Hattingen. Die Stadt Hattingen zieht Konsequenzen aus der Flut-Katastrophe und setzt auf Warnungen per Lautsprecher. Warum die Bevölkerung mitmachen muss.
Die Stadt Hattingen hat einen Wagen mit einer Lautsprecheranlage ausgerüstet, um die Bürgerinnen und Bürger bei Gefahrenlagen direkt vor Ort warnen zu können. „Das ist eine der Lehren, die wir aus der Flut-Katastrophe vom 14. Juli ziehen“, sagt Christine Freynik.
Die Erste Beigeordnete der Stadt ist auch Rechts- und Ordnungsdezernentin und berichtet, dass der Wagen bereits kurz vor seinem ersten Einsatz stand. „Bei der Explosion im Chemiepark in Leverkusen war eine Warnung der Bevölkerung auch in Hattingen im Gespräch, hat sich dann aber doch erübrigt.“
Warnungen auf allen möglichen Kanälen
Wichtig ist Freynik, dass Warnungen rechtzeitig und auf allen möglichen Kanälen erfolgen. „Öffentliche und soziale Medien, Sirenen, Warn-Apps und das geplante Cell-Broadcast-System sind alle wichtig, die Lautsprecherwagen können nur ein zusätzlicher Faktor sein.“
Zu einer ersten Hochwasser-Schadensbilanz gehört für Christine Freynik auch der Hinweis auf die „so nicht zu erwartende Wucht der Flut“. Vorher sei der höchste Pegelstand der Ruhr beim Hochwasser 2007 mit 6,18 Metern gemessen worden. Seitdem basiere der Gefahrenabwehrplan der Stadt auf einer Pegelhöhe von 6,50 Metern.
Stadt sortiert ihren Gefahrenabwehrplan neu
„Die jetzt erreichten sieben Meter waren undenkbar. Die Ruhr stieg pro Stunde um 15 Zentimeter, das gab es so noch nie“, ordnet Freynik die Lage ein. Jetzt sortiert die Stadt ihren Gefahrenabwehrplan neu. Offiziell seien alle Angelegenheiten, die die Ruhr betreffen, Sache der Bezirksregierung Arnsberg. „Aber wir stehen natürlich in engem Kontakt und klären ab, wo der größte Handlungsbedarf besteht“, so die Erste Beigeordnete.
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Von der Zuständigkeit her direkter betroffen ist die Verwaltung bei den Gewässern zweiter und dritter Ordnung, die bei der Flut zum Riesenproblem wurden. „Am Sprockhöveler Bach, am Paasbach und am Felderbach ist es zu extremen Situationen gekommen“, so Freynik.
Das wild abfließende Wasser hat die Verläufe verändert
Bei dem hügeligen Gelände habe die Wassermenge, die sonst in zwei Monaten fällt und jetzt in wenigen Stunden, zu reißenden Fließgeschwindigkeiten geführt. Bäume und Sträucher hätten Durchflüsse verstopft, die Überschwemmungen waren extrem.
Feuerwehr rückt zu 190 Einsätzen aus
Neben vielen anderen Straßen waren von der Hochwasser-Katastrophe am 14. Juli insbesondere diese Straßen betroffen: Schleusenstraße, Am Wallbaum, Auf dem Stade, Am Stade, Pannhütter Straße, Brandtstraße, Kratzmühle, Isenbergstraße, Tippelstraße, An der Kemnade, Ruhrbogen, Auf dem Felde, An der Kost.
Die Feuerwehr musste zu knapp 190 Einsätzen ausrücken und Menschen in Zusammenarbeit mit der DLRG teilweise mit Booten evakuieren.
Weil die Stadt die Bäche nicht auf dem Schirm hatten, bittet sie jetzt die Bürgerinnen und Bürger, Stellen zu benennen, wo es gefährlich geworden ist. „Das wild abfließende Wasser hat die Verläufe verändert“, sagt Christine Freynik. „Wir möchten die neue Lage analysieren und haben dazu auch schon viele Bereiche abgefahren. Aber wir können nicht überall sein und sind daher für Hinweise dankbar.“
Abwasserbeseitigungskonzept wird angepasst
Wenn die Verwaltung die Gefahrenlage neu bewertet hat, sollen zusätzliche Überlaufstellen eingerichtet werden, Gräben das Wasser an Häusern vorbeiführen. Dazu würden weitere Stau- und Regenrückhaltebecken gebaut. Renaturierung bleibe auch ein Thema. „Wir werden unser Abwasserbeseitigungskonzept anpassen“, kündigt Freynik an.
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Was der Rechts- und Ordnungsdezernentin noch wichtig ist: „Bei allen Konzepten und Maßnahmen bleibt am Ende immer auch ein Stück Eigenverantwortung der Bevölkerung übrig.“ Die Gefahrenlagen würden sich häufen. Bei der Flut am 14. Juli seien die Böden schon vorher sehr nass und aufgeweicht gewesen. „Das Wasser stand am Abend schon sehr hoch. Man musste damit rechnen, dass Keller vollaufen“, sagt Christine Freynik.
Da müsse jedem klar sein, dass man keine wertvollen Dinge im Keller lagern sollte. Und sich vor allem selbst nicht in Gefahr begeben darf.