Hattingen. Ernst-Peter Koch war 37 Jahre Schiedsmann für Hattingen-Bredenscheid/Stüter. Wann der Schlichter kommt, was er kostet und warum Anwälte stören.

Das Dokument im Format eines kleinen Personalausweises trägt das Datum 22. April 1985. Nach 37-jähriger Tätigkeit als Schiedsmann für Bredenscheid/Stüter verabschiedete Amtsgerichtsdirektor Christian Amann den erfahrenen „Haudegen“ Ernst-Peter Koch. Er berichtet von den häufigsten Streitgründen und davon, wie er bei jedem Einsatz als Schiedsmann eine „Ansage“ gemacht hat, bevor er Streitigkeiten schlichtet.

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„Dank und Anerkennung für so viele Jahre im Ehrenamt“, sagte Amann dem 73-Jährigen mit großem Respekt. Mitte der 1980er Jahre startete Koch mit der anspruchsvollen Aufgabe für seinen Ortsteil. „Denn die Tätigkeit übt man in dem Bezirk aus, in dem man auch wohnt“, erklärt er. Bei vielen Streitereien ist gesetzlich vorgeschrieben, dass zuerst ein Schiedsmann oder eine Schiedsfrau aufgesucht werden soll, um die Justiz nicht mit Kleinigkeiten zu überlasten und die Kosten nicht in die Höhe zu treiben.

Ehrenamt für den Frieden

Zu dem Ehrenamt kam der Bredenscheider völlig zufällig. Er war stellvertretender Ortsvereinsvorsitzender der SPD und wurde gefragt, ob er das Amt ausüben würde. Denn der Vorgänger wollte aufhören. Von da an sorgte Koch dafür, dass nach Zwist zwischen Menschen möglichst wieder Frieden hergestellt wird.

Der Streit unter Nachbarn ist eines der häufigsten Einsatzgebiete für Schiedsleute.
Der Streit unter Nachbarn ist eines der häufigsten Einsatzgebiete für Schiedsleute. © WAZ | Dirk Bauer

„Der Klassiker ist immer noch der Nachbarschaftsstreit, der hoch emotional ist“, weiß Richter Christian Amann. Denn, wenn sich die Parteien im Vorfeld nicht einigen können, landet so mancher Ärger auch bei ihm im Gerichtssaal.

Von zivilen Streitigkeiten und Straftaten

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In der Regel handelt es sich um Zivilangelegenheiten. „Wenn jemand den Nachbarn mit einem Lattenzaun schlägt, ist der Fall klar. Dann ist es eine Straftat und geht vor Gericht“, erklärt Christian Amann. Aber wenn es darum geht, dass der Zaun falsch gesetzt worden ist, das Gartenhäuschen zu nah an der Grenze steht, der Baum den Garten des Nachbarn verschattet oder die Blätter des Baumes von nebenan immer die Dachrinne verstopfen, dann sind die Schiedsleute gefragt.

Gesellschaftlicher Wandel

„Schlichten statt richten“ ist der Spruch, den man auf der Seite des Bundes deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen (BDS) finden kann, dessen Sitz in Bochum ist. Der Wirkungsbereich erstreckt sich auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

Von den Gesprächen zwischen den Kontrahenten wird immer ein Protokoll angefertigt. Die Schiedspersonen sind zu absoluter Verschwiegenheit verpflichtet.

Ernst-Peter Koch führt die Streitereien auch auf das Auseinanderdriften der Gesellschaft zurück. „Früher hatten wir in Bredenscheid drei Kneipen. Da konnte auch im Vorfeld bei einem Bier schon mal eine Einigung erzielt werden“, schildert er. Heute würden sich die Menschen kaum noch kennen. Sie leben in Bredenscheid, aber kaum jemand arbeitet da noch.

„Ich hab immer direkt eine Ansage gemacht“, schildert Koch seine Vorgehensweise. „Hier wird nicht geschimpft, geschrien oder beleidigt, wir gehen vernünftig miteinander um, sonst ist das Gespräch direkt beendet und Sie können nach Hause gehen.“

Gespräch gesetzlich vorgeschrieben

So ein Gespräch, um den Frieden wiederherzustellen, ist gesetzlich vorgeschrieben und hat rechtlich bindende Wirkung. Daher muss auch vorher offiziell ein Antrag gestellt werden, der dem sogenannten Antragsgegner zugestellt wird. Bei dem Schlichtungstermin wissen also beide Parteien, was der Grund der Streitigkeiten ist.

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„50 Euro musste jeder der Beteiligten sofort auf den Tisch legen, denn es sind ja auch jede Menge an Auslagen zu bestreiten.“ Da müssen Einschreiben verschickt werden, Briefmarken und Briefe gekauft und Telefonrechnungen bezahlt werden.

Inzwischen kommen Anwälte mit

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Damit die „Friedensgespräche“ auf neutralem Grund geführt werden können, hat die Freiwillige Feuerwehr Ernst-Peter Koch einen Raum zur Verfügung gestellt. „Ziel ist es immer, einen Kompromiss herbeizuführen“, sagt der erfahrene Schiedsmann.

35 Euro im Monat bekam er für seine Tätigkeit, eine kleine Aufwendung fürs Ehrenamt. So ungefähr 50:50 mit und ohne Einigung gingen die Verfahren aus, schätzt er. Allerdings würden mittlerweile schon viele Streitende direkt mit Anwalt zu den Schiedsterminen erscheinen. „Wenn ein Anwalt dabei ist, gibt es fast nie eine Einigung“, ist die Erfahrung des 73-Jährigen.

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