Hattingen. Der Reschop-Bunker in Hattingen diente dem Luftschutz – und soll nun Wohnhaus werden. Warum das Gebäude den Namen „das Unvollendete“ verdient.
Das Efeu, das die Fassade des Reschop-Bunkers fest im Griff hatte, ist schon beseitigt. Nun zeigt sich das Zickzack-Muster an den Wänden. Auf dem Dach wachsen Pflanzen. Noch erinnert viel an die Vergangenheit. Ans Vergessen. Das wollen Architekt Joachim Stiller aus Hattingen und Markus Frohne aus Dortmund ändern. Sie warten auf die Genehmigung ihres Bauantrages, um einen Bunker zu beleben, zu dem der Name „der Unvollendete“ passt.
2020 schon hat das Duo den Antrag eingereicht. „Es dauert einfach wahnsinnig lange“, bedauert der Hattinger. Es gibt noch ein weiteres Hindernis: „Gerade wird diskutiert, ob der Betonkranz unter Denkmalschutz gestellt wird. Jahrzehnte hat der Bunker dem Bund gehört, da war nie davon die Rede. Jetzt, wo er in privaten Händen ist, kommt so eine Idee.“ Als Besonderheit bezeichnet Wilfried Maehler vom Studienkreis Bochumer Bunker e.V. diesen Betonkranz.
Wohnungen sollen im und auf dem Reschop-Bunker in Hattingen entstehen
Der bereits bröckelt. Die Besitzer wollen ihn abreißen. Denn: Mehr als 20 Wohneinheiten von 50 bis 120 Quadratmetern Größe mit großen Terrassen sollen auf dem Dach des Bunkers und teils im obersten Stockwerk des Hochbunkers an der August-Bebel-Straße entstehen. Dafür soll die obere Decke abgetragen werden. 2,80 Meter ist sie dick – und wenn sie erst einmal weg ist, dann „haben wir mehr Last vom Dach genommen, als durch den Neubau drauf kommt“, begründet Stiller.
Vom Eingang am Parkplatz her betritt Stiller derzeit den Bunker mit einer Grundfläche von 800 Quadratmetern. Öffnet sich die Stahltür, tritt der Besucher auf vertrocknetes Laub, Federn, blickt auf ein aufgeständertes Schild „Bitte hier nicht parken! Humanitärer Hilfstransporter“. Links in der Ecke stapeln sich abmontierte Waschbecken. „Dafür hatte schon der Vorbesitzer gesorgt.“ Dessen Pläne für den Bau Pläne blieben.
Im Bunker ist es erstaunlich hell und sauber
Im Bunker gibt es Elektrizität, es ist erstaunlich hell. Die Wände sind weiß, die sauberen Räume langgestreckt – weil die einzelnen geplanten Kabinen für jene, die Schutz vor Bomben suchten, nie fertiggestellt worden sind.
Überhaupt ist die Geschichte des Bunkers die eines unvollendeten Bauwerkes. Vier statt der drei Etagen hatte die Ursprungsplanung des Architekten Knaup 1941 vorgesehen. In diesem Jahr begannen auch die Ausschachtungsarbeiten. „Aus Dringlichkeitsgründen ist der Bunker nicht wie geplant gebaut worden. Es fehlten Material und Arbeitskräfte“, sagt Maehler. Auch ein Spitzdach sollte der Bunker bekommen, eine Außenverkleidung. „Damit er sich ins Ortsbild einfügt“, sagt Maehler. „Und um zu verhindern, dass der Bunker für Flieger gleich als Bunker zu erkennen war“, erklärt Stiller.
Provisorische Wöchnerinnenstation war einst im Bunker
200 bis 250 Menschen sollte der massive Bau Schutz bieten. Aber als der Krieg fortschritt, als für die Bevölkerung ausreichend Luftschutzraum nachgewiesen werden musste, „da hat man ihn 1945 einfach für 3000 Menschen ausgewiesen, später dann sogar für 5000“, erklärt Uphues.
