Hattingen. Hattinger tanken mehr aus Angst vor hohen Benzinpreisen. Taxi- und Pflegedienste können Preise nicht erhöhen. Doch das Wichtigste bleibt Frieden.
Bei den Preisen für Benzin und Diesel werden täglich neue Höchststände erreicht. Dabei können viele Unternehmer die Preise nicht an die Kunden weitergeben – wie Taxiunternehmer, aber auch Pflegedienste. Das Hattinger Traditionsunternehmen Schiwy sieht seine Existenz bedroht. Und dennoch sagt die Geschäftsführerin: „Es könnte alles schlimmer sein.“
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„Jeder Zweite beschwert sich. Wir bräuchten hier einen Seelsorger“, sagt Nadine Metz, Inhaberin der Total-Tankstelle in Niederwenigern. „Aber keiner gibt wem die Schuld.“ Weniger Sprit verkauft sie nicht. Sie beobachtet aber, dass die Leute öfter nachtanken. Das bestätigt Andrea Hohns, Inhaberin der freien Tankstelle in Welper. „Die Leute tanken sehr viel. Sie haben Sorge, dass es noch höher geht.“
Taxipreise sind vom Kreis festgelegt
Für Taxifahrer verschärfen die Benzinkosten die Situation. Denn innerhalb des EN-Kreises sind die Taxipreise festgelegt. Deshalb kann er einen Aufschlag nur bei Fahrten außerhalb berechnen, sagt der Inhaber von Taxi Stern. Von fünf Mitarbeitern sind bei ihm nur zwei auf Abruf übrig geblieben: Die Kosten sind einfach zu hoch, rechnet er vor.
Ständige Änderung der Preise
Bis zu zehn Mal täglich ändert sich der Spritpreis. Eine optimale Zeit, um zu tanken, gibt es inzwischen nicht mehr, sagt Tankstellenbesitzerin Nadine Metz.
Binnen einer Woche verteuerte sich der Diesel im bundesweiten Durchschnitt um knapp 40 Cent, der Liter Super E10 um fast 28 Cent, wie der Automobilclub ADAC mitteilte.
Zu 90 Prozent besteht das Tagesgeschäft von Taxi Stern mittlerweile aus weiten Krankenfahrten – für die zahlen die Krankenkassen gemäß langfristiger Verträge. Der Kostenanstieg ist da nicht berücksichtigt.
Taxiunternehmerin Marija Stephan bietet keine Krankenfahrten mehr an. „Da muss ich ein halbes Jahr auf die Bezahlung warten. Das kann ich mir nicht erlauben“, sagt sie. Ihr derzeitiger Vorteil sei ihre Flexibilität. Täglich analysiere sie, welche Zeiten bei Kunden beliebt sind, und plane danach. Seit der Pandemie habe sie nicht nur Plan A und B, sondern auch C und D.
Pflegedienste haben kaum Alternativen
Auch bei den Pflegediensten wird nach Alternativen gesucht. Michael Rohleder von „Lebenswert“ rechnet mit 20 bis 30 Prozent Mehrkosten. Doch Pflegedienste können gestiegene Kosten nicht weitergeben. „Man kann höchstens sagen: ‘Das ist zu weit, da fahre ich nicht hin’“, sagt Pflegedienstinhaberin Simone Boecker. „’Es rechnet sich nicht’, ist schon ein Gedanke, der einen begleitet“, bedauert sie. Sie halte Mitarbeiter an, zu laufen, wenn es zeitlich möglich ist.
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„Es ist eine schwierige Situation. Alternative Verkehrsmittel funktionieren im Ländlichen nicht gut“, weiß sie. Für Fahrräder sei es zu bergig und zu schlecht ausgebaut. „Sonst würde ich das sofort machen.“ Sie sucht nach Elektroautos, doch da gäbe es kaum Kleinwagen.
Schiwy legt Busse still, musste aber noch niemanden entlassen
Existenzbedrohend beschreibt Gabriele Schiwy die Situation. Das Unternehmen beschäftigt 150 Mitarbeiter im Linien-, Taxi- und Reisebusverkehr. „Wir fahren viel für die Bogestra, Deutsche Bahn, Rheinbahn. Da haben wir langfristige Verträge.“ Kurzfristige Preisanpassungen sind nicht drin.
Im Reisebereich sind von zwölf Bussen nur noch zwei angemeldet. Und jetzt steigen die Kosten: „Die Kunden können es gar nicht glauben, wenn wir Reiseangebote vorrechnen“, bedauert Schiwy. Bisher habe sie niemanden entlassen müssen und will das auch künftig nicht. Aber: „Ich kann nicht sagen, wie lange wir noch durchhalten.“
Mitgefühl mit Betroffenen des Krieges
Trotz allem, und das betont sie, „sage ich mir jeden Tag: ‘So schlimm das alles ist, aber dein Leben wirst du nicht verlieren.’ Ich möchte nicht in der Haut der Flüchtlinge stecken." Auch Nadine Metz betont: „Selbst wenn der Preis auf 2,50 Euro steigt... wenn wir hier nur keinen Krieg haben.“
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