Hattingen. Probleme mit dem Bewegungssystem sind eine Volkskrankheit. Was Schulmedizin und Naturheilkunde dagegen tun, zeigte das Medizinforum in Hattingen.

„Rücken hat jeder – das hört man immer wieder“, begrüßte Ulrich Laibacher, WAZ-Lokalchef und Moderator der Altstadtgespräche, die rund 50 Gäste. Sie sind am Mittwochabend zum Medizinforum ins Stadtmuseum gekommen, um sich über moderne Schmerztherapien zu informieren.

Modern, denn heutzutage arbeiten Vertreter der Schulmedizin mit Naturheilkundlern zusammen, erläutert Laibacher. Daher auch der Titel des Altstadtgesprächs: „Hand in Hand – Naturheilkunde und Orthopädie bei Schmerzen im Bewegungssystem“.

Schröpfen, Wickel und Auflagen

Dr. Stefan Fey, Oberarzt der Naturheilkunde in der Klinik Blankenstein, berichtete, dass seine Patienten vor ihrer Einweisung bereits bei verschiedenen Fachärzten zu Diagnostik und Behandlung waren: „Nichts hat ihnen geholfen, deshalb sind sie bereit, neue Wege zu beschreiten.“

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Jeder Patient erhalte einen individuellen Behandlungsplan, dazu gehören etwa Bewegungstherapie und Massagen, Rückenschule, Lymphdrainage, Kneippsche Therapie, Schröpfen, Wickel und Auflagen, Heilpflanzen und Ernährungsanpassungen, zählt er auf.

Angst vor Nadeln

Fey: „Die einzelnen Anwendungen sind wie Mosaiksteine, alle zusammen bringen ein Ergebnis – was dann hinterher ausschlaggebend war, ist oft nicht ersichtlich.“ Wer keine Angst vor Nadeln oder Würmern habe, könne in Blankenstein auch zusätzlich mit Akupunktur, Spritzen und Blutegeln therapiert werden, ergänzt er.

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„Wenn sich aber ein Patient vor Blutegeln ekelt oder jemand Angst vor Nadeln hat, dann muss eben eine andere Therapie ausgesucht werden – wir stellen unter Einbeziehung der Erfahrungen und auch Wünschen des Patienten den Behandlungsplan zusammen.“

Wie bei einer Telefonleitung

Für den Dr. Jürgen Bachmann, Vertreter der Schulmedizin und Inhaber einer Privatpraxis für Schmerzmedizin, Orthopädie und translationale Medizin, ist die Gestaltung eines Therapieplans hingegen kein Wunschkonzert: „Es interessiert ausschließlich, welche Wirkungen die Methoden haben und welche Auswirkungen auf den Körper.“

Das nächste Altstadtgespräch gilt der Psyche

Beim nächsten Altstadtgespräch am Mittwoch, 27. Oktober, um 18 Uhr ebenfalls im Stadtmuseum geht es um die „Psyche in der Coronakrise“ Als Experte ist Dr. Bernhard Kis eingeladen, Chefarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Niederwenigern

Die Teilnahme an den Altstadtgesprächen ist kostenlos. Anmeldungen sind allerdings zwingend erforderlich und im Internet unter www.vhs.hattingen.de sowie per E-Mail an vhs@hattingen.de oder telefonisch unter 02324-20435 -11 / -12 /-13 möglich.

Aber auch bei ihm stehen ganzheitliche Behandlungen im Vordergrund, betont er. Oftmals liege die Ursache für einen Schmerz in einem ganz anderen Bereich, als da, wo es weh tut: „Das liegt daran, dass viele Bereiche auf derselben Nervenleitung laufen – so wie bei einer Telefonleitung.“

Bachmann hat viel Zeit in China verbracht, ist Ausbilder im Bereich Akupunktur und Chefredakteur der Akupunktur-Fachzeitschrift DZA. Akupunktur eigne sich, um eine Schmerztoleranz aufzubauen, sagt Bachmann, – „der Anteil der Patienten, die darauf ansprechen, liegt bei 95 Prozent.“ Skeptikern entgegnet er: „Akupunktur wirkt im Gehirn, auf der Rückenmarksebene und in der betreffenden Schmerzregion – und das ist in einem funktionellen Hirn-Kernspin nachweisbar.“

Niemals die Hoffnung nehmen

Doch bevor es zur Akupunktur geht, ist auch bei Bachmann eine gründliche Diagnostik zur Erstellung eines Therapieplans unerlässlich. „Fallen dabei mechanische Störungen auf, müssen die immer als erstes mit manueller Therapie gelöst werden.“

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Wie immer macht das Publikum mit. „Ich habe eine Wirbelsäulenproblematik, mir wurde gesagt, dass ich mit den Schmerzen leben muss oder mehr Schmerzmittel einnehmen soll, ich will mich aber damit nicht abfinden“, erzählt eine Besucherin. Stefan Fey zeigt sich bestürzt: „Man darf dem Patienten niemals die Hoffnung nehmen!“

Häufig sei es zwar nicht möglich, Schmerzfreiheit zu erlangen, deshalb werde in der Klinik Blankenstein auch meist eine Schmerzlinderung angestrebt. Auch die Linderung verspreche mehr Lebensqualität, es habe jedoch mit den eigenen Erwartungen zu tun, erklärt Fey. „Auch wenn der Himalaya nicht mehr drin ist, sollte doch ein Spaziergang im Sauerland möglich sein.“