Hattingen. Aus Angst vor Corona-Infektionen meiden viele Patienten Vorsorge-und Kontrolluntersuchungen. Die Ärzte in Hattingen warnen vor fatalen Folgen.

Ärzte des Evangelischen Krankenhauses in Hattingen und der anderen Kliniken im Augusta-Verbund beobachten auch in diesem Winter wieder, dass weniger Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen in Anspruch genommen werden als vor der Corona-Pandemie. Auch Arztbesuche wegen leichter oder mäßiger Beschwerden würden derzeit häufig aufgeschoben oder abgesagt.

„Ob in der Onkologie, Diabetologie oder Gastroenterologie – fast alle Bereiche der Medizin sind von diesen Kollateralschäden der Pandemie betroffen“, fasst Thomas Drathen, Geschäftsführer der Augusta Kliniken, zusammen. Ursache dieser Entwicklung sei oft die Sorge, sich bei einem Krankenhausaufenthalt oder Arztbesuch mit Corona zu infizieren, so Drathen.

So entgleisen die Blutzuckerwerte

Besonders kritisch sieht Prof. Juris Meier, Chefarzt der Klinik für Gastroenterologie und Diabetologie am Augusta Bochum sowie Leiter des Diabeteszentrums Ruhrgebiet, die Entwicklung bei Diabetikern. „Patienten kommen nicht mehr so oft zur regulären Blutzucker-Einstellung, treiben weniger Sport und bewegen sich seltener während der Pandemie.“ So entgleisten die Blutzuckerwerte, Diabetes-bedingte Fußprobleme seien eine Folge. „Wenn nicht bei frühen Symptomen der Arzt aufgesucht wird, bleibt häufig die Amputation das letzte Mittel“, so Juris Meier.

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„Vor Corona haben wir etwa ein- bis zweimal pro Woche amputieren müssen, jetzt sind es wöchentlich fünf Amputationen“, bestätigt Dr. Jochen Beyer, Chefarzt der Klinik für Gefäßchirurgie an der Augusta Klinik. „So viele habe ich in 30 Berufsjahren nicht erlebt.“

Viele Absagen bei Darmspiegelungen

„Die Konsequenzen verschleppter Untersuchungen sind aber auch in anderen Bereichen fatal“, warnt Juris Meier. Aktuell sage etwa ein Drittel der Patienten in der Gastroenterologie geplante Vorsorgeuntersuchungen ab wie die Darmspiegelung ab. Stattdessen kämen die Patienten erst, wenn sie bereits Beschwerden hätten, die Erkrankung also Symptome zeige und längst nicht mehr so gut behandelbar sei.

Hygiene-Konzept sicher die reguläre Behandlung

Die Mediziner der Augusta Kliniken appellieren an alle Patienten, notwendige Vorsorge- und Kontrolluntersuchungen einzuhalten. Den Befürchtungen, sich im Krankenhaus mit Corona anzustecken oder als Nicht-Notfallpatient abgewiesen zu werden, widersprechen sie energisch: Die Behandlung der Corona-Patienten erfolge unter strenger Einhaltung der Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen und unter klarer Trennung von der Routineversorgung.

„Die reguläre Behandlung ambulanter und stationärer Patienten in unserer Klinik konnte durch die rasche Umsetzung eines umfassenden Hygienekonzeptes nahezu komplett weitergeführt werden“, betont Thomas Drathen.

Meiers Einschätzung wird von internationalen Studien bestätigt. Danach habe weltweit die Inanspruchnahme von Vorsorge-Koloskopien seit Anfang der Pandemie abgenommen. Die Zahl der dabei entdeckten Darmkrebs-Fälle habe sich halbiert. „Gleichzeitig steigt die Anzahl der Patienten mit Darmkrebs, die erst im Rahmen von Notfällen auffielen, wie beispielsweise einem Darmverschluss, teilweise um das Zwei- bis Dreifache.

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Sinkende Patientenzahlen meldet auch das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Niederwenigern. „Geriatrische Patienten gehören zu einer besonders vulnerablen Gruppe. Wir haben eine leichte Absenkung der Anzahl von Fällen“, stellt Sandra Flügen, Sprecherin der Katholischen Kliniken Ruhrhalbinsel fest, zu denen das Haus gehört.

Steigende Patientenzahlen meldet die Klinik Blankenstein

Das gelte auch für die Psychiatrie. Auch da gebe es eine leichte Absenkung der Fälle, weil Patienten planbare Behandlungen aufgrund der Corona-Lage hinausschieben.

„Dringliche Behandlungen sollten aber nicht aufgeschoben werden“, mahnt Flügen. „In den Krankenhäusern gibt es umfassende Hygiene- und Testkonzepte, die einen Aufenthalt sicher machen.“

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Steigende Patientenzahlen meldet die Klinik Blankenstein. „Das gilt vor allem für unsere Schmerztherapie“, sagt Jürgen Frech, Sprecher des Katholischen Klinikums Bochum, zu dem das Hals gehört. „Die Patientenzahlen in der Rheumatologie steigen ebenfalls und liegen jetzt höher als vor der Pandemie“, berichtet Frech.