Hattingen. Zuletzt gab es weniger Schuldner in Hattingen, jetzt steigen die Zahlen Hilfesuchender deutlich. Warum die Schuldnerberatung Händler kritisiert.

Noch im vergangenen Jahr gab es positive Nachrichten: Die Zahl der Schuldner in Hattingen ist gesunken. Nun schlagen die Schuldnerberatungen Alarm: Steigende Preise für Lebenshaltung und Energie, sowie teure Kredite bedrohen Bürgerinnen und Bürger mit geringen oder unsicheren Einkommen und erschweren die Lage für bereits verschuldete Menschen massiv.

Die Nachfrage in den Beratungsstellen steigt gegenüber dem Vorjahr bereits deutlich an. Auch die Wartezeiten werden bei der Schuldnerberatung damit länger.

Trotz Corona weniger Schuldner in Hattingen

Die Beratungsstellen sehen das Thema Schulden in Zukunft noch stärker als gesamtgesellschaftliche Herausforderung. „Wir stehen vor Entwicklungen, die alle Lebensbereiche betreffen und damit insbesondere Menschen mit geringen Einkünften und geringem Vermögen besonders hart treffen“, sagt Beate Ben Halima von der Schuldnerberatung der Diakonie Mark-Ruhr.

Schuldnerberatung in Hattingen

Bei Problemen mit den eigenen Finanzen können sich Bürgerinnen und Bürger in Hattingen an die Schuldner- und Insolvenzberatung der Diakonie auf der Schulstraße 7 wenden. Anmeldungen sind zurzeit nur telefonisch möglich: 02324 9234-10, -11 oder -12. Eine Beratung ist vertraulich und kostenlos.

In Hattingen ist die Zahl der überschuldeten Bürger ungleichmäßig verteilt. Die meisten Schuldner (Quote 11,72 Prozent) wohnen laut Schuldneratlas in Mitte. Im Postleitzahl-Bereich 45527 (Blankenstein, Bredenscheid-Stüter, Holthausen, Oberstüter und Welper) gelten 7,97 Prozent als überschuldet. Die wenigesten Schuldner gibt es erneut im Bereich 45529 (Bredenscheid-Stüter, Niederbonsfeld, Niederelfringhausen, Niederwenigern, Oberelfringhausen, Winz-Baak) mit 6,68 Prozent der dort wohnenden Erwachsenen. In allen Bereichen war die Zahl der Schuldner aber zuletzt gesunken.

Dabei waren die Zahlen des Schuldneratlas, den das Unternehmen Creditreform jedes Jahr mit herausgibt positiv. 513 weniger Schuldner waren da trotz Corona-Krise für das vergangene Jahr in Hattingen gemeldet worden. 4120 Menschen ab 18 Jahren waren in Hattingen insgesamt überschuldet, also nicht mehr in der Lage, mit ihren monatlichen Einkünften die Ausgaben zu decken. Doch das war vor dem enormen Preisanstieg in vielen Bereichen, der die Situation nun verschärft.

Dramatische Beispiele aus der Beratung

Vor allem Geringverdiener und Rentner können ihren Verbindlichkeiten vielfach nicht mehr nachkommen und geraten in wirtschaftliche und existenzielle Schieflage.

Beate Ben Halima nennt konkrete Beispiele aus dem Beratungsalltag: Die Frau, die im Schichtsystem arbeitet und daher oft morgens beginnen muss, bevor Bus und Bahn fahren, benötigt für die Tankfüllung ihres Kleinwagens inzwischen so viel Geld, dass nach Abzug von Miete, Versicherungen und Treibstoff kaum noch Geld für Essen bleibt. „Das führt zu der absurden Situation, dass unsere Klientin tatsächlich überlegen muss, ihre Arbeitsstelle aufzugeben.“ Ein Umzug komme wegen der Wohnraumknappheit nicht in Frage.

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Die Beraterin berichtet zudem von einer anderen Klientin, die angesichts der hohen Spritpreise fürchtet, die bei ihrem geschiedenen Mann lebenden Kinder nicht mehr regelmäßig besuchen zu können. Ihr Einkommen reicht für die Fahrten zur Arbeit und die Besuche einfach nicht mehr aus.

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„Das sind leider keine Ausnahmen, diese Szenarien bilden die künftige Lebensrealität vieler Menschen ab“, betont Ben Halima. Nicht nur die Ärmsten der Armen gerieten durch steigende Preise in Bedrängnis.

Kritik an Verkaufsmaschen

Die Schuldnerberatung der Diakonie Mark Ruhr kritisiert auch die gängigen Verkaufsmaschen vieler Händler: Beim Kauf von Konsumgütern würden Menschen inzwischen „standardisiert eingeladen, sich zu verschulden“, so die Warnung. „Wo früher der benötigte Kaufbetrag angespart wurde, locken heute Angebote wie ’100 Tage Zahlpause‘, ‘heute bestellen und in drei Monaten bezahlen‘, ‘Ratenkauf‘ etc. Das ist nichts anderes, als die alltäglichen Aufforderungen, sich zu verschulden“, bringt es Beate Ben Halima auf den Punkt.

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