Hattingen. Die Arbeiten der jüdischen Silberschmiedin Emmy Roth aus Hattingen sind weltweit beachtet und hoch gehandelt. Eine Kanne erlöste 14.000 Euro.

Wir sind im Hattingen des 19. Jahrhunderts, die jüdische Familie Urias ist eine der bedeutenden in der Stadt. Sie sind hochgebildet, bringen sich ins Gemeindeleben ein, betreiben am Steinhagen ein beliebtes Kaufhaus. Am 12. Mai 1885 wird Emmy geboren, nach Rosalie und Josef ist sie das dritte Kind von Jakob Urias und seiner Ehefrau Adelheid. Sie wird eine Silberschmiedin, deren Arbeiten viel beachtet und hoch gehandelt sind.

Nein, standesgemäße Erwartungen der Gesellschaft sind nicht ihre Welt. Deshalb beginnt Emmy auch als einzige Frau eine Lehre als Gold- und Silberschmiedin bei der Düsseldorfer Silberschmiedefirma Conrad Anton Beumers. Sie ist eine starke Frau, kann sich durchsetzen. Von ihrem ersten Ehemann lässt sie sich nach fünf Jahren wieder scheiden, der zweite verstirbt. Den Namen Roth, unter dem sie schließlich (welt-)bekannt wird, hat sie von ihrem dritten Ehemann.

Im Jahr 1906 macht sie ihren Meister, zieht nach Berlin und gründet an der Clausewitzstraße ihre eigene Werkstatt. „Silber muss gebuckelt sein“, erklärt sie. „Silber ist ein Körper, der für sich lebt. Man kann ein minderwertiges Material versilbern, aber das ist niemals, na eben – Silber.“ Denn: „Silber, das ist eine selbstständige Seele.“

Emmy Roth arbeitet mit Alltagsgegenständen

Sie arbeitet mit Alltagsgegenständen; Tellern, Schalen, Dosen, aber auch Ringen, Anhängern und Broschen. Anfangs orientiert sie sich am Jugendstil, Mitte der 1920er-Jahre werden Bauhaus-Einflüsse sichtbar (Nichte Annie studiert an der berühmten Kunst-, Design- und Architekturschule).

Die Hattingerin lebt ihre Kreativität beispielsweise für die Silberwarenfabrik Peter Bruckmann & Söhne in Heilbronn aus; klar, funktional und ohne Schnörkel. Selbst im 21. Jahrhundert sind ihre Ar­beiten nachgefragt, eine Kanne aus ihrer frühen Schaffensphase bringt einen Erlös von 14.000 Euro. „Form ist Ausdruck meines Lebens“ , sagt sie selbst.

Bericht im New Yorker Kunstmagazin „Creative Art“

Sie stellt auf Messen aus, ist bei der Deutschen Bauausstellung in Berlin (1931) ebenso gerne gesehen wie auf der Weltfachausstellung Paris (1937), wo ihre Arbeit im israelischen Pavillon zu sehen ist. Die größte Ehre für sie ist ein Bericht im New Yorker Kunstmagazin „Creative Art“ (1929).

Emmy Roth aus Hattingen – im vergangenen Jahr gab es im Stadtmuseum eine Ausstellung zu Ehren der Silberschmiedin aus dem Steinhagen.
Emmy Roth aus Hattingen – im vergangenen Jahr gab es im Stadtmuseum eine Ausstellung zu Ehren der Silberschmiedin aus dem Steinhagen. © Fischer

Emmy Roth ist ein Freigeist. Sie sagt, was sie denkt, tauscht sich mit anderen Frauen aus, wird Mitglied in der Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnenvereine aller Gattungen.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten endet ihre Gedankenfreiheit. Als Jüdin ist sie nicht erwünscht, als eine Frau, die sich im künstlerischen Bereich engagiert, ganz besonders nicht. Noch im Jahr 1933 flüchtet Emmy Roth nach Paris und gründet in der Stadt der Liebe eine Werkstatt. Zwei Jahre später zieht sie nach Palästina, erst nach Jerusalem, später nach Tel Aviv. Warum weiß keiner. Da sie keine Aufträge bekommt, fertigt sie Schmuckstücke und Ritualgegenstände an. Erst 1939 gibt es eine Herausforderung: Roth soll den Auftrag für die großen Lüster der Jerusalemer Hurva-Sy­nagoge bekommen haben.

Schlusspunkt einer glanzvollen Epoche

„Ihre Arbeit markiert nicht nur den Schlusspunkt einer glanzvollen Epoche europäischer Silberschmiedekunst, sondern bezeichnet darüber hinaus das Ende einer auf eine humane Gesellschaft gerichteten Erwartung, die hinter den Reformbestrebungen der Jahrhundertwende gestanden hatte“, so Art-Experte Peter Schmitt.

Emmy Roth erkrankt an Krebs. Im Alter von 57 Jahren trinkt sie Lösungsmittel, begeht am 11. Juli 1942 in Tel Aviv Selbstmord, was im Judentum verboten ist. Trotzdem bekommt sie in der Stadt ein Grab – eine Wertschätzung für ihre Arbeit und Persönlichkeit.

>>> Stolperstein und Straßenname zur Erinnerung

Emmy Roth Repro: Walter Fischer Die Stadt Hattingen wahrt die Erinnerung an Emmy Roth, zum Beispiel durch einen Stolperstein aus Messing, der sich im Steinhagen befindet. Die Patenschaft hat der „KünstlerBunt MultiColor“ übernommen.

Zudem wird eine Erschließungsstraße im Neubaugebiet am Pottacker künftig Emmy-Roth-Straße heißen.