Hattingen. Das Corona-Jahr war das letzte Berufsjahr von Bernd Jeucken, Leiter der Stadtbibliothek Hattingen. Warum es ihm in guter Erinnerung bleiben wird.
Dass 2020 wegen Corona ein sehr bescheidenes Jahr war, kann Bernd Jeucken, der jetzt als Leiter der Stadtbibliothek Hattingen nach 32 Jahren plus einem halben Jahr seinen Hut genommen hat, aus beruflicher Perspektive nicht sagen.
„Das war ein spannendes Jahr, das ganze Team hat zusammengehalten. Diesen Teamgeist werde ich in guter Erinnerung halten. Es war nicht alles negativ“, erklärt der 65-Jährige.
Dem Leiter der Stadtbibliothek Hattingen bleibt das Corona-Jahr in positiver Erinnerung
„Wir haben in der Zeit, wo wir schließen mussten – vom 13. März bis zum 3. Mai – einen Bringservice auf die Beine gestellt, haben Medienpakete für die Kunden geschnürt. In das Tonie-Angebot haben wir noch mal 2000 Euro gesteckt und viele andere Medien gekauft. Denn die Nachfrage war riesig“, sagt Jeucken.
Besonders Familien mit Kindern würden in der Krisenzeit ganze Pakete aus der Bibliothek nach Hause schleppen. „Sogar die Veranstaltungsreihe zum 100. Geburtstag der Stadtbibliothek konnten wir unten im Reschop-Carré noch durchführen“, schwärmt Jeucken.
Im Corona-Jahr hat die Stadtbibliothek viel in Ausstattung und Medien investiert
Vom Strätlingshof hat er einen Lüfter zum Kampf gegen Corona für die Bibliothek geliehen. „Da war die Feuerwehr da, hat geguckt. Den Lüfter haben wir so lange, bis der von der Stadt bestellte kommt.“
Stadtbibliothek entwickelt sich in 30 Jahren vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan
Stolz ist er darauf, wie das mit ihm 14-köpfige „Dream Team“ die Krise derzeit meistert. In 2020 blickte er durch die Fenster, die mit einem Regenbogen Hoffnung spenden und mit riesigen Maske-tragenden Smileys um Verantwortung bitten, auf die Reschop-Kreuzung. Die Stadtbibliothek, sagt er, sei ein stolzer Schwan.
Das sei sie nicht immer gewesen, blickt Jeucken auf die Anfänge an der Bredenscheider Straße zurück. „Da war sie noch ein hässliches Entlein“, erinnert er sich – und auch daran, dass er Grundschulkindern das Märchen vom hässlichen Entlein mal am Teich der Paasmühle zwischen Schwänen und Enten vorgelesen hat.
Kinder- und Jugendecke ist Bernd Jeuckens Lieblingsbereich in der Bibliothek
Die Kinder- und Jugendecke, das Aquarium: Das ist immer noch sein Lieblingsort in der Bibliothek. Denn Bildung liegt ihm am Herzen – und er hat mitbekommen, dass die Corona-Zeit viele Kinder zurückgeworfen hat. „Lesen ist so wichtig“, sagt Jeucken, dessen Bibliothekarskarriere begann, als die Deutschlehrerin den damals 16-Jährigen fragte, ob er nicht die Schulbibliothek leiten wolle. Er wollte.
Und weil später der NC fürs Sportstudium nicht vorweisen konnte, entschied er sich, Bibliothekar zu werden, studierte in Köln, arbeitete erst in der Kreisbibliothek in Bergisch-Gladbach, ging dann als Stellvertreter „einer wunderschönen Bibliothek“ nach Werne an der Lippe. Von dort kam er dann nach Hattingen. Zum hässlichen Entlein.
„Tolle inhaltliche Arbeit“ bescherte der Bibliothek Beachtung
Es entwickelte sich durch viele Ideen und „tolle inhaltliche Arbeit“. Die der Bibliothek Beachtung brachte: Bilderbuchkino, Experimente, Harry-Potter-Partys. Die List ist lang. „Da fluppte das richtig.“ 2001 dann „waren wir beim Projekt Medienpartner Bibliothek und Schule: Lese- und Informationskompetenz NRW der Bertelsmann Stiftung und des NRW-Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport dabei“.
Das Entlein, es wurde mit dem Umzug ins Reschop-Carré 2009 zum Schwan. Wieder und wieder schnitt die Bibliothek beim Ranking des Deutschen Bibliotheksverbandes super ab. „Vertreter der Goethe-Institute Moskau und aus Südamerika waren da, um sich die Bibliothek anzusehen“, sagt Jeucken. Besonders die Verbindung von Einzelhandel und Bibliothek, von Kommerz und Kultur, habe Aufsehen erregt.
In der Anfangszeit zahlte Bernd Jeucken Lehrgeld – und lernte, das Team einzubinden
Aber dafür musste Bernd Jeucken in seiner Anfangszeit in Hattingen auch Lehrgeld zahlen. „Ich hatte anfangs keine Führungserfahrung, habe zu Beginn Entscheidungen im Alleingang gefällt. Das mache ich heute nicht mehr.“
Im Corona-Jahr hat er mit seinem Team darum gemeinsam Entscheidungen gefällt, er kann inzwischen delegieren – und hilft Mitarbeitern, ihre Ideen für die Bibliothek umzusetzen.
Kürzlich seien ein 3D-Drucker, ein Plotter und Virtual-Reality-Brillen angeschafft worden. Damit wird die Stadtbibliothek so bald als möglich Workshops für Kinder und Jugendliche anbieten. „Wir haben insgesamt 20.000 Euro in Ausstattung investiert, das ist Geld aus dem Förderantrag ,Makerspace’.“ Gern hätte er die Ausstattung noch der Öffentlichkeit präsentiert. Und auch erlebt, wie der zweite Förderantrag für ein neues intelligentes Rückgabesystem umgesetzt wird. Denn der Rückgabeautomat ist in die Jahre gekommen. „Der Antrag würde bis März 2021 verlängert. Dann kommt auch zeitgleich eine neue EDV.“
Ideen für den Ruhestand hat Bernd Jeucken reichlich
Doch dann wird sich Bernd Jeucken längst anderen Projekten widmen, will wandern, kann sich geführte Wanderungen vorstellen – und vieles mehr. „Das entscheide ich im Januar.“
Informationen: Promis in der Bibliothek und Lesetipps von Bernd Jeucken
Viele Prominente holte Bernd Jeucken in die Stadtbibliothek. Einige Beispiele: Muriel Baumeister, Hennes Bender, Tillmann Jens, Werner Hansch, Manfred Breuckmann, Robert Atzorn, Rupert Neudeck, Jürgen Domian, Piet Klocke.
Der Lesetipp von Jeucken, der auch Lyrik mag und seit geraumer Zeit auf der Facebook-Seite der Bibliothek unter „Lürick am Sonntag“ wöchentlich ein Gedicht plus Bild postet: Harald Lesch, Thomas Schwartz, Unberechenbar: Das Leben ist mehr als eine Gleichung – über die Gefahren der künstlichen Intelligenz. „Das ist spannend geschrieben! Lesch lese ich sehr gerne.“
Außerdem empfiehlt er Kriminalromane des australischen Schriftstellers Garry Disher. „Wenn man einen davon gelesen hat, kann man nicht mehr aufhören.“