Hattingen. Warum eine Waldbademeisterin den Schulenberger Wald in Hattingen schätzt. Wie und warum sie mit Menschen im Wald badet, was es medizinisch bringt.
„Smoothies zum Einatmen“ gibt’s beim Waldbaden mit „Seinskraft“-Waldbademeisterin Tanja Weßkamp-Lenkewitz in Hattingen.
Komorebi, das Licht, das durch das Blätterdach fällt, lässt sie Teilnehmende erleben. „Der Begriff kommt aus Japan. Dort ist Waldbaden ein eigener Studienzweig – und ein Angebot, das es auf Rezept gibt“, erklärt die medizinisch-technische Assistentin in der Mikrobiologie, die die Ausbildung zur Waldbademeisterin an der Deutschen Akademie für Waldbaden und Gesundheit absolviert hat.
Warum das Waldbaden in Hattingen ein Smoothie zum Einatmen ist
Dieser medizinische Nutzen ist es auch, der Tanja Weßkamp-Lenkewitz am Waldbaden begeistert. Darum gibt es bei ihr auch das klassische Baumumarmen nicht. Das Esoterische ist nicht ihr Stil und nicht ihr Anliegen. Sondern das: „Wohlsein ohne Konsum“.
Los geht’s unabhängig vom Wetter – außer bei Gewitter und Sturm – und zu jeder Jahreszeit. Gerade nach einem Regen sei die Luft hervorragend, weiß sie. Dann werden von den Bäumen viele Terpene, flüchtige organische Substanzen, freigesetzt, deren höchste Konzentration genau auf menschlicher Nasenhöhe ist. „Sie sind bakterizid, Smoothies zum Einatmen. Sie stärken das Immunsystem. Beim Waldbaden sinkt der Blutdruck, Stresshormone bauen sich ab.“ In Japan sei die medizinische Wirkung längst anerkannt.
Waldbademeisterin Tanja Weßkamp-Lenkewitz bietet verspieltes Waldbaden
Ihre Touren bezeichnet sie als verspielt. Darum hat Tanja Weßkamp-Lenkewitz reichlich in ihrem Rucksack dabei, verteilt Walnüsse am Waldeingang, die die Teilnehmenden am ersten Baum zurücklassen – zusammen mit Alltagssorgen und -gedanken. Ab der Alltags-Wald-Schwelle zählen nur noch die Sinne.
Kontakt, Information, Buchung
Das eineinhalbstündige Waldbaden namens Green Friday als Kontrast zum Black Friday kostet in der Gruppe mit sechs bis acht Personen 20 Euro, das zweieinhalbstündige namens Rauszeit 30 Euro.
Es gibt aber auch individuelle Waldbade-Angebote. Ihre Touren, „die meistens länger dauern als angekündigt“, bereitet Tanja Weßkamp-Lenkewitz sorgsam vor, geht den Weg auch noch mal ab, entfernt möglichen Müll, überlegt sich einen thematischen Faden für jede Waldbaden-Gruppe.
In Bochum, Essen, Mülheim, Hattingen macht sie Waldbade-Angebote.
Das brauchen Waldbadende: eine Sitzunterlage, etwas zu trinken, etwas zu essen.
Informationen und Buchungen laufen über die Internetseite www.seinskraft.de. Info auch per E-Mail an tanja@seinskraft.de oder unter 0157 36 57 40 48.
Gerade schreibt Tanja Weßkamp-Lenkewitz außerdem an dem Buch „Auszeiten im Ruhrgebiet“, das im Herbst 2023 im Droste-Verlag erscheinen wird.
Fühlen, Hören, Riechen, Sehen, Schmecken. Die Blätter von Knoblauchrauke beispielsweise. Oder ein Buchen- oder Birkenblatt probieren – alles kann, nichts muss. „Der bittere Geschmack beim Birkenblatt ist Vitamin C. Wer übrigens Blätter isst, hat weniger Hunger auf Süßes.“
Mit Zimbel, Hang und Sang im Wald baden
Mal lässt sie eine Zimbel erklingen, mal singt sie mit ihrem Mann oder er spielt Hang, ein Instrument aus der Schweiz. Sie nennt beim Gehen Begriffe wie Aufrichtigkeit, Verwurzelung, Durchbruch, Vergänglichkeit.
Waldbademeisterin im Schulenberger Wald
Details wie den Wassertropfen auf dem Blatt, der einen Sonnenstrahl reflektiert, wahrzunehmen, den Wald wirken lassen, um zu sich selbst zu finden: Darum geht es.
Bilder auf der eigenen Festplatte im Kopf speichern – nicht auf dem Handy
Sie zieht einen Bilderrahmen aus dem Rucksack, hält ihn an einen Stamm. „Ich lade dazu ein, Bilder auf der eigenen Festplatte zu speichern.“ Die Handys bleiben im Wald aus, denn es gilt: „Macht Euch für die Welt unerreichbar und für Euch selbst erreichbar.“
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In Säckchen hält sie mal Moos, mal Rinden oder anderes Naturmaterial bereit, das Teilnehmende beim Fühlen beschreiben – ohne den Namen zu nennen. Für Qi-Gong-Übungen wie „Wolken teilen“ eignet sich das Hochplateau im Schulenberger Wald gut. Den Atem beobachten, neuronale Bahnen durch Klopfen auf Arme, Beine, Kopf, Brust wecken, in die Weite schauen. Auch lachen ist erwünscht – geht auch kaum anders bei Kopfbewegungen à la Eisbär, Schildkröte, freundlicher Nachbar.
Kosmetikspiegel helfen im Wald beim Perspektivwechsel
Manchmal verteilt Tanja Weßkamp-Lenkewitz Kosmetikspiegel für einen Perspektivwechsel. Oder sie lässt mit geschlossenen Augen Bäume abtasten – um sie mit geöffneten Augen wiederzuerkennen. Dabei sind es dann Männer, „die den Baum mit verbundenen Augen umarmen“, sagt sie lachend. „Sie wollen die Dicke bestimmen. Frauen tasten ihn eher ab nach Narben.“
Wenn es sich ergibt, macht sie Balance-Übungen, geht ein Stück barfuß, hat Hängematten dabei oder lässt ein Haiku schreiben. „Da schaue ich auch, wie die Gruppe ist. Danach bestimmt sich auch, wie viel ich erzähle oder wie lang die Solozeit im Wald ist.“
Schulenberger Wald eignet sich hervorragend zum Waldbaden
Am Schulenberger Wald schätzt sie besonders, dass „es weniger Belästigung durch Fluglärm und nur wenig Menschen gibt, die im Wald unterwegs sind“, sagt die 51-Jährige. Außerdem sei der Wald gut erreichbar, es gebe Parkmöglichkeiten.
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Waldbadende aus dem ganzen Ruhrgebiet kommen zu ihr. Sie selbst begibt sich übrigens auch gern „in die Hände anderer Waldbademeister. Denn dann erlebe ich den Wald anders“.