Hattingen. Unter 60.000 rutscht die Mitgliederzahl im Evangelischen Kirchenkreis Hattingen-Witten. Was das für die Kirchengemeinden in Hattingen bedeutet.
Erstmals zählt der Evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten weniger als 60.000 Mitglieder. 24.433 sind es noch in Hattingen. Das hat auch finanzielle Auswirkungen, weil die Kirchensteuermittel von der Landeskirche an den Mitgliederzahlen bemessen werden.
Um 451 ist die Zahl der Protestanten in der Stadt gesunken. Damit liegt die geplante Zuweisung bei 657.780 Euro für das Jahr 2022 – das sind 56.754 Euro weniger als 2021.
Evangelischer Kirchenkreise Hattingen-Witten: erstmals weniger als 60.000 Mitglieder
Pastor Ludwig Nelles aus Niederwenigern bleibt gelassen: „Das ist natürlich nicht schön, aber erstens bin ich grundsätzlich optimistisch und zweitens werden wir mit dem Geld schon klarkommen. Die Kirchensteuer entwickelt sich nicht so schlecht wie gedacht. Wir bekommen für das Jahr 2021 mehr als erwartet.“
Der Mitgliederrückgang „liegt aber nicht nur an Austritten, sondern auch am demografischen Wandel. Das sehen wir an der Differenz zwischen Taufen und Beerdigungen“, betont Superintendentin Julia Holtz.
Finanzexperten sehen Rückgang der Steuereinnahmen voraus
Eine gute Konjunkturlage und entsprechend hohe Kirchensteuereinnahmen machten über Jahre den Mitgliederschwund wett. Doch Corona, steigende Arbeitslosenzahlen, Kurzarbeit und das zeitweilige Erliegen der Wirtschaft durch Lockdowns lässt die kirchlichen Finanzexperten für 2022 mit einem deutlichen Rückgang der Steuereinnahmen rechnen. „Seit Jahren nutzen wir die Mehreinnahmen, um den Kirchenkreis umzubauen“, so Holtz bei der Herbstsynode. Alles käme auf den Prüfstand – auch das Thema Kindergarten.
Haushalt des Kirchenkreises
Der Haushalt des Kirchenkreises Hattingen-Witten hat 2022 ein Volumen von 8,1 Millionen Euro und liegt damit um fast 400.000 Euro Prozent unter dem Vorjahreswert. Von diesem Geld werden zunächst einmal die 41 Pfarrerinnen und Pfarrer bezahlt – die Arbeit von etwa der Hälfte dieser Stellen wird von Dritten refinanziert.
Nach Abzug einer weiteren Summe für kirchliche Aufgaben in Diakonie, Kinder- und Jugendarbeit und Kirchenmusik sowie in den Kitas des Kirchenkreises bleiben für die Gemeinden in Hattingen, Witten, Wengern und Sprockhövel etwa 1,60 Millionen Euro, die entsprechend den Gemeindegliederzahlen zugewiesen werden. Das entspricht einem Betrag von 26,92 Euro pro Gemeindeglied.
Wie viele Kindergärten kann sich ein Kirchenkreis noch leisten? Wollen die Gemeinden hier Geld investieren, wenn gar nicht mehr so viele Kinder christlichen Glaubens angemeldet werden? „Wir müssen darüber reden“, sagt Birgit Crone, Geschäftsführerin des Evangelischen Kindergartenverbundes. Denn es stünden auch teure Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an.
Kindergärten als Gemeinde-Aufbau-Element
Für Ludwig Nelles sind Kindergärten ein wichtiges Gemeinde-Aufbau-Element, weil „Familien hier mitbekommen, dass Kirche nicht unwichtig ist, dass sie Spaß macht“. Kinder machten so im Kindergarten früh positive Erfahrungen mit Kirche. Aber auch er sagt: „Kleinere, zweigruppige Kindergärten sind wirtschaftlich nicht haltbar“ – und schüttelt den Kopf darüber, dass Kirche immer noch als reicher Träger gelte und damit einen höheren Trägeranteil zahlen müsse als die als ärmer eingestuften Träger wie Wohlfahrtsverbände.
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Auf dem Prüfstand steht auch die Jugendarbeit. Momentan sind zwölf Jugendreferenten und Gemeindepädagogen Angestellte der Gemeinden. Pro 8000 Gemeindeglieder refinanziert der Kirchenkreis eine volle Stelle. Ist die Gemeinde kleiner, übernimmt sie aktuell die Differenz. „Das war immer so gewollt und schafft Beziehungen“, erläutert Pfarrer Frank Bottenberg aus St. Georg. Der Finanz- und Strukturausschuss schlägt vor, die Bezugsgröße zu verändern.
Fundraising-Referat wird entfristet
Einheitlichkeit in den Strukturen, Synergien, ein professionelleres Immobilienmanagement waren Themen bei der Herbstsynode – und das Fundraising: Das Fundraising-Referat soll zum Jahresende entfristet werden, um eine attraktive Stelle zu schaffen, durch die Spenden eingeworben werden.
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Sprecherin Nicole Schneidmüller-Gaiser betont, dass in Folge des Umbauprozesses „Kooperationsräume gebildet wurden, in denen die Gemeinden prüfen, welche Arbeiten sie zusammenlegen können, wo sie sich ergänzen oder vertreten können. Zwischen Johannes in der Südstadt und Niederwenigern gibt es schon konkrete Beispiele. Auch die gemeinsame Konfi-Freizeit in Hattingen ist ein sehr gutes Beispiel dafür.“
Change-Manager hilft, Zukunftsvisionen zu erarbeiten
Über den Kopf der Gemeinden könne der Kirchenkreis nichts entscheiden, betont Holtz. „Deshalb arbeiten wir seit Januar 2020 intensiv mit einem Change-Manager zusammen, der mit Kooperationsausschüssen Zukunftsvisionen erarbeitet.“