Hattingen. Charakteristisch für die Ruhr in Hattingen ist, dass dort viele Tiere leben, die hier eigentlich nicht heimisch sind. Das führt z.T. zu Problemen

Wer an der Ruhr auf Erkundungstour geht, findet an den Wegrändern, auf Wiesen und an den Ufern viele kleine und große Tiere und Pflanzen. Doch auch ein Blick ins Wasser lohnt sich. Dort gibt es viel Spannendes zu sehen. Und zwar längst nicht nur Fische.

„Es ist ein Charakteristikum der Ruhr in Hattingen, dass hier auf kleinstem Raum eine Vielzahl von Arten lebt, die hier gar nicht hingehören“, weiß Biologe Thomas Kordges. Besonders ausgeprägt sei das auch bei den Fischen: Grundeln, Karpfen und auch Welse seien eigentlich keine Ruhrfische. Und jetzt dennoch dort zu finden.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

„Viele Fische wurden gezielt für Angler ausgesetzt“ erklärt Thomas Kordges. Andere Wasserlebewesen gelangen über das Balastwasser von Schiffen in die Flüsse – in den großen Tanks werden kleinere Organismen, aber auch Fische verschleppt, weiß der Biologe. „Das ist nicht immer ein Problem, kann es aber werden.“

Die Grundel und das Rätsel

Auch interessant

Thomas Kordges berichtet von einem Fisch, der ihm und Naturexperte Martin Maschka ein besonderes Rätsel aufgegeben hat – der Schwarzmaulgrundel. Dabei nahm das Rätsel seinen Anfang bei einem ungewöhnlich hohen Aufkommen von jungen Seefröschen, denen ein oder mehrere Zehen oder Beine fehlten. Die Experten befürchteten Umweltgifte oder genetische Ursachen. Bis sich herausstellte, dass die jungen Frösche zur Beute der extrem gefräßigen und eigentlich nicht in der Ruhr heimischen Schwarzmaulgrundeln geworden waren.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Besonders gut kann man die zwölf bis 14 Zentimeter großen Fische an sehr flachen Stellen der Ruhr beobachten. Stellt man sich beispielsweise unterhalb der Ruhrbrücke bei Dahlhausen fünf Minuten ins knietiefe Wasser, sammelt sich schnell eine Vielzahl neugieriger Fische um die Beine. „Das sind in der Regel Schwarzmaulgrundeln. Die knabbern sogar ein bisschen die Füße an“, erklärt Kordges.

Schwarzmaulgrundeln sind besonders gefräßige kleine Fische. In Hattingen kann man sie gut entdecken.
Schwarzmaulgrundeln sind besonders gefräßige kleine Fische. In Hattingen kann man sie gut entdecken. © WAZ FotoPool | DIANA ROOS

Massenhaft Muscheln

In den Buhnen an der Ruhr entdeckt man außerdem Massenvorkommen kleiner Muscheln. Die Körbchenmuscheln sind etwa so groß wie ein Zehn-Cent-Stück. „Vor 20 Jahren hat es die hier noch nicht gegeben“, sagt Kordges. Ursprünglich stammen die kleinen Muscheln aus dem asiatischen Bereich.

Körbchenmuscheln sind an den Buhnen, wie hier nahe der Eisenbahnbrücke, in Massen zu finden.
Körbchenmuscheln sind an den Buhnen, wie hier nahe der Eisenbahnbrücke, in Massen zu finden. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Krebse aus Amerika

In der Ruhr leben viele amerikanische Krebsarten. „Die sind Überträger der Krebspest. Sie selbst sind immun. Der eigentlich heimische Krebs, der Edelkrebs, ist dagegen aber leider nicht immun“, sagt der Biologe. Allerdings seien viele heimische Krebse schon durch die extreme Wasserbelastung in den 1970er- und 80er-Jahren verschwunden.

Wasserqualität

Die Wasserqualität der Ruhr hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Thomas Kordges erinnert sich an „meterhohe Schaumteppiche“, die in den 1970er-Jahren über den Fluss trieben. Dennoch sieht der Biologe Handlungsbedarf, um anspruchsvolleren Arten wieder einen Lebensraum in der Ruhr bieten zu können.

Entdecken kann man Krebse an dicken Steinen in Ufernähe – fast überall am Leinpfad. Wer sich, am besten an einem heißen Sommertag, in den Uferbereich setzt und ein paar Steine umdreht, kann sie finden. „Das sind perfekte Versteckplätze für die größeren Krebse.“

Zu sehen gibt es dort den knapp zehn Zentimeter großen Kamberkrebs mit seinen rötlichen Flecken auf dem Schwanz. Etwas größer ist der Signalkrebs mit den hellen Flecken auf den Scheren. „Wenn Sie da ein großes Männchen erwischen, die können auch ordentlich zwicken, wenn man sich da etwas ungeschickt anstellt.“ Die jüngste Art, die besonders am Kemnader See sehr häufig vorkommt, ist der Rote amerikanische Sumpfkrebs, der leuchtend rot bis rotbraun ist.

Der amerikanische Signalkrebs gehört zu den Krebsarten, die sich in der Ruhr immer mehr ausbreiten. Durch eingeschleppte Krankheiten bedrohen sie die heimischen Krebse.
Der amerikanische Signalkrebs gehört zu den Krebsarten, die sich in der Ruhr immer mehr ausbreiten. Durch eingeschleppte Krankheiten bedrohen sie die heimischen Krebse. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Ausgesetzte Schildkröten

In Stillwasserbuchten zwischen den Buhnen und an der Kost, sind regelmäßig auch Schildkröten zu entdecken. Besonders wo Seerosen wachsen oder ein dicker Ast im Wasser liegt, ruhen sie gern. Es kommen verschiedene Arten vor: Gelb- und Rotwangenschmuckschildkröten zum Beispiel. Oder auch Mississippi-Schildkröten.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns

Heimisch sind die in der Ruhr freilich nicht. Und soweit bekannt ist, vermehren sie sich auch nicht in den Hattinger Gewässern. In der Regel handelt es sich also um ausgesetzte Tiere. Am Hüttenpark sind mindestens 20 Tiere zu entdecken. „Manche sind sogar mittlerweile daran gewöhnt, dass sie gefüttert werden.“ Erwünscht seien die Fütterstellen nicht. Eigentlich fressen die Schildkröten Wasserinsekten, Schnecken oder pflanzliche Kost.

Die Rotwangenschmuckschildkröte gehört nicht zu den natürlichen Ruhrbewohnern. Sie wurde ausgesetzt.
Die Rotwangenschmuckschildkröte gehört nicht zu den natürlichen Ruhrbewohnern. Sie wurde ausgesetzt. © FFS | MATTHIAS GRABEN

Alle Folgen der Reihe „Entdeckertour an der Ruhr“