum Schicksal der Verwandten aus Hattingen gab.

Geboren wird sie als Friederike Maas und führt mit ihrer Schwester Albertine am Gelinde 5 das Putzgeschäft „Geschwister Maas“. Ein Putzgeschäft ist damals die Bezeichnung für ein Modegeschäft. Es geht also ums Herausputzen. Und so präsentiert sich Rickchen: Sie ist eine zierliche, stets gepflegte Frau.

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1919 heiratet sie den evangelischen Christen Wilhelm Stang. Und der setzt sich öffentlich gegen antisemitische Parolen zur Wehr. Dafür wird er zu Geld- und Haftstrafen verurteilt. In der Pogromnacht bringt er seine Frau in Sicherheit, als das Modegeschäft komplett zerstört und geplündert wird. Als er aufräumt, wird er von Nazis schikaniert.

Zumindest vor der Enteignung können Stangs das Haus retten, indem Rickchen es mit dem Geschäft an ihren arischen Mann verkauft. Doch auch wirtschaftlich spürt das Ehepaar die Schikanen der Nationalsozialisten. So muss Wilhelm Stang seine Korbfabrik Anfang der 1940er-Jahre aufgeben, weil er von Staatsaufträgen ausgeschlossen wird.

Dennoch hält er weiter zu seiner Frau. So schreibt er 1943 den Bürgermeister an und beschwert sich, dass seine Frau keine Weihnachtssonderration zugesprochen bekommen hat. Er tritt bescheiden, aber beharrlich auf, denn rechtlich gesehen steht die Ration ihnen zu. Und so erkämpft er das Weihnachtsgeschenk für seine jüdische Frau.

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Waren die Juden aus Misch-Ehen bisher von Verschleppungen verschont geblieben, geraten sie ab September 1944 auch ins Visier der Nazis. Auch Rickchen Stang wird von der Gestapo verhaftet und in ein Lager bei Berlin gebracht. „Wohin genau, ist nicht bekannt“, sagt der Stadtarchivar. „Die 67-jährige Friederike wird aber sicherlich nicht zum Zwangsarbeitseinsatz fähig gewesen sein.“

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Auch ihr Mann wird verfolgt und zum Arbeiten an den Westwall abkommandiert. Das hält er nicht lange durch. Und so kehren beide im Sommer 1945 nach Hattingen zurück.

Gesundheitlich sind sie nach den Jahren der Repressionen stark angeschlagen. Aber sie überleben – und bleiben bis in den Tod vereint. Rickchen Stang stirbt am 3. Januar 1955 – ihr Mann Wilhelm nur 41 Stunden später.