Hattingen. Sein Opa plante das Attentat auf Hitler mit: Dafür kam Carl Goerdeler als Baby in Nazi-Haft. In Hattingen erzählt er seine Familiengeschichte.
Nein, er hat Putin mit Hitler nicht verglichen. „Aber die Methoden, die Putin anwendet, sind dieselben. Er lässt Kinder verschleppen und sie umerziehen, um seine Macht zu vergrößern“, erklärte Carl Goerdeler, Enkel des Widerstandskämpfers Carl Friedrich Goerdeler, in einem Vortrag, der unter die Haut ging. Sein Opa war am Attentat auf Hitler maßgeblich beteiligt und wurde hingerichtet. Er selbst wurde als Baby in Sippenhaft genommen, verschleppt und weiß bis heute nicht, wo er Monate seines Lebens verbrachte.
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„Sippenhaft – Wie Hitler sich an Kindern rächte“ hieß der Vortrag des heute 79-jährigen Enkels bei der Initiative „Ein Kick für Hattingen“. Er erzählte über das Leben seines Großvaters – ein begabter Mann, Jurist und Politiker. Der Opa wurde Reichskommissar und war für die Wirtschaft zuständig. Von 1930 bis 1937 war er Oberbürgermeister von Leipzig. Weil er merkte, dass die politische Richtung in den Krieg führte, stellte er sich gegen den Nationalsozialismus. „Mein Großvater wollte überzeugen, aber ein Mensch alleine kann keinen Widerstand leisten“, erklärte Carl Goerdeler.
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Als die Nazis das Denkmal des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy, der jüdischer Herkunft war, zerstört hatten, „trat mein Großvater vom Amt des Oberbürgermeisters zurück. Er leistete offen Widerstand und bereitete das Attentat auf Hitler mit vor.“ Das ging schief, Carl Friedrich Goerdeler wurde zum Tode verurteilt.
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„Man nahm die ganze Familie in Sippenhaft.“ Sie wurde aufgespürt und „plötzlich war unsere Mutter weg. Da war ich ein Baby und mein Bruder zweieinhalb Jahre älter.“ Die beiden wurden nach Bad Sachsa in ein Kinderheim verschleppt. „Wenn mein Bruder weinte, weil er Mutter vermisste, wurde er in den Schweinestall gesperrt. Erst im Juli 1945 fand sie uns Kinder wieder“, sagt der 79-Jährige und muss eine Pause einlegen, weil er gegen die Tränen ankämpft.
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Traumatisiert waren sie beide. Der ältere Bruder redete nicht mehr und konnte nicht mehr laufen, bei Carl Goerdeler, der ja noch ein Baby war, stellte sich das Trauma später ein. Er, der Pastor geworden war, holte sich fachliche Hilfe, um die Situation damals aufzuarbeiten. Es war ein ergreifender Vortrag eines Zeitzeugen, der einen starken Eindruck hinterließ.
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