Hattingen/Sprockhövel. Großer Ansturm auf Hattingens Arztpraxen nach der Astrazeneca-Freigabe: Einige Ärzte planen deshalb jetzt ein eigenes Impfzentrum in Sprockhövel.

„Das ist ja zunächst mal doch eine Überraschung“, findet Hattingens Hausarztsprecher Dr. Willi Martmöller und meint damit die Aufhebung der Priorisierung für Impfungen mit Astrazeneca. Die war am Donnerstagabend (6. Mai) plötzlich gekommen – und zwar so plötzlich, dass einige Hausärzte weder in dieser Woche, noch in der kommenden die nun wahrscheinlich steigende Nachfrage werden bedienen können.

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Langzeitplanung nur schwer möglich

„Im Moment haben wir nur Biontech in den Praxen“, so der Hausärztesprecher, der mit seinem Kollegen Dr. Lasse Schäfers für vier Standorte in Hattingen, Bochum und Sprockhövel verantwortlich zeichnet. Und aufgrund der Bestellmodalitäten könne in diesen frühestens in der Woche ab dem 17. Mai mit Astrazeneca-Impfungen gestartet werden.

Dieses Problem hat Dr. Christian Rusche nicht. Zwar verzeichne er seit dem Wegfall der Priorisierung „ein massiv höheres Aufkommen an Nachfragen“, sagt er, aktuell jedoch habe er „Astrazeneca in ausreichenden Mengen in der Praxis“. Wie lange die Patienten seiner Hattinger Praxis nun auf einen Impftermin mit Astrazeneca warten müssen, kann er trotzdem nicht genau sagen. Denn beim Impfen – und das beklagen beide Ärzte – sei keine gute Langzeitplanung möglich. Bestellt wird immer am Dienstag, wie viel von welchem Impfstoff kommt, erfahre man dann erst zum Ende der Woche für die kommende, da der Bund die Dosen gleichmäßig aufteilt.

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Ärzte müssen weiter abwägen, wer zuerst geimpft wird

Dass die Priorisierung für diesen spezifischen Impfstoff nun nicht mehr bindend ist, heißt zudem nicht, dass sich die Ärzte nicht weiterhin daran orientieren, erläutert Hausärztesprecher Martmöller: „Der Bedrohte ist eher dran, das ist selbstverständlich.“ Jedoch gebe es nun die Freiheit, übrig gebliebene Impfdosen unkompliziert an Jüngere und Nicht-Vorerkrankte zu verimpfen, bevor sie verfallen.

Auch Rusche bestätigt: „Es ist immer noch so, dass priorisierte Personengruppen bevorzugt einen Impftermin bekommen.“ Zudem müssten Impfwillige unter 60 Jahren, insbesondere Frauen zwischen 18 und 40 Jahren, bei einer Impfung mit Astrazeneca gesondert aufgeklärt werden. Den vielzitierten Impfneid hält Rusche dennoch für unbegründet, denn: „Jeder, der geimpft wird, hilft der Allgemeinheit.“

Eigenes Impfzentrum in Sprockhövel

„Wir überlegen gerade, ob wir für unsere vier Praxen ein gemeinsames Impfzentrum einrichten“, verrät Martmöller. „Das wäre im Hausärztezentrum in Sprockhövel möglich.“ Hier gebe es derzeit ungenutzte Räume einer Bildungseinrichtung, die man dafür herrichten könnte. Hintergrund ist, dass neben dem Impfen auch der normale Praxisbetrieb aufrecht erhalten werden muss, was jedoch – und damit sei zu rechnen – mit einer steigenden Nachfrage nach Astrazeneca immer schwieriger werden würde.

Ein eigenes Impfzentrum zu eröffnen, das hält Dr. Christian Rusche vorerst nicht für nötig. Allerdings habe seine Hattinger Praxis nun deutlich mehr Impfungen eingeplant, dafür sogar einen extra Tag eingeführt: „Samstag ist unser Astrazeneca-Impftag.“

Keine Astrazeneca-Termine im Impfzentrum

An die Impfzentren bzw. die Kassenärztliche Vereinigung brauchen sich Bürger wegen Impfungen mit Astrazeneca nicht zu wenden: In den Impfzentren werde derzeit nur der Impfstoff von Moderna und Biontech verwendet, erläutert Andreas Daniel von der KVWL.

Derweil werde Astrazeneca über die Apotheken an die Arztpraxen geliefert. „Aktuell impfen 80 Prozent der Hausärzte und 20 Prozent der Fachärzte“, so Daniel. Dass die Impfzentren auch wieder in die Astrazeneca-Impfungen einsteigen werden, hält er für unwahrscheinlich, sei aber letztlich eine Entscheidung des Landes.