Hattingen. Der Fachkräftemangel stellt viele Unternehmen im EN-Kreis immer mehr vor Herausforderungen. Experten über die Lage – und über Lösungsansätze.
Freie Stellen auf der einen, kaum geeignete Interessenten auf der anderen Seite stellen viele Unternehmen zunehmend vor Herausforderungen – auch im Ennepe-Ruhr-Kreis. Um sich über die Lage auszutauschen und Lösungsansätze zu diskutieren, sind jetzt rund 40 Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und verschiedenen Organisationen der Einladung der EN-Agentur und des Kreises zu einer Fachkonferenz über Fachkräfte gefolgt.
Lage wird sich sehr zeitnah weiter zuspitzen
„Schon jetzt hat die Mehrheit der Betriebe im Ennepe-Ruhr-Kreis große Schwierigkeiten, offene Stellen mit Fachkräften zu besetzen. Weil viele der so genannten Babyboomer-Jahrgänge – 10,3 Prozent der aktuell sozialversicherungspflichtig Beschäftigten – in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand wechseln werden, wird sich diese Lage sehr zeitnah weiter zuspitzen“, warnte Katja Heck, Leiterin der Agentur für Arbeit Hagen. Das Problem betreffe alle, gelöst werden könne es nur gemeinschaftlich.
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Grundsätzlich gibt es vier Ansätze, Fachkräfte zu gewinnen: Nachwuchs ausbilden, Arbeitskräfte weiterbilden, Nicht-Erwerbstätige rekrutieren oder Minijobbern feste Voll- oder Teilzeitstellen anbieten, Zuwanderung. Alle vier müssten verfolgt werden.
Attraktivität der dualen Ausbildung verdeutlichen
Ansatz bei der Ausbildung: Vielen Jugendlichen sei es geradezu peinlich, statt Studium eine Ausbildung zu starten. „Wir müssen die Attraktivität der dualen Ausbildung in den Köpfen der Jugendlichen und ihrer Eltern steigern und deutlich machen: Sie ist eine gute Basis, um sich den Lebensunterhalt dauerhaft auf einem hohen Niveau zu sichern“, warb Peter Frese von der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer.
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Auch an den Schulen müsse einiges getan werden, hieß es in der Diskussion. Die Lehrpläne seien veraltet, die Lehrer weder dafür ausgebildet noch mit der zeitlichen Kapazität ausgestattet, ihre Schüler hinreichend auf die sich ändernde Arbeitswelt vorzubereiten. Gerade an Haupt- und Realschulen brauche es Strukturen, die dafür sorgten, dass jeder Jugendliche individuell und kontinuierlich bei der Berufsfindung unterstützt wird.
Viele Betriebe achten zu sehr auf Schulnoten statt auf die Potenziale der Jugendlichen
Dieter Dohmen vom Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie nahm hier aber auch die Unternehmen in die Pflicht. Viele würden nur noch Abiturienten als Auszubildende einstellen, würden auf Schulnoten statt auf die Potenziale der Jugendlichen achten. Für viele Berufe sei das, was im Abitur geleistet werden müsse, aber überhaupt nicht gefragt. Dohmens Botschaft: „Die Betriebe können – mit entsprechendem Einsatz – geeignete Azubis in den Haupt- und Realschulen finden.“ Besonders gut gelingen kann dies mit Betriebspraktika, so Michaela Trzecinski, die die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ bei der Agentur Mark betreut. Ein mehr von Betriebspraktika in den Schulen wäre daher in ihren Augen hilfreich und sinnvoll.
Allerdings gilt auch: Nicht aus jedem Auszubildenden wird eine Fachkraft. Mit fast 28 Prozent ist die Vertragsauflösungsquote auf dem Ausbildungsmarkt im Ennepe-Ruhr-Kreis sehr hoch. Sein Unternehmen setze deshalb verstärkt auf den „Familiengedanken“, sagte Ruben Förstmann von TQ-Systems. Es organisiere Familientage und andere Team-Events, die dazu beitragen, dass sich Mitarbeitende jeden Alters möglichst stark mit dem Unternehmen identifizierten und in ihrer Ausbildung so engagiert am Ball blieben, wie es für einen erfolgreichen Abschluss nötig ist.