Hattingen. Wieder rückt die Jugendfeuerwehr aus, damit die Wildvogel-Station Paasmühle in Hattingen nicht austrocknet. So hilft der Nachwuchs der Retter.

Es piepst und fiept in dem Karton, den Fabian Boese in der Hand hält. Der Bochumer Feuerwehrmann übergibt Thorsten Kestner, dem Schutzpatron der Eulen-, Greif- und Wasservögel, seine Fundstücke. Auf dem Parkplatz eines Möbelgeschäftes hat er mit einigen Kollegen die acht blitzschnellen Gänseküken eingefangen und übergibt sie dem Betreiber der Paasmühle. Genau zu dem Zeitpunkt, als die Jugendfeuerwehr vor Ort ist und die modderigen Teiche mit Wasser spült und auffüllt.

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„Irgendetwas ist ja immer“, sagt Kestner lakonisch. In den vergangenen Jahren hat er an dem idyllischen Standort so ziemlich alles an Naturgewalten erlebt, was niemand braucht. Die schweren Stürme hinterließen deutliche Spuren im Waldgebiet der Auffangstation für Vögel. Dann wurde man der Masse an Borkenkäfern nicht mehr Herr.

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Im vergangenen Jahr richtete der Paasbach bei der Jahrhundertflut beachtliche Schäden an und jetzt ist seit vier Wochen fast kein Regen gefallen, die lebensnotwendigen Teiche für die Wasservögel sind umgekippt. Das heißt, es ist nicht mehr genug Sauerstoff vorhanden.

Handfester Einsatz: Mitglieder der Hattinger Jugendfeuerwehr bringen Schwanenküken zu den Teichen, die sie zuvor befüllt haben. Im Bild: Erik Herkströter, Thorsten Kestner, Finn Herkströter, Timo Kortmann, Jordan Martens, Nico Rose (verdeckt) und Max Meusel.
Handfester Einsatz: Mitglieder der Hattinger Jugendfeuerwehr bringen Schwanenküken zu den Teichen, die sie zuvor befüllt haben. Im Bild: Erik Herkströter, Thorsten Kestner, Finn Herkströter, Timo Kortmann, Jordan Martens, Nico Rose (verdeckt) und Max Meusel. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Bevor es in den oberen Teichen „Wasser marsch“ heißt, müssen zuerst die acht kleinen Neuankömmlinge untergebracht werden. Für Thorsten Kestner kein Problem. Er kümmert sich seit über 30 Jahren um gefiederte Lebewesen, nimmt verwaiste und verletzte Tiere auf, pflegt sie mit anderen Mitstreiterinnen und Mitstreitern gesund und hat alles im Griff.

Wabernde Matsche fließt den Berg hinunter

Der kleine Teich unten am Haus ist relativ schnell gefüllt. Wabernde Matsche fließt den Berg hinunter, die Wasservögel scheinen froh über den frischen Zulauf zu sein.

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Oberhalb der Straße bei den großen Teichen und der Voliere mit Wasserbecken ist dann auch für den Vogelfachmann Arbeit angesagt. Er muss in den miefigen Modder steigen und erst einmal einen riesigen Stöpsel ziehen, damit der Matsch abfließen kann. Er zieht sich eine Wathose über die Kleidung und fischt im Trüben.

Die neugierigen Tiere paddeln um den Strudel herum

Dann heißt es Achtung, dass keine Ente in den Abfluss flutscht. Denn die neugierigen Tiere paddeln um den Strudel herum. Doch Thorsten Kestner bleibt cool. „Wenn wirklich ein Tier hier in den Abfluss rutscht, hole ich es auf der anderen Seite wieder heraus. Ich hab’ ja alles selbst gebaut und weiß, wo die Enten dann ankommen“, sagt er.

Erste Adresse für Polizei und Feuerwehr

Über Spenden freuen sich die Mitarbeiter der Paasmühle sehr. Denn die 1000 bis 1500 verletzten, verwaisten oder kranken Wildvögel pro Jahr zu pflegen, hat seinen Preis. Schwäne, Bussarde, Uhus, Falken, Enten, Störche und andere Arten sind im Ballungsraum Ruhrgebiet Gefahren ausgesetzt. Glasscheiben, Autos, Stacheldrahtzäune oder ausgelaufenes Öl auf Gewässern – überall lauern Gefahren.

In der Paasmühle werden die Tiere medizinisch versorgt und ehrenamtlich gepflegt. Dabei sind auch Tierärzte und Behördenvertreter. Die Zahl der geretteten Tiere geht in die Zehntausende. Für Tierfreunde, Feuerwehren, Behörden und Polizeistationen ist die Paasmühle erste Adresse, wenn man verletzte Wildvögel findet.

Unter www.paasmühle.de findet man alle Infos.

Aber den Lebensretter muss er an diesem Tag nicht abgeben. Als dann die Feuerwehr das Becken mit Frischwasser spült und auffüllt, bringt sich eine Möwe fliegend in Sicherheit, viele Enten watscheln das Holzbrett hoch, das aufs Trockene führt – und ein sichtbar verletztes Federvieh humpelt weg. Zusammen mit einem Feuerwehrmann hält Kestner den Schlauch, aus dem ein kräftiger Wasserstrahl schießt, fest.

Thorsten Kestner steht in der Voliere und lässt das Wasser ab. Die Hattinger Jugendfeuerwehr füllt bei ihm die Teiche auf.
Thorsten Kestner steht in der Voliere und lässt das Wasser ab. Die Hattinger Jugendfeuerwehr füllt bei ihm die Teiche auf. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Die Trockenheit macht den Tieren mächtig zu schaffen. „Normalerweise fließen pro Tag eine Million Liter Wasser durch die Teiche. Das zirkuliert immer, weil ja direkt hier der Passbach fließt“, erklärt Kestner und zeigt auf den völlig ausgetrockneten Bach.

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Die Steine am Boden sind zu sehen. Selbst von Rinnsal zu sprechen, wäre an diesem Tag übertrieben. Der Klimawandel – er zeigt sich mit seinen schrecklichen Folgen.

Ein großer Dank geht auch an Gelsenwasser

„So etwas habe ich Jahrzehnte nicht gekannt. Und jetzt ist es schon in wenigen Jahren das vierte Mal, dass die Feuerwehr helfen muss.“ Ein großer Dank von ihm geht – außer an die Freiwillige Feuerwehr – auch an Gelsenwasser, das den Tieren das lebensnotwendige Nass spendiert. So kommen die 500 Wasservögel, die zurzeit in der Paasmühle betreut werden, wohl bis zum nächsten großen Regen über die Runden.