Hattingen. Viele Anwohner im Freizeitdomizil Ruhrtal haben durch das Hochwasser ihr Heim verloren. Nun haben sie Sorge, nicht mehr hier leben zu dürfen.

Bei dem Jahrhundert-Hochwasser im Juli gehörte das Freizeitdomizil Ruhrtal zu den besonders betroffenen Bereichen. Viele Menschen auf der Anlage haben dort ihre Häuser verloren, darunter auch solche, die hier ihren alleinigen Wohnsitz haben. Nun hat die Stadt ihnen ein Schreiben geschickt, das für Verunsicherung sorgt.

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Wohnen auf dem Campingplatz ist „nicht statthaft“

Darin steht, dass die Nutzung der Anlage als alleiniger Wohnsitz „nicht statthaft“ ist – zum einen, weil sie sich „in einem Hochwasser gefährdeten Bereich“ befindet. Aber auch, weil sie generell nur zu Freizeitzwecken genutzt werden darf. Zuletzt wurde 2018 über dieses Thema gestritten, letztlich aber hatte die Stadt entschieden, die Situation auf unbestimmte Zeit zu dulden.

Nun impliziert das Schreiben der Stadt jedoch eine Änderung der Situation. Und tatsächlich erläutert die Erste Beigeordnete Christine Freynik: „Wie wir mit dieser Problematik umgehen – da sind wir mitten in der Diskussion.“ Der Verwaltungsvorstand wolle diesbezüglich in der kommenden Woche zusammenkommen. Zudem stünde die Stadt im Austausch mit dem Betreiber der Anlage, Dietmar Harsveldt.

Campingplatz-Betreiber wünscht sich Öffnung fürs Wohnen

Der wiederum wünscht sich eine Änderung des Bebauungsplans. „Rechtlich ist das möglich“, sagt er. Eine entsprechende Gesetzesänderung erlaube es, Teilflächen eines Erholungsgebietes für das dauerhafte Wohnen zu öffnen.

Bislang allerdings ist das nicht der Fall: Das Areal ist als Wochenendhaus-Gebiet ausgewiesen, dauerhaftes Wohnen bauplanungsrechtlich nicht gestattet. Entsprechend wird den Anwohnern im städtischen Schreiben auch nahegelegt, sich eine andere Wohnung zu suchen.

Allerdings leben hier nicht nur weiterhin die Menschen, die schon 2018 hier wohnten, auch Neue haben sich angemeldet. Einer von ihnen ist Holger Westphal, der seit zwei Jahren hier lebt: „Als ich mich angemeldet habe, hieß es sinngemäß: Es gibt nur eine Duldung. Und dass der Erstwohnsitz jederzeit widerrufen werden kann.“

Wer neu baut braucht eine Baugenehmigung

Was nun aber die Angst der Anwohner schürt: Dass jene, die ihr Haus abreißen und neu bauen müssen, dafür eine Baugenehmigung brauchen. Denn dass sich die Bauanträge bei der Stadt stapeln, ist kein Geheimnis. In vielen Fällen dauert ihre Bearbeitung länger als ein Jahr. Und genau so lange müssten die Anwohner warten, bis sie überhaupt anfangen dürften.

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„Ich habe, Gott sei Dank, nicht abreißen müssen“, sagt Holger Westphal. Allerdings kennt er viele seiner Nachbarn, die das betrifft. „Da werden bürokratische Hürden aufgebaut, die zeitlich gar nicht abzusehen sind“, moniert er. „Wir werden gezwungen, in eine Wohnsituation zu ziehen, die zwar rechtens sein mag, aber bei weitem nicht die Qualität hat wie hier.“

Und eine weitere Sorge kommt hinzu: „Wer mit der Meldeadresse, Tippelstraße 4, einen solchen Bauantrag stellt, bei dem könnte die Stadt annehmen, dass es sich um den Erstwohnsitz handelt, und ihn deshalb ablehnen“, meint Platzbetreiber Dietmar Harsveldt.

Das allerdings sei nicht der Fall, sagt Christiane Freynik. „Das hat gar nichts damit zu tun“, argumentiert die Erste Beigeordnete. „Jeder hat einen Anspruch darauf, dort ein Wochenendhaus zu errichten“, die Meldeadresse sei dafür irrelevant.

Anwohner erheben schwere Vorwürfe

Was die Anwohner zudem empört: Am Parkplatz der Anlage gibt es eine Unterführung, die unter der Isenbergstraße her zum Leinpfad führt. Früher, so sagen die Anwohner, habe es hier ein Fluttor gegeben. Heute aber ist der Durchgang frei und durch ihn kam auch das Hochwasser.

Ob es das Tor tatsächlich gab, wer es wann abgebaut hat und auch wer überhaupt zuständig ist – die Stadt, der Straßenbauträger, der Ruhrverband oder eine andere Behörde – dazu kann Freynik vorerst nichts sagen, eine entsprechende Rückmeldung aus dem Fachbereich steht noch aus.

Ein Bild von der Hochwassergefahr an der Tippelstraße in Zusammenhang mit der Unterführung wolle der Verwaltungsvorstand sich ebenfalls in der kommenden Woche machen.