Hattingen. Seit dem 15.7.2021 gibt es in Hattingen ein neues „Jahrhundert-Hochwasser“. Gebäude laufen voll. 50 Menschen werden evakuiert. Krisenstab tagt.

Der Höchststand ist am Donnerstagmorgen, so gegen halb elf, erreicht: 7,00 Meter meldet der Ruhrverband für den Pegel Hattingen – so hoch hat die Ruhr hier noch nie gestanden, nicht beim großen Hochwasser 1925, auch nicht bei der Möhne-Katastrophe im Krieg. Viele in der Stadt hat das Unwetter schwer getroffen: Etwa 50 Menschen werden evakuiert, Gebäude wie das Haus Kemnade werden von den Wassermassen geflutet, Unrat gefährdet das Hab und Gut.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Hattingen verpassen? Dann können Sie hier unseren Newsletter abonnieren. Jeden Abend schicken wir Ihnen die Nachrichten aus der Stadt per Mail zu. +++

Wortwitze zur Wasserburg verbieten sich: Haus Kemnade ist am Donnerstagmittag besonders schwer getroffen.
Wortwitze zur Wasserburg verbieten sich: Haus Kemnade ist am Donnerstagmittag besonders schwer getroffen. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

6,18 Meter war der bisherige Höchstwert für die Ruhr, gemessen am 23. August 2007. Ab jetzt werden alle nur noch vom „Jahrhundert-Hochwasser 2021“ sprechen.

Feuerwehr Hattingen ist die ganze Nacht und auch am Tag im Einsatz

„Wir sind seit 19 Uhr im Dauereinsatz“, berichtet Feuerwehrsprecher Jens Herkströter. In Holthausen etwa kommen Sturzbäche den Hang von der Reha-Klinik herunter, die für einen stundenlangen Einsatz der Rettungskräfte im Wohngebiet Bermes Feld/Am Kistner sorgen. „An der Kost in Welper mussten wir einige Häuser aufgeben, weil die Pumpen die Wassermassen nicht mehr geschafft haben.“

Auch interessant

Die Isenbergstraße und die Königsteiner Straße sind überflutet. Die Schwimmbrücke in Niederwenigern wird stark beschädigt, die kleine Brücke im Sünsbruch wird vom reißenden Sprockhöveler Bach weggespült.

Evakuierung mit Booten an der Schleusenstraße

An der Schleusenstraße werden mehrere Häuser evakuiert – zu hoch steht das Wasser. Die Anwohner werden mit Booten von den Rettungskräften der DLRG in Sicherheit gebracht.

>>> Mehr Nachrichten aus Hattingen und Sprockhövel

Der Krisenstab der Stadt Hattingen tagt gleich zweimal – und richtet eine Anlaufstelle im Bürgerzen­trum Holschentor für diejenigen ein, die ihre Häuser und Wohnungen verlassen mussten. Sie werden beispielsweise mit Essen versorgt. „Die meisten sind bereits bei Verwandten oder in Hotels untergekommen“, sagt Stadtsprecherin Susanne­ Wegemann. „Für die anderen schauen wir, ob in den Hotels oder an anderen Stellen noch Plätze frei sind.“ Im Zweifel werden auch Notbetten bereit gestellt.

Die Ruhr steht auf der Schleusenstraße – und die geparkten Autos verschwinden fast im Wasser.
Die Ruhr steht auf der Schleusenstraße – und die geparkten Autos verschwinden fast im Wasser. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

246 Einsätze meldet Rolf-Erich Rehm, Abteilungsleiter Bevölkerungsschutz beim EN-Kreis, für die Feuerwehr allein bis Donnerstagmorgen. Die Schwerpunkte für Rettungskräfte sind am Mittwochabend zunächst in Bredenscheid, Oberstüter und Blankenstein – und ab etwa 4 Uhr entlang der minütlich ansteigenden Ruhr.

Beim letzten Abruf der WAZ-Redaktion am Mittwoch (23.30 Uhr) steht der Fluss bei 5,95 Meter – beim ersten am Donnerstag (7 Uhr) dann schon bei 6,91 Meter.

Videobotschaft von Bürgermeister Dirk Glaser für die Bürger

Bürgermeister Dirk Glaser wendet sich im Laufe des Tages mit einer Videobotschaft an die Bürgerinnen und Bürger: „Es hat aufgehört zu regnet, aber mit der Ruhr ist nicht zu spaßen“, sagt er und weist noch einmal auf die Gefahren hin.

Hilfe für Betroffene

Die Stadt Hattingen hat am Donnerstag kurzfristig eine Anlaufstelle für Betroffene des Unwetters­ in ihrem Bürgerzentrum Holschentor (Talstraße 8) eingerichtet. Hier gibt es beispielsweise Kleidung und Lebensmitteln.

Darüber hinaus können sich Bürgerinnen und Bürger an die zentrale Rufnummer der Stadt unter 02324/ 204-0 wenden.

Bei den Evakuierungen, etwa an der Schleusenstraße oder Auf dem Stade, „wollten nicht alle freiwillig gehen“, berichtet Stadtsprecherin Susanne Wegemann. „Im Haus zu bleiben, ist zum Teil aber lebensgefährlich, weil keiner weiß, ob das Gebäude durch das Wasser nicht einsturzgefährdet ist.“

Dass der Pegel wegen möglicher Wassermassen aus dem Sauerland noch weiter ansteigt, hat sich zunächst nicht bestätigt – am Nachmittag war der Wasserstand bereits wieder um mehr als 25 Zentimeter zurückgegangen.

>>> Folgen Sie unserer Redaktion auf Facebook – hier finden Sie uns