Tatsächlich war hier 1945 eine provisorische Wöchnerinnenstation eingerichtet. Hans-Dieter Pöppe beispielsweise kam am 15. März 1945 im Hochbunker auf die Welt.
So sieht es derzeit im Bunker aus
In den ersten großen Erdgeschossraum gelangen Besucher, wenn sie durch eine der großen roten, für heutige Maßstäbe niedrigen Metallschutztüren gehen. Betonwürfel, beschriftet mit unterschiedlichen Angaben wie 2.11 oder 1.4, stehen an einer Wand. „Sie dienten als zusätzlicher Schussschutz und wurden in den Türöffnungen gestapelt“, sagt Stiller. Hier will er Parkraum schaffen für zwölf Pkw. Auch auf dem Außengelände soll es Parkplätze geben.
Der große Erdgeschossraum ist durch eine Wand in der Mitte längs geteilt. Im ersten Schlauch hängen an der Wand unweit der Prüfwürfel die Pläne von 1941 und jene des Architektenbüros Stiller. Gegenüber stehen Kisten und Dämmstoff, gedacht für Verkleidung von Proberäumen. Liegen geblieben sind sie vom Vorbesitzer. Die Brüder Reich hatten den Bunker 2014 erworben, wollten Proberäume für Bands einrichten, bevor sie die Wohnungsidee verfolgten.
Die Wände sind 2,15 Meter dick
Nichts schimmelt, alles ist sehr aufgeräumt. Die Wände sind 2,15 Meter dick. Es gibt zwei Eingänge, zwei Treppenhäuser – und irgendwann soll es auch zwei Aufzüge geben.
Ein Waschraum ist im zweiten langgestreckten Raum abgetrennt. Eine Toilette ist noch montiert, Wasserhahn reiht sich an Wasserhahn. Ansonsten fällt der Blick nur auf Leitungen und Anschlüsse. Alles soll raus – damit Fahrräder Platz finden.
Drei Etagen mit gleicher Aufteilung
Wohnen mit dicken Wänden
Die drei Etagen innen sind gleich aufgeteilt. Platz für Menschen, Toiletten, Waschgelegenheit. An den Decken entlang liegen Rohre. Die Ausgänge und Türen sind mit Farbe, die bei Dunkelheit leuchtet, gekennzeichnet – „damit sich die Menschen orientieren konnten, sollte der Strom mal ausfallen“.
Im obersten Geschoss des Bunkers, an dessen Fassade das Efeu Anfang des Jahres brannte, plant der Architekt aus Niederwenigern, der den Bunker 2019 mit Markus Frohne erworben hat, Gemeinschaftsräume für Treffen, einen Fitnessraum. Noch gibt es keine Fenster. Die sollen kommen – kein leichtes Unterfangen angesichts der dicken Wände.
Untergeschoss für Lager- und Technikräume
Das Untergeschoss bietet Raum für Lager- und Technikräume. „Wir bauen eine Luftwärmepumpe ein.“ Dabei spielt ihm das Klima im Bunker in die Karten. Denn: Ist es draußen heiß, herrschen innen kühlere Temperaturen – und im Winter wird es innen nicht so kalt wie draußen. Ein Tatbestand, den die Anlage nutzen wird. Zudem soll eine Photovoltaik-Anlage aufs Dach.
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Elf Meter ist der Bunker derzeit hoch. Kommen die Wohnungen, wird „das Gebäude insgesamt so hoch wie das Reschop Carré“, sagt Stiller. Noch im Herbst 2020 hatte er gehofft, dass die Räume 2023 bezugsfertig sein würden. Dafür hätten die Bauarbeiten indes Anfang dieses Jahres starten müssen. Mit gut eineinhalb Jahren Bauzeit rechnet der Architekt etwa. Dazu zählen auch die aufwendigen, mehrmonatigen Abrissarbeiten. Damit dem Bunker aus Kriegszeiten dann friedliches Leben eingehaucht werden kann. Bislang ist dieser Plan unvollendet.